„Wäre ich Unterrichtsministerin, gäbe es 50 Schultypen“

Renee Schroeder, Mikrobiologin
Interview.Biochemikerin Renée Schroeder will zur Weltrettung anstiften. Am wichtigsten sei ein vielfältig ausgestaltetes Bildungssystem, sagt sie

Bei einer Ausstellung über Sprachen auf Schloss Eggenberg 2003 wurde das Deutsche und das Englische verglichen, mit zwei Sätzen: In der deutschsprachigen Kultur gilt der als besonders intelligent, der sich übermäßig kompliziert ausdrückt. Im anglosächsischen Raum hingegen gilt derselbe als dumm, weil er sich nicht leicht verständlich ausdrücken kann. Wenn es also zwei Typen von Professoren gibt, die, die zeigen wollen wie toll sie sind und jene, die eine Botschaft haben und eine Geschichte erzählen wollen, dann gehört Renée Schroeder zum zweiten Schlag.

KURIER: Frau Professor, was bedeutet Luxus für Sie?

Oberluxus ist eine Dusche mit sauberem Wasser. In Wien dusche ich immer mit schlechtem Gewissen, denn in Brasilien, wo ich geboren bin, gab es in der Trockenzeit kein Wasser zum Duschen.

Sollen wir uns also in Zukunft bescheiden, ist das die Botschaft Ihres Buches?

Wir müssen ein anderes Wirtschaftssystem finden. Der Weg dorthin beginnt mit der Frage ,Was ist mir wichtig, nämlich wirklich wichtig?‘ – das hat mit Verzicht nichts zu tun. Für eine Gesellschaft ist der Zugang zu Essen, zu Gesundheitsvorsorge und ein Dach über dem Kopf wichtig, aber das allerwichtigste ist Bildung, damit sich die Person so entwickeln kann, wie es in ihr drin steckt. Wenn alle das Gleiche lernen, das ist Schwachsinn. Jeder soll sich überlegen, wo sein Kind hinpasst, und wo es sich am besten entfalten kann. Wäre ich Unterrichtsministerin, gäbe es 50 verschiedene Schultypen.

Wir schaffen es nicht einmal, Mittelschule und Gesamtschule wertfrei nebeneinander zu stellen, und zwar seit den Anfängen dieses Streits in den 1920er-Jahren.

Vielfalt ist evolutionär entscheidend. Gäbe es nur Klone, wären die unter geänderten klimatischen Bedingungen alle weg. Habe ich eine große Diversität, werden viele überleben.

Aber produziert nicht auch das Wissenschaftssystem zunehmend Klone?

Wir sind nicht anders. Wir messen alle mit dem gleichen quantitativen Standard (es geht um die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, der sogenannte Impact Factor, Anmerkung). Außenseiter, deren Arbeiten vielleicht eine höhere Qualität haben, werden oft ignoriert.

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