Putins neuer Weltraumbahnhof

Vor dem auf Donnerstag verschobenen Bilderbuchstart wurden noch 20 Mängel festgestellt
Wostotschny wird Baikonur in Kasachstan ablösen. Putin schimpfte über "Schlamperei".

Von Lagerfeuer-Romantik war die nicht geplante Übernachtung von Wladimir Putin im fernöstlichen Wostotschny weit entfernt. Genau eine Stunde vor dem für Mittwoch angesetzten ersten Start einer Sojus-Rakete, die drei Forschungs-Satelliten von Russlands neuem zivilen Weltraumbahnhof ins All hieven sollte, war der Kremlchef eingeschwebt, um dem Countdown persönlich beizuwohnen. Doch der wurde abgeblasen. Zwei Minuten, bevor die Rakete laut Plan abheben sollte, meldete die Automatik Fehler im Steuerungssystem.

Der zweite Versuch Donnerstag in der Früh klappte, war jedoch eine Zitterpartie. Bei den Startvorbereitungen seien über 20 Mängel festgestellt worden, sagte sichtbar zerknirscht der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Igor Komarow. Doch nicht einmal, als das Kontrollzentrum kurz nach dem Start meldete, die Satelliten hätten bereits per Funksignal Kontakt zur Erde aufgenommen, entspannten sich die Gesichtszüge des Beamten. Putin, so Medien, die mit eigenen Korrespondenten vor Ort waren, habe das improvisierte Biwak zu einer Gardinenpredigt für Komarow und dessen Stab genutzt. Dabei seien Worte wie "Schlamperei" und "Mangel an Kontrolle" gefallen. Auch sei der nächste Start auf 2017 verschoben worden. Dann sollte eigentlich bereits der reguläre Betrieb anlaufen. Soll. Noch liegen Welten zwischen Computer-Simulation und Realität.

Der neue Weltraumbahnhof Wostotschny hat gigantische Ausmaße: Auf 700 Quadratkilometern liegen 450 Objekte, alles was für Raketen gebraucht wird, dazu gibt es Wohnsiedlungen für das Personal, die 32.000 Menschen Platz bieten, verbunden durch 100 Kilometer Straßen und einen Zubringer zur Transsibirischen Eisenbahn. Das Prestigeprojekt soll Russland unabhängig machen. Denn für den Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan sind jährlich 115 Millionen US-Dollar Pacht fällig. Zwar laufen die Verträge bis 2050 mit Verlängerungsoption, doch trotz aller Freundschaft mit dem Steppenstaat wollen Kreml und Regierung Erpressungsversuche nicht völlig ausschließen. Schon die Ukraine hatte – selbst als das Verhältnis zu Moskau noch normal war – für die Nutzung der Marinebasis Sewastopol auf der Krim, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, neben der eigentlichen Pacht Sonderkonditionen für russische Gaslieferungen verlangt.

Unabhängigkeit hat ihren Preis, der Staatsgeheimnis ist. Die Moskauer Wirtschaftszeitung rbk hat die Bilanzen von Roskosmos durchforstet und kam beim Posten Wostotschny allein für den Zeitraum 2016 bis 2025 auf gigantische 1,4 Billionen Rubel: zirka 186 Milliarden Euro.

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