365-Euro-Ticket: Frau Vassilakou, wir müssen reden!

Nur in Wien: Christoph Schwarz und Julia Schrenk kommentieren regelmäßig Amüsantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches aus dem Alltag der Stadt.
Der aktuelle Wien-Blog: Die jüngste Öffi-Studie erzählt einiges über Radler und Autofahrer. Letztere zahlen ziemlich viel für die Öffis.

Eine Öffi-Jahreskarte um 365 Euro, das gibt es tatsächlich nur in Wien. Zumindest, wenn man deutsche Großstädte zum Vergleich heranzieht.

So wie es diese Woche eine deutsche Studie, die kritische Wienerinnen und Wiener etwas stirnrunzelnd zurück ließ, tat.

Die Studie erklärt auf mehr als 40 Seiten, warum das verbilligte Jahresticket nicht entscheidend für den Erfolg des Wiener Öffi-Verkehrs sei. Offiziell tut sie das, um deutsche Städte wie Berlin, die Wien beim Jahresticket nacheifern, zu warnen.

Ein, zwei Fragen

Dass das Genörgle am 365-Euro-Ticket auch eine (partei-)politische Komponente hat und die Studie vielleicht doch nicht so "hunderprozentig durchdacht" war, darüber haben wir berichtet.

Nicht berichtet wurde darüber, was sonst noch so Spannendes in der Studie steht. Das wollen wir nachholen. Dabei tauchen nämlich ein, zwei Fragen auf.

Nur in Wien ist der Anteil der Öffi-Nutzer an allen Verkehrteilnehmern prozentuell so hoch - er liegt bei 38 Prozent. In deutschen Städten sind es zwischen 25 Prozent (Berlin) und 21 Prozent (Köln).

Wo sind die Radfahrer?

Etwas anders verhält es sich bei den Radfahrern: Während es in deutschen Städten bis zu 19 Prozent sind, sind es in Wien nur 7 Prozent. Und das, obwohl die Stadt, namentlich die damals zuständige Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, zuletzt Millionenbeträge in den Ausbau des Radnetzes gesteckt hat. Auch bei den Fußgängern liegt Wien knapp hinten.

Liegt das wirklich nur daran (wie es in der Studie heißt), dass der Öffi-Verkehr in Wien so gut funktioniert, dass er die Wiener quasi regelrecht vom Radfahren und Gehen abhält?

Oder lief in Sachen Radl-Politik doch nicht alles so glatt, wie man gerne behauptet? Frau Vassilakou, wir müssen reden! (Vielleicht wäre das gerade jetzt, nach Ende ihrer Amtszeit, lehrreich.)

Spannend ist übrigens auch der Preisvergleich bei den Einzeltickets. In Wien stieg der Preis zuletzt auf 2,40 Euro, was die Studie kritisiert. Im Vergleich zu den deutschen Städten ist das aber immer noch billig: In Berlin etwa sind es 2,80 Euro, in Hamburg gar 3,30 Euro. (Bei den Monatskarten ist der Unterschied noch eklatanter.) 

Warum, fragt man sich, wird ausgerechnet das 365-Euro-Jahreticket für die regelmäßigen Öffi-Nutzer immer wieder in Frage gestellt, während es bei anderen Ticketarten offenbar durchaus Luft nach oben gäbe?

Neue Mehrheiten

Die Studie kritisiert, dass die Festlegung auf den symbolischen Wert von einem Euro pro Tag den politischen Spielraum beim Jahresticket "unabhängig von den politischen Mehrheiten" verschlechtere. Stellt sich die Frage, welche Mehrheiten wohl an eine Verteuerung der Öffis denken.

Interessant ist - zum Drüberstreuen - auch, wie viel Geld die Stadt mit der Parkraumbewirtschaftung - ein schönes Wort für die Einrichtung von Kurzpark- und Parkpickerlzonen - einnimmt. Inklusive der Strafen sind es jährlich rund 190 Millionen Euro. Das Geld fließt zu einem Gutteil - zweckgebunden - in die Öffis.

Auch das gibt es nur in Wien. In Deutschland ist eine derartige Zweckbindung gesetzlich verboten.

Ab sofort kommentieren Christoph Schwarz und Julia Schrenk an dieser Stelle regelmäßig Amüstantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches, das (wahrscheinlich) nur in dieser Stadt passiert.

Kommentare