Lob für den Helden der Feuerfähre

Endlich wieder Land unter den Füßen: Überlebende wurden nach Griechenland und Italien gebracht.
Vorarlberger half Passagieren. Zahl der Opfer unklar, Matrosen starben bei Bergung. Heimkehr der Österreicher durch Schnee verzögert.

Das Feuer überraschte die meisten Passagiere im Schlaf. "Ich habe es vom Fenster meiner Kabine aus gesehen und die anderen Leute aufgeweckt. Ich habe geschrien: Aufstehen, es brennt! Aber die Menschen haben zuerst gedacht, ich mache einen Scherz", erzählt der Zillertaler Mehmet Ali Güyen am Telefon. Die Nacht auf Dienstag haben er und ein weiterer Tiroler in einem Krankenhaus im griechischen Igoumenitsa verbracht, nachdem eine Fähre der Minoan Line sie und über 60 weitere Überlebende an Land gebracht hatte. Der Schock sitzt tief: "Ich habe gedacht, ich verbrenne. Alle haben geschrien und sind ganz oben auf das Deck. Da war fast kein Platz", erzählt Güyen.

Bestechung?

Überlebende erzählen von unbeschreiblichen Szenen, die sich in der Panik auf der "Norman Atlantic" abgespielt haben, nachdem in der Nacht auf Sonntag gegen 3 Uhr nahe der Insel Korfu Feuer auf der Autofähre ausgebrochen war (mehr dazu lesen Sie hier). "Meine Mutter hat gesagt, dass die Leute sehr brutal miteinander umgegangen sind. Es soll sogar Bestechungen gegeben haben, damit einige als erste gerettet werden", sagte Mustafa Hazir, der aus Dornbirn nach Brindisi geflogen ist und seine Mutter gestern aus einem nahen Krankenhaus abholte.

Lob für den Helden der Feuerfähre
Der 35-jährige Cengiz Hazir aus Dornbirn war mit seiner Mutter auf der "Norman Atlantic". Er wurde als einer der letzten Passagiere evakuiert und soll große Hilfe an Bord geleistet haben.
Die 65-Jährige wurde am Montagvormittag von der Unglücksfähre gerettet. Sie war stark unterkühlt und hatte eine Rauchgasvergiftung erlitten. Ihre Sorge galt vor allem ihrem Sohn Cengiz, der unter den letzten Passagieren gewesen sein dürfte, die von der "Norman Atlantic" evakuiert wurden. Der 35-jährige Vorarlberger soll sich heldenhaft verhalten haben. "Das sagt nicht nur seine Mutter, sondern auch viele andere Überlebende. Er soll an Bord große Hilfe geleistet haben. Er hat Menschen hochgehalten, die vom Helikopter geholt wurden und sich um Kinder gekümmert", berichtet Gerda Vogl, die derzeit die österreichische Botschaft in Rom leitet und sich in Brindisi um die überlebenden Österreicher und deren Rücktransport gekümmert hat.
Lob für den Helden der Feuerfähre
Nuriye Hazir wird von ihrem Sohn Mustafa aus dem Krankenhaus abgeholt. Die 65-Jährige aus Dornbirn wurde am 29.12.14 von der "Norman Atlantic" gerettet. An Bord war auch ihr zweiter Sohn Cengiz Hazir, der als einer der letzten Passagiere evakuiert wurde.
Cengiz und seine Mutter hatten in ihrem Auto im Bauch der Fähre geschlafen, als das Feuer ausbrach. "Der Rauch hat sie geweckt. Sie hatten nur einen Pyjama an, als sie hinauf geflüchtet sind", weiß Mustafa Hazir von den Erzählungen seiner Mutter.

Sie und ihr Sohn trafen an Deck der Fähre auf die gebürtige Vorarlbergerin Monika Vetter und deren niederländischen Mann. Dass auch der überlebt hat, erfährt Vetter erst am Dienstagnachmittag. Das Paar war auf dem Weg zu Verwandten nach Lustenau. "Wir wollten eigentlich erst einen Tag später fahren, haben dann aber diese Fähre genommen, damit wir gemeinsam Silvester feiern können", erzählt die 62-Jährige.

Schneefall verzögert Rückkehr

Lob für den Helden der Feuerfähre
epaselect epa04542558 Rescued passengers of the Norman Atlantic accident arrive at a special area of Igoumenitsa's Port in Greece, 29 December 2014. The passenger ferry Cruise Europa carrying 69 rescued passengers from 'Norman Atlantic' docked at Greece's Igoumenitsa port. The death toll from a stricken ferry in the Adriatic Sea rose to at least ten on 29 December as Italy said all passengers had been evacuated from the vessel, marking the end of a rescue operation hampered by bad weather. EPA/APOSTOLOS DIMOS
Gemeinsam mit Mustafa und Nuriye Hazir wartete sie am Dienstagabend in Brindisi auf die Ankunft des italienischen Marineschiffs "San Giorgio", das bis zuletzt nach Überlebenden suchte. An Bord befand sich neben Vetters Mann und Cengiz Hariz auch der Salzburger Erwin Schrümpf, der ebenfalls als einer der Letzten evakuiert wurde. "Es würde mich nicht wundern, wenn er sich mit dem Kapitän darum gestritten hätte, wer als letzter geht", sagt dessen Sohn Manfred Merseburger, der vorerst nur per SMS Kontakt mit seinem Vater hatte. Schrümpf hatte eine Hilfslieferung nach Griechenland gebracht. Auf der Rückreise war er in das Feuerdrama geraten.

Der Salzburger und die Vorarlberger sollten am Mittwoch von Brindisi nach Österreich fliegen, die beiden Tiroler von Thessaloniki aus. Doch ihre Heimkehr verzögert sich wegen des schlechten Wetters. Wegen Schneefalls wurde der Flughafen von Brindisi gesperrt, alle Flüge mussten gestrichen werden. „Die österreichischen Schiffbrüchigen sitzen in Brindisi fest. Wir wissen nicht, wann sie nach Hause fliegen können“, berichtet eine Sprecherin der österreichischen Botschaft in Rom.

Zahl der Opfer weiter unklar, Matrosen starben bei Bergung

Nach dem Schiffsunglück in der Adria wächst die Sorge, dass sich weitere Todesopfer im Wrack der "Norman Atlantic" befinden könnten. Es werden noch Dutzende Personen vermisst. Italiens Verteidigungsministerin Roberta Pinotti bestätigte, dass "wir auch weiterhin im Meer nach Vermissten suchen".

Über die genaue Passagieranzahl herrscht noch Unklarheit. Unter den Geretteten sind viele, die auf keiner Passagierliste registriert waren. Vermutet wird auch, dass Flüchtlinge, die von Schleppern in Lkw-Ladeflächen versteckt wurden, bei dem Feuer ums Leben gekommen sein könnten.

Zwei albanische Matrosen starben gestern, Dienstag, bei den Bergungsarbeiten. Sie wurden von einem gerissenen Seil, mit dem die havarierte Fähre an ein Schleppboot angedockt werden sollte, getroffen. Die Zahl der registrierten Todesopfer stieg damit auf insgesamt 13.

Italienische Staatsanwälte ermitteln gegen Kapitän Argilio Giacomazzi, 62, und Reederei-Unternehmer Carlo Visentini. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung. Rückendeckung erhielt der Kapitän vom Admiral der Marine, Giuseppe De Giorgi: "Er genießt meinen vollen Respekt, weil er mit größter Kompetenz seine Arbeit geleistet hat. Er hat als Letzter das Schiff verlassen, wie es ein Kapitän tun muss." In Italien wird Giacomazzi – der von Premier Renzi ausdrücklich gelobt wurde – als "Anti-Schettino" gefeiert.

Frachter in Seenot

Ein weiterer Zwischenfall im adriatischen Meer sorgt indes für Aufregung: Ein Frachter mit mehr als 600 Migranten an Bord geriet westlich der griechischen Insel Korfu im Sturm in Seenot (mehr dazu hier).

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