Papst Franziskus: "Ein ganz normaler Mensch"

In einem Interview gibt er auch ein paar private Details bekannt

Nach einem Jahr im Amt steht Papst Franziskus nun Rede und Antwort – auch Privates kommt dabei nicht zu kurz. Von den Bilanzen, die zahlreich über das erste Jahr von Papst Franziskus gezogen werden, hält der Argentinier selbst nicht viel. In einem Interview mit der Zeitung Corriere della Sera stellt der Pontifex, der am 13. März sein einjähriges Amtsjubiläum feiert, klar: "Ich ziehe alle zwei Wochen gegenüber meinem Beichtvater Bilanz."

Heiße Themen wie Missbrauchsskandale werden ebenso angesprochen wie private Themen nach seiner ersten Verliebtheit, Lieblingsfilmen und seinem (nicht vorhandenem) Heimweh nach Argentinien.

Die Liebe kam bei Franziskus in jungen Jahren nicht zu kurz, wie er gesteht: "Im Seminar hat mir ein Mädchen eine Woche lang den Kopf verdreht." Wie die Geschichte endete? "Das waren Jugendangelegenheiten. Ich habe darüber mit meinem Beichtvater gesprochen", erklärt er gelassen. "Im Buch ‚Der Jesuit‘ erzähle ich, dass ich mit 17 Jahren eine Freundin hatte. Davon spreche ich auch ‚Il Cielo e la Terra‘ (Der Himmel und die Erde, Anm.), das Buch, das ich mit (dem argentinischen Rabbiner) Abraham Skorka geschrieben habe", so Franziskus. Auch ein Kinobesuch ist schon länger her: "Den letzten Film, den ich gesehen habe war ‚La vita è bella‘ von Roberto Benigni. Davor hatte ich ‚La Strada‘ von Federico Fellini wiedergesehen. Ein Meisterwerk."

Jorge Mario Bergoglio wehrt sich gegen das "Superman"-Image: "Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch, der lacht, weint, seinen Schlaf braucht, Freunde hat, eine ganz normale Person eben." Er geht dabei auf das Gerücht ein, dass er in der Nacht Obdachlose persönlich versorgen würde. "Sigmund Freud sagte, wenn ich mich nicht täusche, dass hinter jeder Idealisierung eine Aggression steckt", fügt der 76-jährige hinzu.

Für Aufsehen sorgt Franziskus mit seinen Telefonaten mit Gläubigen in aller Welt, die er regelmäßig tätigt. Besonders berührt habe ihn die Geschichte einer 80-jährigen verwitweten Frau, die kürzlich ihren Sohn verloren hat. Die Pensionistin erhält nun – nachdem sie ihm einen bewegenden Brief geschrieben hat – monatlich einen Anruf vom Papst persönlich.

Kranke Schwester

In engem telefonischem Kontakt steht Franziskus auch mit seiner kranken Schwester in Buenos Aires. "Ich würde sie gern besuchen, sie ist die letzte von uns fünf Geschwistern. Doch das rechtfertigt keine Reise nach Argentinien. Ich glaube nicht, dass ich vor 2016 nach Lateinamerika reisen werde, weil ich bereits in Rio war. Ich muss jetzt ins Heilige Land, nach Asien und nach Afrika fahren", erklärt der Papst.

Auch "heiße Eisen" wie Missbrauchsskandale kommen zur Sprache. "Missbrauchsfälle sind fürchterlich, weil sie tiefste Wunden hinterlassen. Benedikt XVI. war sehr mutig und hat einen Weg geöffnet. Die Statistiken zu Gewalt gegen Kinder bezeugen, dass sich die Mehrheit der Missbrauchsfälle im Familien- oder Nachbarkreis ereignet. Die katholische Kirche ist vielleicht die einzige öffentliche Institution, die sich mit Transparenz und Verantwortungsbewusstsein bewegt hat. Doch die Kirche ist die einzige, die attackiert wird", so Franziskus.

Im Bereich der Familie, vor allem im Umgang mit Geschiedenen, warten viele auf Reformen. "Die Familie macht eine Krise durch. Junge Leute heiraten kaum. Es gibt viele Scheidungen. Die Kinder leiden sehr."

Der Papst ist sich seiner Verantwortung bewusst: "Wir müssen eine Antwort geben. Aber darüber müssen wir grundlegend nachdenken und vermeiden, an der Oberfläche zu bleiben."

Am Mittwoch erschien unterdessen das weltweit erste Magazin, das sich der Persönlichkeit des Papstes widmet. Der italienische Verlag Mondadori, der im Besitz von Silvio Berlusconi ist, bringt das wöchentlich erscheinende Magazin heraus.

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