Terror in Istanbul: Urlauber meiden die Türkei
Die Serie schwerer Terroranschläge in der Türkei, die zuletzt am Dienstag am Flughafen von Istanbul mehr als 40 Tote forderte, schreckt auch längst die Touristen ab. Als Urlaubsziel ist das Land nun das Sorgenkind Nummer eins der Reiseveranstalter. Auch die Österreicher bleiben der Türkei heuer großteils fern: Bei den Reiseanbietern ist die Nachfrage gegenüber dem Vorjahr massiv eingebrochen.
Bei der TUI, dem hierzulande größten Reiseveranstalter vor der Rewe Austria Touristik (ITS Billa Reisen, Jahn Touristik, etc.) und Thomas Cook, hat sich der Anteil der österreichischen Pauschalreisen in Richtung Türkei im heurigen Sommer gegenüber dem Vorjahr bisher von 35 auf unter 20 Prozent halbiert, wie Unternehmenssprecherin Kathrin Limpel der APA heute, Mittwoch, bestätigte. Dafür verdoppelte sich der Reisestrom nach Spanien in diesem Segment auf einen Anteil von knapp 40 Prozent.
Türkei als Urlaubsziel heuer weit abgeschlagen
Jahrelang war die Türkei bei TUI Österreich noch das Flugziel Nummer eins - heuer liegt das Land weit abgeschlagen hinter Griechenland, Spanien, Italien und Kroatien nur noch an fünfter Stelle. Und das, obwohl der Reiseveranstalter auch mit den Preisen für die Türkei mittlerweile um rund 35 Prozent runtergegangen ist.
"Mehr als die Hälfte des Umsatzes weggefallen"
Auch die 116 Ruefa-Reisebüros des größten heimischen Tourismuskonzerns Verkehrsbüro Group (Austria Trend Hotels, Ruefa, Eurotours, etc.) bekamen die Abkehr der Urlauber von der Türkei heuer bereits deutlich zu spüren: "Hier ist praktisch mehr als die Hälfte des Umsatzes für den Sommer weggefallen", sagte Unternehmenssprecherin Birgit Reitbauer im Gespräch mit der APA. Gegenüber der Vorjahressaison beträgt das Türkei-Minus bei Ruefa derzeit bei gut 55 Prozent.
Gratisstornos
Nach dem verheerenden Terroranschlag auf dem Istanbuler Flughafen Atatürk, der mindestens 41 Todesopfer gefordert hat, bieten nun einige Airlines kurzzeitig Gratisstornos bzw. Umbuchungen an. "Das Angebot der Turkish Airlines und auch der Lufthansa Group inklusive AUA gilt ab heute bis 5. Juli für Flüge von und nach Istanbul", sagte Verkehrsbüro-Group-Sprecherin Birgit Reitbauer.
Der Flughafen in der türkischen Metropole ist der drittgrößte Airport in Europa und eine wichtige Drehscheibe für den internationalen Reiseverkehr. Österreichische Reiseveranstalter wie etwa die TUI oder Reisebüros wie Ruefa bieten derzeit keine Gratisumbuchungen oder -stornos an. "Es gibt keine generelle Reisewarnung des Außenministeriums", erklärte Reitbauer. Die Lage in der Türkei war auch schon vor dem Selbstmordattentat angespannt.
Urlauber, die für diesen Sommer einen Türkei-Aufenthalt geplant haben, sind angesichts der Attentate naturgemäß stark verunsichert. Ein kostenloser Reiserücktritt oder eine Umbuchung ohne Stornogebühr sei nur im Ausnahmefall möglich, betonte auch das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) wenden (www. europakonsument.at). Das EVZ Österreich berate im Auftrag des Sozialministeriums kostenlos bei Fragen zu Buchung, Storno oder Reiserücktritt.
Keine offizielle Reisewarnung
Das österreichische Außenministerium hat zwar noch keine offizielle Reisewarnung für die Türkei ausgegeben, verweist aber auf erhöhtes Sicherheitsrisiko (Warnstufe 5 von 6). Das Ministerium empfiehlt Reisenden daher dringend, "stark frequentierte Plätze wie Einkaufszentren, Konzerte, kulturelle, religiöse und sportliche Großveranstaltungen, religiöse Stätten und touristische Sehenswürdigkeiten sowie Staats- und Regierungsgebäude und militärische Einrichtungen möglichst zu meiden". Aufgrund der angespannten Sicherheitslage sei zudem mit Verkehrsbehinderungen (Sperren von Straßen und Brücken) zu rechnen. Den Urlaubern rät das Ministerium, die Anweisungen der lokalen Sicherheitsbehörden zu befolgen und in Kontakt mit seinem Reiseveranstalter zu bleiben.
"Besondere Vorsicht" bei Öffis geboten
Bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist laut Außenministerium "besondere Vorsicht walten zu lassen". Aufenthalte auf Flughäfen seien so kurz wie möglich zu gestalten - etwa durch vorheriges Online-Check-in, zügiges Durchschreiten der mehrfachen Sicherheitskontrolle und direktem Weg zu den Gates.
Der Flugbetrieb auf dem Airport in Istanbul "findet mit Einschränkungen statt", so das Außenministerium. Nähere Auskünfte seien auf der Homepage des Flughafens und bei der Fluglinie, bei der man gebucht hat, erhältlich. Sicherheitsvorkehrungen auf hohem Niveau signalisieren dem Ministerium zufolge "die angespannte Sicherheitslage im gesamten Land".
"Der Anschlag wird dazu führen, dass es in den nächsten Wochen eine verstärkte Zurückhaltung bei den Buchungen in Richtung Türkei geben wird; wenn es in den Urlaubsregionen am Meer ruhig bleibt, dann wird die Nachfrage auch wieder kommen", hofft TUI-Österreich-Sprecherin Kathrin Limpel auf eine Beruhigung - und ein Anspringen der Last-Minute-Buchungen für das Land. Der gesamte TUI-Konzern, der auch weltweit größte Reiseveranstalter, hat im Vorjahr rund zwei Millionen Urlauber in die Türkei gebracht, heuer sind es voraussichtlich nur halb so viele.
Den Rückgang in der Urlauber-Nachfrage bekam unter anderem auch die Verkehrsbüro Group zu spüren - 2015 gingen die Buchungsumsätze mit der Türkei um 12 Prozent zurück, heuer brachen sie bisher um 55 Prozent ein.
Anschlagsserie in der Türkei
- 28. Juni 2016: Drei Attentäter greifen den Eingangsbereich am internationalen Terminal des Istanbuler Atatürk-Flughafens an. Nach einer Schießerei sprengen sich alle drei in die Luft und töten dabei 41 Menschen. Rund 239 Personen werden verletzt. Die Regierung vermutet den IS hinter der Tat.
- 7. Juni 2016: Die Explosion einer ferngezündeten Autobombe tötet im Zentrum Istanbuls sechs Polizisten und fünf Passanten, 36 Menschen werden verletzt. Die TAK, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, bekennt sich zu der Tat.
- 19. März 2016: Ein Attentäter sprengt sich auf der zentralen Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal in die Luft und reißt vier Menschen mit in den Tod, 39 werden verletzt. Drei der Todesopfer sind Israelis, eines ist aus dem Iran. Laut türkischer Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur sunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
- 13. März 2016: Bei einem Anschlag im Zentrum der Hauptstadt Ankara sterben mindestens 37 Menschen. Mehr als 120 weitere werden verletzt. Eine Selbstmordattentäterin hatte sich mit einem Auto nahe einer belebten Bushaltestelle in die Luft gesprengt. Die aus der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hervorgegangene militante Splittergruppe "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) bekennt sich zu der Tat.
- 17. Februar 2016: Bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi im Regierungsviertel von Ankara sterben 30 Menschen, darunter der Selbstmordattentäter. Später bekennt sich die TAK zu der Tat. Die türkische Regierung macht die PKK und ihren syrischen Ableger YPG für den Anschlag mitverantwortlich.
- 12. Jänner 2016: Bei einem Anschlag im historischen Zentrum Istanbuls werden zwölf deutsche Touristen getötet. Der Angreifer sprengt sich mitten in einer deutschen Reisegruppe in der Umgebung der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in die Luft. Der Attentäter gehörte nach Angaben der türkische Regierung dem IS an.
- 10. August 2015: Bei einem Bombenanschlag und einem anschließenden Angriff auf eine Polizeiwache in Istanbul werden mindestens vier Menschen getötet. Zwei Frauen greifen zudem das US-Konsulat an, eine wird festgenommen. Sie soll Mitglied der linksextremen Terrororganisation DHKP-C sein.
- 20. Juli 2015: Im südtürkischen Grenzort Suruc reißt ein Selbstmordattentäter 33 pro-kurdische Aktivisten mit in den Tod. Die Behörden machen den IS verantwortlich, die sich allerdings nie zu der Tat bekennt.
- 6. Juni 2015: Zwei Tage vor der türkischen Parlamentswahl verüben Unbekannte in der südosttürkischen Kurden-Metropole Diyarbakir einen Sprengstoffanschlag auf eine Veranstaltung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Mindestens vier Menschen sterben.
- 11. Mai 2013: Bei der Explosion zweier Autobomben in der Grenzstadt Reyhanli werden mehr als 50 Menschen getötet. Die Regierung beschuldigt türkische Linksextremisten mit Kontakten zum Regime im benachbarten Syrien.
BRÜSSEL/BELGIEN: Nach den Bombenanschlägen in einer Halle des Brüsseler Flughafens Zaventem im vergangenen März wurden dort die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. So wurden zunächst Passagiere und ihr Gepäck bereits am Eingang zu den Terminals erstmals kontrolliert. Wer die Halle betreten wollte, musste seinen Ausweis und ein Flugticket vorzeigen. Nach Protesten von Reisenden in langen Warteschlangen wurden die Maßnahmen nach wenigen Wochen wieder gelockert.
TÜRKEI/ISTANBUL: Einlasskontrollen sind an jedem türkischen Flughafen Standard. Schon beim Eintritt ins Gebäude wird das Gepäck geröntgt, also Handgepäck und aufzugebende Koffer. Jeder, der in den Flughafen will, muss durch einen Metallscanner. Nach dem Check-In folgt die zweite Sicherheitskontrolle, die nur noch Fluggäste passieren dürfen. Beim Check-In muss ein Ausweis vorgelegt werden. Beim Einstieg ins Flugzeug wird der Name auf dem Ausweis dann mit dem auf dem Boarding-Pass abgeglichen.
RUSSLAND/MOSKAU: Wer einen der drei Moskauer Flughäfen betritt, wird schon am Gebäudeeingang kontrolliert: Reisende wie Besucher müssen Handtaschen öffnen, Hosen- und Jackentaschen leeren und durch einen Metalldetektor gehen. Das Hauptgepäck wird von einem Röntgengerät durchleuchtet. In der Wartehalle und vor den Schaltern patrouillieren Wachleute. Nach dem Check-In folgt die eigentliche Flugsicherheitskontrolle.
AFGHANISTAN/KABUL: Am größten Flughafen des Landes in der Hauptstadt Kabul müssen Reisende vor der Ankunft im Terminal durch zwei Autokontrollen samt Sprengstoffspürhunden, drei Ticketkontrollen und fünf Körperkontrollen. Drei oder vier Mal - je nachdem, ob die Geräte gerade funktionieren -, muss das Gepäck zum Durchleuchten auf Bänder gewuchtet werden. Kontrollen beginnen schon bei der Einfahrt auf das Flughafengelände, etwa einen Kilometer vor dem Terminal. Das Personal, das Menschen auf Sprengstoffwesten oder Waffen abtastet, ist aber oft lustlos oder lässt dies ganz sein. Ausländer werden nach Trinkgeld gefragt.
ISRAEL/TEL AVIV: Israels internationaler Flughafen Ben Gurion wird besonders streng geschützt, da das Land seit Jahrzehnten mit einer Terrorbedrohung lebt. Dabei wird ein Ring von Kontrollen eingesetzt, der einer Zwiebel gleicht. Passagiere werden bei der Ankunft im Auto schon Kilometer vor dem Terminal von bewaffneten Sicherheitskräften überprüft. Nach Passieren eines weiteren Wächters am Eingang folgen im kameraüberwachten Terminal selbst eine persönliche Befragung und eine gründliche Untersuchung des Gepäcks mit Durchleuchtungssystemen. Dabei werden Reisende in verschiedene Risikogruppen eingestuft. Bei den Kontrollen geht Sicherheit eindeutig vor Persönlichkeitsrechten - was immer wieder zu Beschwerden vor allem arabischer Reisender führt.
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