Wie durch ein Wunder keine Toten

Ein heftiger Erdstoß zerstörte Sonntagfrüh zahlreiche Gebäude. Weitere Beben werden erwartet.

Das heftigste Erdbeben (Stärke 6,5) seit 1980 erschütterte Sonntagfrüh Mittelitalien. Zwanzig Menschen wurden verletzt, Zehntausende sind obdachlos. 1980 hatte es im süditalienischen Irpinia bei einem Beben gleicher Stärke fast 3000 Tote gegeben. Das Epizentrum lag diesmal nahe der umbrischen Kleinstadt Norcia. "Das Hotel schwankte, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, weil der Boden wegzurutschen drohte. Gäste flüchteten in Panik. Ich dachte, das sei das Ende", erzählt Francesco Grignetti. Der Reporter der Zeitung "La Stampa" hielt sich nahe des Erdbebengebiets auf.

Wie durch ein Wunder keine Toten
Die 5000-Einwohner-Gemeinde Norcia im Herzen Umbriens in den Sybillinischen Bergen wurde schwer getroffen, auch wenn zum Glück keine Toten gemeldet wurden. Sechs Personen wurden aus den Trümmern geholt. Zwei Schwerverletzte wurden mit dem Hubschrauber ausgeflogen. Wer sein Dach über dem Kopf verloren hat, soll in Hotels an der Adria-Küste untergebracht werden. Die Basilika des Heiligen Benedikt aus dem 13. Jahrhundert sowie die Kathedrale von Santa Maria Argentea von Norcia stürzten ein.
"Es ist wie nach einem Bombenangriff", berichten Augenzeugen. Straßen wurden aufgerissen. Die Bergdörfer Preci, Castelluccio, Castelsantangelo und Visso sind schwer beschädigt. Unterbrochene Strom- und Telefonleitungen sowie prekäre Trinkwasserversorgung erschweren die Lage. Mönche und Ordensschwestern, die in der Basilika beteten, konnten sich in letzter Minute ins Freie retten. Auf der Piazza in Norcia versammelten sich verschreckte Bewohner. "Es ist ein Wunder, dass wir noch leben", sagt ein älterer Herr. "Zum Glück hat meine Frau heute später unsere Bar aufgesperrt, das hat ihr das Leben gerettet", berichtet Alberto Rendina. Das Ehepaar schlief seit Tagen nahe der Haustür am Boden, um im Falle eines Bebens schnell ins Freie zu gelangen. Er kam mit einem Schrecken und einer von Glassplittern verletzter Hand davon. Bewohner berichten auch, dass Hunde in der Gegend eine halbe Stunde vor dem Erdstoß als Warnung heftig zu bellen begannen.
Seismologe Mario Tozzi warnt: "Neue, noch stärkere Beben sind nicht auszuschließen." Nach den Erdstößen suche die Erdbebenlinie laut Experten ein neues Gleichgewicht, was zu Nachbeben führt. Premier Renzi versprach finanzielle Unterstützung: "Niemand wird allein gelassen. Wir werden alles wieder aufbauen." Das mehrere Sekunden dauernde Beben war auch im 170 Kilometer entfernten Rom stark zu spüren. Vorübergehend wurden die Metrolinien gesperrt und Sicherheitskontrollen an Kirchen vorgenommen.

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