Lob für den Helden der Feuerfähre
Das Feuer überraschte die meisten Passagiere im Schlaf. "Ich habe es vom Fenster meiner Kabine aus gesehen und die anderen Leute aufgeweckt. Ich habe geschrien: Aufstehen, es brennt! Aber die Menschen haben zuerst gedacht, ich mache einen Scherz", erzählt der Zillertaler Mehmet Ali Güyen am Telefon. Die Nacht auf Dienstag haben er und ein weiterer Tiroler in einem Krankenhaus im griechischen Igoumenitsa verbracht, nachdem eine Fähre der Minoan Line sie und über 60 weitere Überlebende an Land gebracht hatte. Der Schock sitzt tief: "Ich habe gedacht, ich verbrenne. Alle haben geschrien und sind ganz oben auf das Deck. Da war fast kein Platz", erzählt Güyen.
Bestechung?
Überlebende erzählen von unbeschreiblichen Szenen, die sich in der Panik auf der "Norman Atlantic" abgespielt haben, nachdem in der Nacht auf Sonntag gegen 3 Uhr nahe der Insel Korfu Feuer auf der Autofähre ausgebrochen war (mehr dazu lesen Sie hier). "Meine Mutter hat gesagt, dass die Leute sehr brutal miteinander umgegangen sind. Es soll sogar Bestechungen gegeben haben, damit einige als erste gerettet werden", sagte Mustafa Hazir, der aus Dornbirn nach Brindisi geflogen ist und seine Mutter gestern aus einem nahen Krankenhaus abholte.
Sie und ihr Sohn trafen an Deck der Fähre auf die gebürtige Vorarlbergerin Monika Vetter und deren niederländischen Mann. Dass auch der überlebt hat, erfährt Vetter erst am Dienstagnachmittag. Das Paar war auf dem Weg zu Verwandten nach Lustenau. "Wir wollten eigentlich erst einen Tag später fahren, haben dann aber diese Fähre genommen, damit wir gemeinsam Silvester feiern können", erzählt die 62-Jährige.
Schneefall verzögert Rückkehr
Der Salzburger und die Vorarlberger sollten am Mittwoch von Brindisi nach Österreich fliegen, die beiden Tiroler von Thessaloniki aus. Doch ihre Heimkehr verzögert sich wegen des schlechten Wetters. Wegen Schneefalls wurde der Flughafen von Brindisi gesperrt, alle Flüge mussten gestrichen werden. „Die österreichischen Schiffbrüchigen sitzen in Brindisi fest. Wir wissen nicht, wann sie nach Hause fliegen können“, berichtet eine Sprecherin der österreichischen Botschaft in Rom.
Zahl der Opfer weiter unklar, Matrosen starben bei Bergung
Nach dem Schiffsunglück in der Adria wächst die Sorge, dass sich weitere Todesopfer im Wrack der "Norman Atlantic" befinden könnten. Es werden noch Dutzende Personen vermisst. Italiens Verteidigungsministerin Roberta Pinotti bestätigte, dass "wir auch weiterhin im Meer nach Vermissten suchen".
Über die genaue Passagieranzahl herrscht noch Unklarheit. Unter den Geretteten sind viele, die auf keiner Passagierliste registriert waren. Vermutet wird auch, dass Flüchtlinge, die von Schleppern in Lkw-Ladeflächen versteckt wurden, bei dem Feuer ums Leben gekommen sein könnten.
Zwei albanische Matrosen starben gestern, Dienstag, bei den Bergungsarbeiten. Sie wurden von einem gerissenen Seil, mit dem die havarierte Fähre an ein Schleppboot angedockt werden sollte, getroffen. Die Zahl der registrierten Todesopfer stieg damit auf insgesamt 13.
Italienische Staatsanwälte ermitteln gegen Kapitän Argilio Giacomazzi, 62, und Reederei-Unternehmer Carlo Visentini. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung. Rückendeckung erhielt der Kapitän vom Admiral der Marine, Giuseppe De Giorgi: "Er genießt meinen vollen Respekt, weil er mit größter Kompetenz seine Arbeit geleistet hat. Er hat als Letzter das Schiff verlassen, wie es ein Kapitän tun muss." In Italien wird Giacomazzi – der von Premier Renzi ausdrücklich gelobt wurde – als "Anti-Schettino" gefeiert.
Frachter in Seenot
Ein weiterer Zwischenfall im adriatischen Meer sorgt indes für Aufregung: Ein Frachter mit mehr als 600 Migranten an Bord geriet westlich der griechischen Insel Korfu im Sturm in Seenot (mehr dazu hier).
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