Ein Raum, der für diesen besonderen Anlass mit Bedacht gewählt wurde, denn hier fand am 27. April 1945 die erste konstituierende Sitzung der provisorischen Bundesregierung unter Karl Renner statt. Nur wenige Tage später, am 5. Mai, endete für Zalewski ein langes Martyrium. An diesem Tag wurden er und seine Mithäftlinge von amerikanischen Truppen aus der Lagerhaft im KZ Gusen befreit. 600 Tage hatte der 1925 in Polen geborene Zalewski in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, Mauthausen, Gusen I und Gusen II verbringen müssen, nachdem er im Alter von 17 Jahren wegen seiner Tätigkeit im Widerstand von der Gestapo verhaftet worden war.
„Als Botschafter des Erinnerns hat er vielen jungen Menschen diese furchtbare Zeit vermittelt“, sagt Ludwig in seiner Laudatio über Zalewski und dessen unermüdliche Tätigkeit als Zeitzeuge. Einer der wenigen verbliebenen, die noch mit ihren eigenen Erfahrungen zur aktiven Erinnerungskultur beitragen – er ist der letzte polnische Überlebende der KZ Mauthausen und Gusen.
72 Tage zu Fuß
Im KZ Gusen II musste Zalewski als Zwangsarbeiter unter grausamen Bedingungen im Stollensystem Bergkristall an der Produktion von Flugzeugteilen für die Nationalsozialisten mitarbeiten. Nach der Befreiung gelangte er mit einem Transport der US-Armee nach Nürnberg. Von dort kehrte er in einem 72-tägigen Fußmarsch nach Polen zurück, wo er vom Tod seiner Mutter und seines Bruders erfuhr. Umso eindrücklicher ist es, wenn sich Zalewski in seinen Dankesworten „eine Brücke zwischen Polen und Österreich wünscht, sodass alle Menschen guten Willens zusammenarbeiten können“.
Zalewski war tags zuvor von Innenminister Gerhard Karner auch mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet worden. Der 99-Jährige werde für „sein außergewöhnliches Engagement als Zeitzeuge und Mahner gegen das Vergessen“ geehrt, hieß es.
Als Zeitzeuge der nationalsozialistischen Gräueltaten war Zalewski aber auch durchaus streitbar. Gegen die Verwendung des Begriffs „polnische Konzentrationslager“ klagte die „Polnische Vereinigung der ehemaligen Häftlinge der politischen Gefängnisse und Konzentrationslager Hitlers“, deren Präsident er ist, 2018 erfolgreich. „Ein Erfolg, der ihm persönlich zuzuschreiben ist“, sagt Ludwig.
Zalewski kritisierte in der Vergangenheit auch den Umgang der Republik Österreich mit dem KZ Gusen. Nach Kriegsende wurde das Gelände parzelliert und verkauft. Heute stehen auf dem ehemaligen KZ-Gelände Einfamilienhäuser.
Angesprochen auf seine Meinung zum politischen Rechtsruck, der derzeit viele Länder erfasst, zeigt er sich im Gespräch mit dem KURIER abgeklärt. „All diese Ideologien sind von Menschen gemacht. Ich glaube leider nicht, dass jetzt plötzlich Frieden auf der Welt ausbricht. Die Gräben zwischen den Menschen sind zu groß, und wo das der Fall ist, gibt es immer Konfliktpotenzial.“
Kiste der Erinnerung
600 Tage habe er an Orten der Vernichtung verbracht, an denen man darauf vergessen habe, dass ein Mensch einem anderen Gutes tun sollte, sagt Zalewski. Wie er es trotz all dieser Erfahrungen immer wieder schafft, nach Österreich zurückzukehren? „Ich habe diese Tage nicht vergessen. Aber wenn ich hierher komme, packe ich meine Erinnerungen in eine wasserdichte Schachtel und werfe sie ins Wasser. Dann bin ich frei von der Last. Wenn ich dann zu den Gedenkfeiern komme, hole ich die Kiste heraus, und die Erinnerungen kommen zurück. Und nach der Feier wird alles wieder eingepackt und versenkt“, erklärt Zalewski seinen Zugang.
„Es ist wichtig, ein Mensch zu sein und wie ein Mensch zu handeln“, sagt er über die Lehren, die aus seiner Geschichte gezogen werden sollten. „Und mit einem Lächeln auf den Lippen zu leben. Ein Lächeln verlängert das Leben um fünf Minuten“, sagt Zalewski. Und lächelt in die Runde. „Ich weiß, was Trauer ist. Ich weiß aber auch, was Freude ist.“