Ecuador: Weit höhere Opferzahl befürchtet

Suche nach Vermissten in Manta
272 Tote konnten bisher geborgen werden. Die Suche geht weiter, auch nach ausgebrochenen Häftlingen.

Nach dem verheerenden Erdbeben in Ecuador haben Rettungskräfte bereits 272 Tote geborgen. Mindestens 2.068 Menschen seien verletzt worden, teilte Präsident Rafael Correa am späten Sonntagabend (Ortszeit) nach einem Besuch im Katastrophengebiet im Westen des Landes mit. Es sei aber mit weiteren Opfern zu rechnen: "Ich fürchte, die Zahl wird noch steigen, weil wir weiterhin Trümmer beseitigen."

Vizepräsident Jorge Glas hatte zuvor von 2.527 Verletzten gesprochen. Hunderte Menschen gelten noch als vermisst. Nach den Worten des Präsidenten handelt es sich um die schlimmste Katastrophe in Ecuador in 67 Jahren.

Der Katastrophenschutz teilte mit, nach bisherigen Erkenntnissen seien rund 370 Gebäude zerstört worden. "Dies sind äußerst schwierige Zeiten für unser Vaterland", ergänzte Correa. Der Staatschef besuchte die Städte Manta und Portoviejo in der besonders stark getroffenen Provinz Manabi an der Pazifikküste. Correa war kurz zuvor von einer Vatikan-Visite zurückgekehrt.

Epizentrum

Das Beben der Stärke 7,8 hatte das südamerikanische Land am Samstagabend erschüttert. Das Epizentrum lag demnach in der westlichen Provinz Esmeraldas, zunächst war von einem Ort vor der Küste die Rede gewesen. Das Epizentrum lag in der Provinz Esmeraldas. Nach Angaben der Katastrophenschutzes gab es seit Samstag mehr als 150 Nachbeben. Rund 10.000 Soldaten und 4.000 Polizisten sind den Angaben zufolge bei Rettungsarbeiten im Einsatz.

Ecuador: Weit höhere Opferzahl befürchtet
This picture shows people gathering outside a collapsed home after an earthquake in the city of Guayaquil on April 17, 2016. At least 77 people were killed when a powerful 7.8-magnitude earthquake struck Ecuador, destroying buildings and a bridge and sending terrified residents dashing from their homes, authorities in the Latin American country said on April 17. / AFP PHOTO / MARCOS PIN MENDEZ
Vorausgegangen sei ein schwächeres Beben der Stärke 5,0, später habe es mehrere Nachbeben gegeben. Das Pazifik-Zentrum für Tsunamiwarnungen gab eine Warnung für Ecuador aus, die mittlerweile wieder aufgehoben wurde.

Gefängnisausbruch dank Erdbeben

Im schwer getroffenen Portoviejo nutzten mehr als 100 Häftlinge die unübersichtliche Lage, um aus dem beschädigten örtlichen Gefängnis auszubrechen, wie Justizministerin Ledy Zuniga im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb. Etwa 30 seien danach wieder gefasst worden, andere seien freiwillig zurückgekehrt. Tausende Sicherheitskräfte waren in den Stunden nach dem Unglück in das Katastrophengebiet entsendet worden, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

"Schlimmstes Erdbeben seit Jahrzehnten"

Ecuador: Weit höhere Opferzahl befürchtet
TOPSHOT - Rescue workers stand before a destroyed car after the collapse of a bridge in an earthquake, April 16, 2016 in Guayaquil, Ecuador. At least 28 people were killed by a strong 7.8-magnitude earthquake that struck northwestern Ecuador, the country's Vice President Jorge Glas said. A tate of emergency had been declared nationwide. / AFP PHOTO / MARCOS PIN MENDEZ
Vizepräsident Jorge Glas sprach in einer Fernsehansprache vom schlimmsten Erdbeben "seit Jahrzehnten". Im ganzen Land wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, in sechs Regionen sogar der Notstand. Am Montag sollten nach Medienberichten die Schulen in vielen Provinzen geschlossen bleiben. Das Beben war auch in der Hauptstadt Quito im Landesinneren zu spüren.

Aus vielen Regionen gab es Bilder von schweren Verwüstungen. Einem Bericht der Zeitung El Comercio zufolge war der Ort Pedernales in Manabi weitgehend zerstört. Viele Menschen suchten nach verschwundenen Angehörigen unter den Trümmern, hieß es. Länder aus der Region wie Mexiko, Kolumbien und Venezuela schickten Helfer in das Katastrophengebiet.

Ecuador: Weit höhere Opferzahl befürchtet
People walk near a damaged house after an earthquake struck off the Pacific coast in Manta, Ecuador, April 16, 2016. REUTERS/Paul Ochoa EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVE
Besonders stark betroffen war die zweitgrößte Stadt des Landes, Guayaquil, aus der in Sozialen Netzwerken zahlreiche Schäden gemeldet wurden. Fotos zeigten ein unter einer einstürzenden Brücke eingeklemmtes Auto. Laut einem Bericht der TageszeitungEl Telegrafo starb dabei einer der Insassen. Der Flughafen der Küstenstadt wurde laut Medienberichten geschlossen.
"Es war, als ginge die Welt unter. Häuser krachten zusammen, Lichter gingen aus, die Menschen sind völlig verzweifelt, unter den Trümmern liegen Verschüttete", berichtete die 40-jährige Hausfrau Miriam Santana der NachrichtenagenturAFP aus Manta.
Ecuador: Weit höhere Opferzahl befürchtet
Karte mit Lokalisierung GRAFIK 0437-16, 88 x 55 mm
Die 60-jährige Maria Torres erlebte das Beben in Quito, wo Lichtmasten und Kabel hin- und herschwankten. "Mein Gott! Das war das schlimmste Erdbeben in meinem ganzen Leben. Es dauerte eine ganze Weile. Mir war schwindlig, ich wollte auf die Straße rennen, aber ich konnte nicht - zu sehr drehte sich mir der Kopf", sagte sie.
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People take pictures of a collapsed bridge in Guayaquil, Ecuador, after a powerful earthquake hit the country on April 16, 2016. At least 28 people were killed when a powerful 7.8-magnitude earthquake struck Ecuador on Saturday, knocking down buildings in the country's largest city Guayaquil and cutting power in the capital Quito. The quake also rattled northern Peru and southern Colombia, according to authorities in those countries, although no casualties were reported. / AFP PHOTO / JOSE SANCHEZ LINDAO
Auch viele andere Städte meldeten Schäden. In Teilen der Hauptstadt Quito fiel der Strom aus, wie die TageszeitungEl Comercioberichtete. Mehrere Transformatoren seien explodiert. Bürgermeister Maurico Rodas berichtete auf Twitter zudem von mehreren eingestürzten Häusern. Anrainer rannten in Panik auf die Straßen. In Esmeraldas stürzten lautEl Telegrafo71 Häuser zusammen. 32 Menschen wurden verletzt.
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Rescue workers work to pull out survivors trapped in a collapsed building after a huge earthquake struck, in the city of Manta early on April 17, 2016. At least 41 people were killed when a powerful 7.8-magnitude earthquake struck Ecuador, destroying buildings and sending terrified residents dashing from their homes, authorities said late on April 16. / AFP PHOTO / API AND AFP PHOTO / Ariel Ochoa

Staatschef kehrt aus Vatikan zurück

Der zum Zeitpunkt des Bebens im Vatikan weilende Staatschef Rafael Correa erklärte den Familien der Opfer sein Mitgefühl. Er rief seine Landsleute auf, angesichts der "nationalen Tragödie" Ruhe zu bewahren und "einiger denn je" zu sein. Der Präsident, in dessen Abwesenheit sein Stellvertreter Glas die Amtsgeschäfte führte, wollte noch am Sonntag nach Ecuador zurückkehren und die betroffenen Gebiete besuchen.

In einem Telefonat mit Radio Publica sagte Correa, Hilfsteams aus Mexiko und Kolumbien würden in Ecuador bei der Suche nach Verschütteten helfen. Die Erdstöße waren auch im Norden Perus und im Süden Kolumbiens zu spüren. Aus den beiden Nachbarländern Ecuadors lagen zunächst keine Berichte über Todesopfer vor. Eine Tsunami-Warnung wurde nach kurzer Zeit wieder aufgehoben

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Firemen wait outside the Colombia Clinic in Cali, Colombia, on April 16, 2016 asfter patients and relatives were preventively evacuated following a powerful earthquake that hit Ecuador mostly, and caused damage to some structures of the facility and a water leak. At least 28 people were killed when a powerful 7.8-magnitude earthquake struck Ecuador on Saturday, knocking down buildings in the country's largest city Guayaquil and cutting power in the capital Quito. The quake also rattled northern Peru and parts of Colombia. / AFP PHOTO / LUIS ROBAYO

Ecuador liegt in Erdbebenzone

Ecuador gilt als besonders anfällig für Naturkatastrophen. Das Land mit seinen rund 16 Millionen Einwohnern liegt geografisch am sogenannten Pazifischen Feuerring, einem Gürtel Hunderter aktiver Vulkane. Er ist etwa 40.000 Kilometer lang und wie ein Hufeisen geformt. Dort treffen verschiedene Platten der Erdkruste aufeinander. Es kommt zu tektonischen Verschiebungen und Verwerfungen, die Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunamis zur Folge haben. Das Halbrund aus "Feuerbergen" reicht von den Küsten Süd- und Nordamerikas bis zu einer Reihe von Inselketten im asiatisch-pazifischen Raum.

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epa05262827 A handout shakemap released by the US Geological Survey (USGS) shows the location of a 7.8 magnitude earthquake near Esmeraldas, some 28km South-southeast of Muisne, near the coast of Ecuador, 16 April 2016. The USGS revised the magnitude of the earthquake from the initial 7.4 into a 7.8 one. According to initial reports a tsunami alert has been issued for coastal areas of Ecuador and Colombia. There are no immediate reports of casualties, but in the port city of Guayaquil at least one house and an overpass collapsed, media reported. EPA/USGS HANDOUT EDITORIAL USE ONLY

Nach heftigen Unwettern und damit einhergehender starker Verschmutzung zweier Flüsse sind mehr als vier Millionen Einwohner der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile am Wochenende von der üblichen Versorgung mit Leitungswasser abgeschnitten gewesen. In den Supermärkten stürzten sich tausende Menschen auf die knappen Vorräte an Wasserflaschen.

Die Behörden ordneten Notfallmaßnahmen an, darunter die Einrichtung von Stationen zur Wasserversorgung. Das Versorgungsunternehmen Aguas Andinas teilte mit, wegen der "extremen Eintrübung" der Flüsse könne die übliche Zuleitung von Trinkwasser nicht mehr gewährleistet werden. Es wurde davon ausgegangen, dass die Unterbrechungen mindestens 24 Stunden dauern würden.

Die noch immer anhaltenden Unwetter hatten mehrere Erdrutsche ausgelöst. Die Flüsse Maipo und Mapocho wurden dadurch so stark verschmutzt, dass das Wasser nicht mehr für die Trinkwasserversorgung genutzt werden konnte. "Wir haben nun mehr als vier Millionen Betroffene", sagte der Gouverneur von Santiago, Claudio Orrego.

In der chilenischen Hauptstadt trat ein Notfallplan in Kraft. 45 Sicherheitsreservoirs mit Trinkwasser wurden angezapft, zudem wurden 60 Tanklaster in Bewegung gesetzt, um die Bevölkerung in den betroffenen Stadtteilen mit sauberem Wasser zu versorgen. Ferner sorgten die Behörden dafür, dass über das gesamte Stadtgebiet verteilt 64 Ausgabestellen mit Trinkwasser eingerichtet wurden.

"Sie haben uns erst im letzten Moment vorgewarnt", sagte Patricia Varas, eine Einwohnerin von Santiago. "Niemand war vorbereitet", stimmte Marcela Briceno ein. "Also wurden die Supermärkte gestürmt." Vielerorts waren die Vorräte nach kürzester Zeit erschöpft. Die Behörden lösten die höchste Alarmstufe aus, um bei Notfällen umgehend eingreifen zu können.

Aus der Hauptstadtregion wurden keine Unwetteropfer bekannt. In der Region von O'Higgins, 90 Kilometer südlich, wurden rund hundert Gebäude beschädigt, als der Fluss Tinguiririca über die Ufer trat. Ein Mensch wurde als vermisst gemeldet.

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