Tunesien: Eiszeit bei 40°C
Türkisblaue Strände sind es vielleicht, die man mit Tunesien in Verbindung bringt. Oder nach Gewürzen duftende Märkte (Souks). Oder Kamele in der Wüste. Aber Eis und Eishockey? Wohl eher nicht.
Umso ungewöhnlicher sind die Nachrichten rund um das Tunesische Eishockey Nationalteam, das in den nächsten Wochen seinen ersten größeren internationalen Auftritt haben wird. Gegründet wurde das Team vom Franko-Tunesier Ihab Ayed 2007. Davor gab es Eishockey in dem nordafrikanischen Land überhaupt nicht.
"Das war eine Revolution, mein Lebenstraum", schwärmt Ayed, der Präsident des von ihm ins Leben gerufenen Tunesischen Eishockeyverbandes (ATHG) ist. "Es ist eine Ehre für mich, der zu sein, der diesen Sport für Tunesier zugänglich macht."
Der zweite Schritt folgte 2014, als das tunesische Team in Frankreich erstmals ein internationales Spiel bestritt. Das Zusammentreffen mit den "Coqs de Courbevoie" verlor die Tunesische Equipe vor 500 Besuchern zwar knapp mit 5:6, aber ein Traum wurde Wirklichkeit.
Die Pässe fehlen noch
Das Team besteht ausschließlich aus Auslandstunesiern – aus Kanada, Frankreich, Belgien, Deutschland, Schweden und Finnland. Zwar haben alle Spieler zumindest einen tunesischen Elternteil, aber den Reisepass hat noch keiner von ihnen. Das sei aber nur eine Formalität. "Manche kannten ihr Land überhaupt nicht gut, bevor sie angefangen haben, für Tunesien zu spielen", sagt Ayed. Aber jeder sei stolz darauf. "Hier zu spielen hat ihnen geholfen, mehr über ihre Heimat zu erfahren." Ayeds Mutter kochte etwa "Tonnen von Couscous" oder scharfen Meshwiya-Salat für die Spieler.
Flüge selbst bezahlen
Von 23. bis 31. Juli kommt der nächste große Schritt für die Equipe. Das tunesische Eishockey-Nationalteam tritt beim ersten Africa Cup in Rabat und Casablanca gegen Teams aus Algerien und Marokko an.
Das Sportministerium hat Eishockey bislang stiefmütterlich behandelt. Was noch bitter benötigt wird, sind private und öffentliche Investoren. In Zeiten des politischen Umbruchs und der wirtschaftlichen Engpässe in Tunesien ist das alles andere als einfach. "Momentan zahlen die Spieler ihre Flüge noch selbst", sagt Ayed. Durch das Turnier erhoffen sich die Hockey Cracks etwas Aufwind. Denn Eishockey-Plätze gibt es in Tunesien noch keine. Nur zwei kleine Eislaufbahnen in Tunis und Hammamet, die aber mit 250 lange nicht die olympischen Maße (1800) haben.
Eines Tages Olympia
Ein großes Ziel der tunesischen Eishockeymannschaft wäre es, sich eines Tages für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Doch für Ayed ist erst einmal das gute Abschneiden in Marokko die Priorität.
Die Story erinnert jedenfalls an den Film "Cool Runnings", der auf einer wahren Begebenheit beruht: In den 1980er-Jahren gründete ein Amerikaner die erste Jamaikanische Viererbob-Mannschaft. Von vielen Nationen belächelt, schaffte sie es damals, sich für die Olympischen Spiele 1988 in Calgary zu qualifizieren.
Seit wann gibt es das tunesische Eishockey-Nationalteam?
Das gesamte Projekt des tunesischen Eishockey existiert seit 2007. Von da an habe ich die Spieler mit tunesischen Wurzeln gescoutet, die auf der ganzen Welt Hockey spielten. Das erste offizielle Match fand am 14. Juni 2014 in Courbevoire statt. Gegen das Team von Courbevoire, das in der ersten französischen Liga spielt.
Wo trainiert das Team?
Ach! Jeder Spieler spielt in dem Land, in dem er lebt (Frankreich, Deutschland, Belgien, Schweden, Finnland, Kanada). Wir können uns nur zweimal im Jahr treffen, weil es an Mitteln fehlt.
Wieviele Eishallen gibt es denn in Tunesien?
Eigentlich gar keine wirklichen. Es gibt zwei kleinere Eisbahnen für Kinder, aber die Dimensionen erlauben es uns nicht, dort wirklich Eishockey zu trainieren. Allerdings ermöglichen uns diese beiden Bahnen, Kindern zwischen vier und zehn Jahren das Eishockey näherzubringen. Sie befinden sich in Hammamet („Le Blue Ice Hammamet“) und Tunis ("Hotel Penthouse").
Diese Eisflächen messen 250m² während eine Fläche mit olympischen Maßen 1800m² misst.
Macht der Tunesische Eishockeyverband auch Nachwuchsarbeit?
Es gibt immer mehr Tunesier, die mich kontaktieren, weil sie Eishockey kennenlernen wollen. Die Nachfrage besteht, aber die Infrastruktur ist leider ungeeignet. Sie erlaubt es uns nicht, die Entwicklung dieser olympischen Sportart auf würdige Weise in Betracht zu ziehen.
Was sind die Schwierigkeiten dieser Sportart in Tunesien?
Oh, die Schwierigkeiten sind zahllos. Einerseits eben die Infrastruktur. Am dringlichsten ist der Bau einer Eisfläche nach olympischer Norm. Ohne diese kann sich das Eishockey, aber auch andere Eis-Sportarten (Eiskunstlauf, Curling, Eisschnellauf), hier niemals entwickeln.
Andere Schwierigkeiten betreffen aber auch die Mentalität: Der Fußball nimmt einen viel zu wichtigen Platz in der Sportlandschaft ein und lässt kaum Platz für andere Sportarten, die sich entwickeln wollen. Ich spreche von allen anderen Sportarten, nicht nur vom Hockey. Auch in den Medien tun sie sich schwer, sich durchzusetzen.
Aber auch allgemein gibt es mit der Mentalität der Leute was den Wintersport betrifft: In Tunesien glauben die für Sport zuständigen Behörden, dass Wintersport nur in kalten Länder existieren kann. Es ist schwierig, einen Wintersport in einem Land zu etablieren, in dem die Temperaturen bis über 40°C steigen können. Die Investoren und die Sport-Behörden glauben nicht daran und denken, dass es unmöglich sei, Eis in einem heißen Land zu haben.
Glauben Sie, eine Qualifikation für Olympia ist realistisch?
Heute ist unsere erste Prioriät erst einmal beim ersten Afrika Cup eine gute Figur zu machen. Das ist das erste Mal, dass afrikanische Nationen im Eishockey auf dem Afrikanischen Kontinent gegeneinander Hockey spielen. Die Zuschauer und Spieler erwartet ein prächtiges Spektakel.
Unsere nächste Priorität ist es, öffentliche und private Investoren zu finden, um in eine olympische Eishalle zu investieren. Ab da, können wir uns ganz auf die Entwicklung unseres Sports konzentrieren und – ja – vielleicht eines Tages an den Olympischen Winterspielen teilnehmen. Aber leider: Ohne Eishalle ist das alles nicht möglich.
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