"Ich habe keine Angst vor dem Tod"

Richard Glossip könnte bald zu jenen Menschen gehören, die trotz Unschuld hingerichtet wurden.

Motelbesitzer Barry Van Treese wird in den frühen Morgenstunden des 7. Jänners 1997 ermordet. Mit einem Baseball-Schläger, in Zimmer 102 seines eigenen Motels, dem „Best Budget Inn“. Der Mörder steht schnell fest: Justin Sneed, 19, Wartungsarbeiter. Das Zimmer ist voller Fingerabdrücke, die DNA-Spuren sind überwältigend. Sneed leugnet nicht, den Mord begangen und zusätzlich 4000 Dollar erbeutet zu haben. Dass er dafür vom Staat Oklahoma allerdings nicht zum Tode, sondern zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wird, hat einen bestimmten Grund: Justin Sneed soll zu der Tat angestiftet worden sein.

„Richard hat mir gesagt, dass wir das Geld, das wir von Barry erbeuten, teilen würden“, sagte Sneed bei seiner Vernehmung. Er meinte Richard Glossip, den damals 34-jährigen Manager des „Best Budget Inn“. Dass Sneed sechs bis sieben Mal täglich Crystal Meth konsumierte und als Drogendealer arbeitete, brachte die Geschworenen nicht davon ab, ihm zu glauben. Die Folge: Richard Glossip wurde zum Tode verurteilt, wegen Anstiftung zum Mord. Nach der Urteilsverkündung soll er ungläubig den Kopf geschüttelt haben.

Dead Man Walking

Am Mittwoch vergangener Woche bekam Richard Glossip seine Henkersmahlzeit kredenzt: Fish and Chips, Pizza und einen Erdbeer-Milchshake. Das Urteil sollte um 3 Uhr Ortszeit vollzogen werden. „Ich habe keine Angst vor dem Tod“, sagte er zuvor noch dem Daily Mirror. Er hoffe aber, dass sein Ableben nicht vergebens sei: „Wenn meine Exekution sicher stellt, dass keine anderen Unschuldigen mehr in die Todeszelle geschickt werden, dann bin ich bereit, dafür zu sterben.“

Nachdem der verurteilte Mörder gegessen hatte und im Beisein von zwei Freunden auf seine Hinrichtung wartete, wurde ihm doch noch ein vorübergehendes Gnadenbrot gewährt. Sein Anwalt Don Kinght hatte neue Hinweise auf die Unschuld des Verurteilten vorgelegt, sodass dieser drei Stunden vor seinem vermeintlichen Tod noch einmal durch- und weiteratmen durfte. Für David Prater, Staatsanwalt in Oklahoma, eine „Bullshit PR-Kampagne“, in der es nur darum gehe, eine Exempel gegen die Todesstrafe in Oklahoma zu statuieren. Dass Glossip überhaupt noch am Leben ist, liegt an einer großen Zahl an Unterstützern. Zum Beispiel der Ordensschwester Helen Prejean. Sie setzt sich seit den 80ern für Todeskandidaten ein und ist die Autorin des Buches „Dead Man Walking“. Auf ihrem Blog legte sie einige Fakten und Widersprüche im Fall Richard Glossip dar.

Die Argumente der Glossip-Seite haben durchaus Substanz. So soll Sneed gegenüber anderen Mithäftlingen zugegeben haben, dass Glossip mit dem Mord nichts zu tun hatte. Glossip selbst fehle laut Prejean zudem ein klares Motiv. Außerdem habe er den Mord nicht einmal begangen, sondern Sneed. Damit stehe der Fall in keiner Verhältnismäßigkeit zu anderen Urteilssprüchen in Oklahoma. Zum Vergleich: Der Terrorist Terry Nichols, beteiligt an 168 Morden, wurde „nur“ zu 161 lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt.

2014: 35 Hinrichtungen

2014 wurden in den Vereinigten Staaten 35 Menschen hingerichtet. Die Hinrichtung per Giftspritze ist in den Staaten genauso Usus, wie in China. Dort gibt es allerdings auch noch Erschießungen. Außerdem liegt die Zahl der Hinrichtungen im Tausenderbereich und verschafft China die fragwürdige Ehre, der Staat mit den meisten vollzogenen Todesstrafen zu sein. Die USA rangieren in dieser Liste auf Platz 5, hinter China, Iran, Saudi-Arabien und dem Irak. Sie sind das einzige amerikanische Land, in dem es die „Death Penalty“ noch gibt. Die Todesstrafe wird in 58 Staaten der Welt vollstreckt.

Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe, im Jahr 1979, sind in den USA 155 zum Tode Verurteilte wieder freigesprochen worden. Manche erst kurz vor der Vollstreckung des Urteils. Glaubt man einer Studie der US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences", landen „bei konservativer Schätzung“ zirka 4,1 Prozent Unschuldige in der Todeszelle.

Wie viele von ihnen bisher getötet worden sind, ist nicht bekannt. Genauso wenig, wie der Umstand, was mit Richard Glossip geschehen wird. Sollte das Gericht den Fall nicht aufs Neue aufrollen und keinen weiteren Aufschub gewähren, wird Glossip wohl am Mittwoch nächster Woche, dem 30. September, nach einer „letalen Injektion“ des Giftstoffes Midazolam sterben. Oklahomas republikanische Gouverneurin Mary Fallin lässt wenig Hoffnung auf einen nachträglichen Freispruch: „Oklahoma ist bereit, ihn für seine Tat zur Rechenschaft zu ziehen."

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