Hobbygärtner als Polit-Zielgruppe

Künftige Bürgermeisterin Madrids: Manuela Carmena, 71, mit ihrer Enkelin
Manuela Carmena (71) wählt Gemüsebeete als Symbol für die Wende in Madrid.

Die Hobbygärtner im Bezirk Lavapiés feiern. Die von ihnen konspirativ und ohne öffentliche Hilfe angelegten Gemüsebeete sind fixer Bestandteil der "neuen" Kommunalpolitik. Sollte Manuela Carmena, die Kandidatin der zweitstärksten Liste, mit Hilfe von sozialistischen Gemeinderäten den Bürgermeistersessel einnehmen, wird das Öko-Gemüse in kollektiven Gärten bald schon in allen Stadtteilen sprießen. "Bedürftige Familien werden damit ihren Grundbedarf abdecken können", rechtfertigt Carmena das Wahlversprechen.

Trotz ihrer 71 Jahre denkt die ehemalige Arbeiteranwältin nicht an Ruhestand. Sie setzte sich immer schon für die Schwachen und Benachteiligten ein. "Das ist ihr Lebensmotto", sagt eine Mitarbeiterin, "und dafür riskierte sie auch ihr Leben." 1977 wäre Carmena bei einem Anschlag von Faschisten auf ihr Anwaltsbüro fast ums Leben gekommen – fünf Genossen starben im Kugelhagel.

Bürgermeisterin mit halbem Gehalt

Die Ex-Richterin fühlt sich in der neuen Rolle wohl. Sie ist ständig in Bewegung, küsst hier und dort Passanten und gibt Interviews: Als eine der ersten Maßnahmen im neuen Amt "werde ich mein Gehalt halbieren".

Carmena war Spitzenkandidatin der Liste "Jetzt Madrid", einem Zusammenschluss von Bürgergruppen unter der Federführung der Protestpartei Podemos. Die erst zu Beginn des Vorjahres gegründete Partei errang bei der Gemeindewahl am vergangenen Sonntag einen Erfolg: Dank lokaler Bündnisse mit Bürgerlisten gelang es Podemos-Chef Pablo Iglesias, die traditionellen Parteien auszustechen – vor allem in den Großstädten.

So errang die in der Hausbesetzerszene aktive Ada Colau in Barcelona die meisten Stimmen und in Madrid belegte Pensionistin Manuela Carmena den zweiten Platz, nur knapp hinter der adeligen Kandidatin der Volkspartei. Ein Pakt soll sie jetzt zur Bürgermeisterin machen.

Der Obmann der Sozialisten (PSOE) hatte die Neopartei nach Syriza-Vorbild als "demokratiepolitisch bedenklich" bezeichnet. Drei Tage nach der Wahl musste Pedro Sanchez zum Telefon greifen – und dem 36-jährigen Podemos-Chef Zusammenarbeit anbieten. Ein zufriedener Pablo Iglesias nach dem Gespräch: "Das Eis ist gebrochen."

Riskantes Bündnis für Sozialisten

Es ist ein riskantes Manöver. "Sie haben nur eines gemeinsam", analysiert Autor Raul del Pozo, "das Ziel, die Volkspartei von der Macht zu verdrängen." Das Risiko dabei: "Podemos könnte die Sozialisten bei den Parlamentswahlen Ende des Jahres überflüssig machen."

Ein Bündnis würde den Linksruck in Spanien untermauern. Noch haben die Konservativen die meisten Stimmen im Land. Aber konservative Hochburgen, wie Madrid und Valencia, könnten bald von den Linken regiert werden. "Das ist die Rechnung für Jahre der Korruption", urteilt die Ex-Richterin. "Trotz einer Angstkampagne der Konservativen, die das Gespenst der Volksfront an die Wand malten." Kopfzerbrechen bereiten Carmenas Reformvorhaben Unternehmern und Investoren: Die Zahl der Beamten will sie aufstocken und deren Gehälter hinaufsetzen. Von der Vorgängerin privatisierte Dienste, wie Müllabfuhr und Straßenreinigung, sollen wieder öffentlich verwaltet werden. Auch Bauprojekte, die ausländische Investoren anlockten, werden "strengstens geprüft".

Hobbygärtner Alberto ist vom neuen Wind begeistert. Im Multikultibezirk Lavapiés baut er mit Gleichgesinnten zwischen Häuserfassaden Salat und Paradeiser an. "Carmena schätzt unsere Arbeit", freut sich Alberto über die späte Anerkennung. Sobald sie Bürgermeisterin ist, will sie Gemeinde-Grundstücke bereitstellen: Die kollektiven Gemüsebeete sollen zum Symbol für die Wende in Madrid werden.

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