Vor 70 Jahren begann ihr Road-Trip

Members of the "Hells Angels" motorcycle club ride their motorbikes during a demonstration on September 9, 2017 in Berlin. Members of the club staged the demo titled "Freedom is our religion" in order to protest against a new association law that prohibits them from wearing their death's head insignia in the public. / AFP PHOTO / Tobias SCHWARZ
Von frustrierten Kriegsheimkehrern zur internationalen "kriminellen Vereinigung".

Sie sind Urväter des Rebellischen und Kämpfer gegen die Obrigkeit. Stolze Mitglieder einer verschwiegenen Bruderschaft mit ehernen Regeln. Und: Sie sind Schwerkriminelle, die mit Drogen, Hehlerei, Erpressung und Prostitution Geschäfte machen. Vor 70 Jahren, am 17. März 1948 begann im kalifornischen San Bernardino County der schillernde Road-Trip der "Hells Angels".

Die Männer der ersten Stunde waren keine coolen Typen, sondern entwurzelte, deprimierte Patrioten, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Verlassen der Cockpits ihrer Kampfbomber schnell zu spüren bekamen, dass ihr Vaterland ihnen am Boden nicht den roten Teppich ausrollen würde. Um Zeit totzuschlagen und der muffigen Atmosphäre der Nachkriegsgesellschaft zu entkommen, schlossen sie sich – wie im Fall des ehemaligen Kampf-Piloten Arvid Olsen – in Motorrad-Klubs zusammen. Olsen übernahm einfach den Namen seines früheren Luftwaffen-Geschwaders: "The Hells Angels". Das Emblem, der geflügelte Totenkopf, ist längst markenrechtlich geschützt.

"Tage des Terrors"

Wozu diese Männer in den Sätteln ihrer röhrenden Harley Davidson-Maschinen fähig waren, zeigte sich zum ersten Mal präzise am 4. Juli 1947 in Hollister. Die American Motorcycle Association hatte am Unabhängigkeitstag zu einem Rennen eingeladen. 4000 Biker fielen in das südlich von San Francisco gelegene Städtchen ein, feierten, zechten, marodierten und prügelten sich, bis der Arzt kam. Lokalzeitungen knallten die Schlagzeile "Tage des Terrors" auf die Seite 1.

Das Life-Magazin verbreitete das bis Phänomen mit eindrucksvollen Bildern im ganzen Land. Am 17. März 1948 formierten sich die "Pissed Off Bastards" in Fontana zum ersten Hells-Angels-Klub. In der Folgezeit schossen Biker-Bünde aus dem Boden. Denn Rest besorgte Hollywood mit Marlon Brando und Jack Nicholson. Etwas Besseres, räumte Sonny Barger, der heute 79-jährige und seit 1957 informell an der Spitze stehende Ober-Angel später ein, konnte den echten Rockern "nicht passieren".

Einer, der auch tüchtig mitgeholfen hat, war der Gonzo-Schriftsteller Hunter S. Thompson. In den 60er Jahren lebte er als von Job zu Job tingelnder Journalist in San Francisco, als der so genannte Lynch-Report in Umlauf kam. Zum ersten Mal s erfuhr Amerika von Fällen schwerster Gewalt, Brutalität und aggressivem Geltungsdrang. Thompson heftete sich an die Fersen der Angels, gewann das Vertrauen und fuhr schließlich mit dem Segen von

Vor 70 Jahren begann ihr Road-Trip
QUINCY, IL - AUGUST 23: Sonny Barger, founder of the Oakland, California charter of the Hells Angels motorcycle club, autographs a copy of Post magazine during an event at a Harley-Davidson motorcycle dealership August 23, 2003 in Quincy, Illinois. The November 20, 1965 issue featured a cover story about the Hells Angels. Harley-Davidson will celebrate the company's 100th Anniversary on August 31. (Photo by Scott Olson/Getty Images) Bildnummer. 2431708

Ralph "Sonny" Barger ein Jahr mit den Angels durchs Land. Was er 1966 darüber in Buchform zu Papier brachte, die "seltsam und furchtbare Sage" der Hells Angels, sollte auf Jahre das Bild der Gruppe prägen. Ebenso präzise wie unvorteilhaft für die Rocker zeichnete der 2005 durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Autor das Bild eines von dumpfen Ritualen geprägten Männer-Bundes, der Prinzipien wie Respekt, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Freiheit geschmeidig mit dem Gebaren einer hochkriminellen Vereinigung verbinden konnte. Sein Lohn: Sonny Barger stempelte Thompson zum Paria. Einmal wurde der Schriftsteller von den Rockern windelweich geprügelt.

Nur drei Jahre später erleben die Hells Angels eine Zäsur, die weit über das Genre der Rockmusik hinauswirken sollte. Bei einem Konzert der "Rolling Stones", die die Gruppe als Sicherheitsdienst angeheuert hatte, kommt es im Dezember 1969 in Altamont bei San Francisco zur Katastrophe. Während die Stones gerade "Sympathy For The Devil" spielen, wird ein Afro-Amerikaner von den Angels erstochen. Die Szene wird mit Kameras dokumentiert, zu sehen in dem Film "Gimme Shelter". Der "Rolling Stone" schreibt später vom "schlimmsten Tag des Rock’n’Roll". Was Sonny Barger selbstredend anders sieht. In einer Autobiografie schilderte der nicht mal 1,60 Meter große Mann, der heute nur noch durch einen künstlichen Kehlkopf sprechen kann, wie Keith Richards in Altamont damit gedroht hatte, die Gitarre auszustöpseln, wenn die Hells Angels nicht auf der Stelle zur Besinnung kämen. Barger drückte Richards darauf eine Pistole zwischen die Rippen und verfügte: "Spiel weiter!".

Kriminelle Vereinigung

Mit solchen beinahe romantisierenden Episoden können Sicherheitsbehörden weltweit schon seit langem nichts mehr anfangen. Europol und das österreichische Bundeskriminalamt stufen die Höllenengel als "kriminelle Vereinigung" ein. Mit Rivalen wie den Bandidos oder den rockerähnlichen Gruppierungen wie Satudarah und United Tribuns kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen.

In Österreich gibt es sechs Charter (Gruppe) und mit den "Red Dogs" auch einen echten Supporterklub. Die Mitglieder sind allerdings in die Jahre gekommen, es gibt Nachwuchssorgen. Ein vor wenigen Wochen in Graz eröffnetes Geschäft mit Fan-Ware soll das ändern.

Der klapprig gewordene Sony Barger hat mittlerweile seine eigene Freiheit gefunden. Er züchtet auf einer Ranch in Arizona Pferde.

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