Ein Kaffee kostenlos für Bedürftige

Weltweiter Trend und Facebook-Hype: Einen Kaffee spenden, ein gutes Gewissen bekommen. Vor allem Obdachlose sollen einen Kaffee ohne Entgelt konsumieren können.

Ein Vanille-Frappuccino, Espresso oder eine Melange – alles keine Außergewöhnlichkeit auf einer Café-Getränkekarte. Doch ein „suspended coffee“, also ein „ausgesetzter Kaffee“, könnte der neue Renner in Coffeeshops auf der ganzen Welt werden.

Bestellt und bezahlt werden zwei Getränke. Ein Kaffee wird selbst konsumiert, der andere ausgesetzt und jemandem spendiert, der sich selbst keinen leisten könnte. Vor allem Obdachlose sollen über diesen Weg die Möglichkeit bekommen, einen Kaffee ohne Entgelt zu konsumieren. Ein weniger privilegierter Mensch bekommt also die bereits bezahlte Melange - man selbst das Gefühl etwas richtig Gutes gemacht zu haben.

Die Idee stammt ursprünglich aus Italien, genauer gesagt aus Neapel. Dort ist es bereits seit Jahrzehnten üblich, rund um Weihnachten einen "caffè sospeso" an sozial Bedürftige auszugeben.

Starbucks will spenden

Von Neapel aus verbreitete sich diese Tradition bis nach Bulgarien, wo bereits 150 Cafés diesen Modus eingeführt haben. Auch in London scheint der Trend zu fruchten, berichten englische Medien. Der Telegraph forderte nun sogar Starbucks auf, den "suspended coffee" einzuführen. Mit teilweisen Erfolg: Zwar wird der gespendete Kaffee nicht direkt an einen Obdachlosen weitergegeben, doch das Geld soll anschließend an eine Charity-Organisation gehen.

Nach Österreich fand die Idee vor allem über Facebook. Die Legende von der guten Tat im Kaffeehaus wird seit Tagen fleißig geteilt und geliked. Nur tatsächlich eingeführt, hat die soziale Initiative bisher niemand. Die Wiener Kaffeefabrik äußerte sich dazu positiv auf Facebook, betont aber: Wenn Kaffee im Voraus bezahlt wird, hinterlasse das die Bedürftigen immer noch in der Rolle der Bittsteller.

Auch der Telegraph merkt kritisch an, dass eine solche Aktion wohl in einer kleinen Stadt funktioniert, allerdings nicht in einer Millionen-Metropole. Schließlich lasse sich dort kaum kontrollieren, ob die Spende tatsächlich jemandem in Not zugute kommt. Und auch The Independent schreibt: Diese Aktion basiert auf guter Absicht und vor allem Vertrauen - beides lässt sich allerdings nicht garantieren.

Nachtrag vom 9. April: Wie der KURIER erfahren hat, ist es seit kurzem möglich im Wiener Kulturcafé Tachles am Karmeliterplatz einen "Caffè sospeso" zu bestellen. Damit ist das Tachles das erste "sospeso"-Café Wiens.

Seit ein paar Tagen geistert durch Facebook das Foto eines zerfurchten, ärmlich gekleideten alten Mannes, der sich in einem Restaurant über eine Kaffeetasse beugt. Die Geschichte dazu geht so: Jemand besucht mit einem ortsansässigen Freund ein Lokal und stellt fest, dass viele Leute dort für mehr Tassen Kaffee zahlen, als sie trinken: Sie bestellen z. B. drei Kaffee, zwei davon „suspended“.

Auf Nachfrage erklärt der Freund, dass die Leute diesen Kaffee für bedürftige Menschen spendieren; das Lokal hat eine Art Fonds, der von den Gästen, die sich das leisten können, mit konkreten Kaffeespenden für Bedürftige und Wohnungslose immer wieder aufgefüllt wird.

Die Idee ist so simpel und zwingend, dass man sich wundert, wieso Kaffee- und auch Menü-Spenden in Cafés und Restaurants nicht längst selbstverständlich sind. Natürlich, einen einfachen Grund gibt es: Viele Lokale sind nicht gerade erpicht auf diese Sorte Gäste, selbst wenn sie keine Kosten verursachen. Aber sie sind oft kein hübscher Anblick und manchmal duften sie auch nicht gerade wie ein frischer Frühlingsblumenstrauß, und diesen Suppenküchen-Gout trachten Wirte und Wirtinnen in ihr Gaststätten lieber zu vermeiden. Und natürlich ist das System auch missbrauchsanfällig: Denn wer kann schon genau sagen, ob die Person, die gerade einen suspended coffee bestellt hat, ihre Bedürftigkeit nicht nur vorgibt?

Bedenkenswert ist die Idee allemal. Sie kommt der natürlichen Hilfsbereitschaft vieler Menschen entgegen, man kann immer wieder kleine Beiträge gegen das alltäglich Elend leisten, ohne sich wie ein Almosenverteiler fühlen zu müssen.

So ähnlich wie mit jener App, mit der man für ein paar Stunden all das am Smartphone sperren kann, das einem so die Zeit wegfrisst – Spiele, Twitter, Facebook. Die Sperre lässt sich vor der Zeit rückgängig machen, aber nur gegen eine Spende für einen guten Zweck. Der in diesem Fall die Mittel rehabilitiert: okay.

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