"Wir waren Papst"

Pope Benedict XVI leaves at the end of his weekly general audience in St. Peter's Square at the Vatican in this May 19, 2010 file photo. Pope Benedict said on February 11, 2013 he will resign on Feb 28 because he no longer has the strength to fulfill the duties of his office, becoming the first pontiff since the Middle Ages to take such a step. REUTERS/Alessandro Bianchi/Files (VATICAN - Tags: RELIGION) ATTENTION EDITORS - PICTURE 9 OF 14 TO MATCH ANNOUNCEMENT OF POPE BENEDICT XVI'S RESIGNATION
Der Rücktritt des Kirchenoberhaupts löste Bestürzung, Respekt und scherzhafte Reaktionen aus.

Die Medien kannten am Montag nur ein Thema - den Rücktritt des Pontifex.

Am 28. Februar um 20:00 wird Papst Benedikt XVI. sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zurücklegen. Das fortgeschrittene Alter dürfte bei der Entscheidung mitgespielt haben: Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. ist 85 Jahre alt. Der als erzkonservativ geltende Papst wurde 2005 als erster Deutscher seit fast 500 Jahren zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt. In die Geschichte eingehen wird er wohl als zweiter Papst, der freiwillig sein Amt verlässt.

Seine Rücktrittserklärung löste einen regelrechten Sturm aus: Mehr als 3.000 Nachrichten mit dem Begriff "Papst" liefen innerhalb der ersten Stunde über das Netzwerk Twitter, das englische Wort "Pope" kam auf über 53.000 Erwähnungen.

Benedikt XVI., der seit kurzem selbst twittert, machte im Vorfeld keine Andeutungen. Oder vielleicht lässt sein letzter Tweet Raum für Spekulationen?

Respekt für Entscheidung

In Österreich bewunderte so mancher Beobachter die deutsche Rücktrittskultur. Nach Annette Schavan ist Benedikt XVI. der zweite Deutsche innerhalb einer Woche, der sein Amt zurücklegt.

„Ich liebe dieses Land, das mir seit meiner Kindheit nahe ist.“ – Das schrieb Benedikt XVI. im Jahr 2007 vor seinem einzigen offiziellen Österreich-Besuch als Papst. Die Visite im September 2007 – unter anderem in Mariazell und Wien – war der Höhepunkt der innigen Beziehung des Papstes zu Österreich. Begonnen hat alles in den 1930er-Jahren mit sonntäglichen Wanderungen der Familie Ratzinger über die Salzachbrücke von Bayern nach Österreich. Später folgten viele private Aufenthalte im Land. Auch das Verhältnis zur österreichischen Kirche war stets eng, wenn auch nicht immer friktionsfrei. So sorgte die Pfarrer-Initiative rund um Helmut Schüller für Irritation beim Papst. Im Vorjahr, zu Ostern, kritisierte Benedikt XVI. offen den „Aufruf zum Ungehorsam“. Ein Gespräch mit den Kirchenrebellen kam aber nie zustande.

Sehr eng war dagegen stets das Verhältnis zu Kardinal Christoph Schönborn. Entsprechend emotional war die Reaktion des Wiener Erzbischofs auf den Papst-Rücktritt. Das sei ein „welthistorisches Ereignis. Ich schwanke zwischen Bewunderung vor seinem Mut und Bedauern, weil ich immer unglaublich gerne mit ihm zusammengearbeitet habe“, sagte Schönborn, der den Papst seit 41 Jahren kennt. Erst am vergangenen Donnerstag traf er Benedikt XVI. zu einem kurzen Gespräch in Rom.

Auf die Frage, ob er selbst ein möglicher Nachfolger sei, antwortete Schönborn so: „Alle, die ins Konklave gehen, können auch gewählt werden. Aber das ist jetzt kein Thema.“ (siehe Video unten)

In Österreich stehen drei Bischofsernennungen an – in Salzburg, Graz, Feldkirch. Schönborn erwartet, dass die neuen Bischöfe erst vom neuen Papst ernannt werden.

Einer der scheidenden Bischöfe, der Grazer Oberhirte Egon Kapellari, zeigte sich vom Rücktritt völlig überrascht. Er bezeichnete Benedikt als „einen der bedeutendsten Theologen und geistlichen Lehrer der Weltkirche in den vergangenen 60 Jahren“. Auch der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser wartet seit Monaten auf die Annahme seines Rücktrittsgesuches. Für ihn ist der Rücktritt des Papstes ein „mutiger Schritt“. Feldkirch wartet bereits seit über einem Jahr auf einen neuen Bischof. Diözesanadministrator Benno Elbs betonte, der Papst handle mit „großem Verantwortungsbewusstsein“. Der Linzer Bischof Ludwig Schwarz meinte, die Missbrauchsfälle hätten sich bedrückend auf den Papst ausgewirkt. Für den Kärntner Bischof Alois Schwarz ist der Papst-Rücktritt ein „Zeichen der Größe“. „Diese Konsequenz passt zum Papst“, erklärte auch der St. Pöltner Bischof Klaus Küng.

Der evangelische Bischof Michael Bünker sagte, das Papstamt habe durch den Rücktritt ein „menschlicheres Gesicht“ bekommen. Die großen Hoffnungen für die Ökumene habe Benedikt aber nicht erfüllt.

Helmut Schüller bewertet das Pontifikat Benedikt XVI. durchwegs negativ. In dieser Zeit sei für die Kirchenreform nichts geschehen. Der Nachfolger müsse sich jedenfalls mit der modernen Zeit auseinandersetzen. Er glaubt nicht, dass der Papst tatsächlich nur aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist. Er hält etwa einen „Putsch“ im Vatikan für denkbar.

Für Bundespräsident Heinz Fischer ist die Rücktrittserklärung des Papstes „ein großes menschliches Zeichen von Verantwortungsbewusstsein. Ich glaube, dass damit auch Maßstäbe gesetzt wurden, dass auch jemand in allerhöchsten Funktionen, die nicht zeitlich begrenzt sind, sein Amt niederlegen kann, wenn die Last zu groß wird“, so Fischer.

Außenminister Michael Spindelegger betonte, der Rücktritt des Papste tue ihm „sehr leid“. Er habe Benedikt XVI. im Vatikan besucht und ihn persönlich kennengelernt. „Benedikt XVI. ist ein intellektueller Kirchenfürst. Er hat sein Amt mit großer Verantwortung verbunden. So ist auch sein Rücktritt erklärbar.“

Auf die Frage, ob er sich Schönborn als Papst vorstellen könne, gab es von Spindelegger ein klares Ja.

Rar sind sie geworden, die ausgefallenen Schlagzeilen. In Zeiten der Google-Optimierung beschränkten sich die Internetmedien angesichts der Rücktrittserklärung von Benedikt XVI. am Montag auf funktionelle Titel wie Papst Benedikt XVI. tritt zurück oder Papst Benedikt gibt Pontifikat ab.

Vielleicht war es aber einfach nur dem Schock zu verdanken, dass etwa eine Stunde nach der Bekanntgabe des Rücktritts die Redaktionen weltweit nicht vor Kreativität sprühten. Selbst Bild.de, das mit dem Titel Wir sind Papst Medien-Geschichte geschrieben hat, ließ nun ein mattes Unser deutscher Papst Benedikt tritt zurück folgen.

Am weitesten vom Mainstream entfernt, war in Österreich noch Profil.at mit Müder Mann im Vatikan: Die Erschöpfungsgeschichte, sowie in Deutschland der Kölner Stadt-Anzeiger mit Ein honoriger Schritt.

Inquirer News verwies auf den kuriosen Umstand, dass ausgerechnet ein als Traditionalist gehandelter Papst einen so ungewöhnlichen Schritt setzte: The die hard traditionalist who resigned his post.

Das deutsche Satire-Magazin Titanic, das mit Vatikan und Benedikt-Anhängern im Dauer-Clinch liegt, zeigte sich freilich wenig beeindruckt von der Schockwelle und lieferte als erstes Medium eine profunde Erklärung für das Ende von Ratzingers Karriere: Aus Bibel abgeschrieben! Ratzinger verliert Papst-Titel. Man bedaure nach der jahrelangen Zusammenarbeit den Rücktritt, hoffe aber, Ratzinger für eine monatliche Kolumne gewinnen zu können.

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