TU-Architekten glänzen in Frankreich
Man könnte von der großen "Softpower" eines kleinen Landes sprechen. Ausgerechnet in Frankreich, einem Kernland der sowohl historischen als auch aktuellen europäischen Architektur (man denke nur an Stars wie Le Corbusier oder Jean Nouvel), wird einem dieser Tage bewusst, dass Österreich zu einer Art Großmacht der zeitgenössischen und nachhaltigen Architektur avanciert ist.
Der Zufall will es, dass gerade jetzt zwei diesbezügliche Ereignisse Schlag auf Schlag aufeinander folgten. Am Freitag geriet der aus Bruck/Mur stammende und in Paris etablierte Architekt Dietmar Feichtinger, Schöpfer der auffälligsten Wasserquerungen Frankreichs der letzten Jahrzehnte, wieder einmal ins Rampenlicht. Bei einem Festakt wurde der Abschluss der Ausbuchtungsarbeiten des Mont-Saint-Michel begangen: Die Klosterburg-Insel im Atlantik ist wieder allumfassend von Wasser umgeben, wobei der Zugang über einen von Feichtinger geplanten, unglaublich geschmeidigen Lauf- und Fahr-Steg erfolgt.
Einen Tag zuvor, am Donnerstag, hatte Österreichs Botschafterin Ursula Plassnik zu einem Kolloquium über "Architektur für das Klima" geladen – eine Vorleistung für den Pariser Weltklima-Gipfel Ende November. Es ist nicht das erste Mal, dass die einfallsreiche und passionierte Gesandte mit Veranstaltungen zu angesagten Themen auftrumpft. Aber mit dem Kolloquium über innovative Bau- und Beheizungsarten ist ihr ein Volltreffer gelungen.
Eine Wienerin in Paris
Chance für Junge
"Zumindest damals wären derartige Erfolge für mich als Frau und eher jung in Österreich nicht so leicht gewesen", vermutet Floret-Scheide und bestätigt damit, was auch Dietmar Feichtinger gelegentlich über seinen Karrierestart in Frankreich berichtet, nämlich dass bei französischen Ausschreibungen die eingebrachten Bauprojekte ohne Vorbehalte gegen Jung-sein oder Ausländisch-sein beurteilt wurden. Gleichzeitig hatten die Österreicher einen Vorteil: "An der TU in Wien beschäftigten wir uns schon zu meiner Studienzeit mit energetischen Studien. Bauphysik war hingegen an Frankreichs Architektur-Hochschulen lange Zeit kein Thema. Es gab auch kaum Brücken zur Ingenieursausbildung."
Bei der thermischen Isolierung würde Frankreichs Bauindustrie gegenüber Ländern wie Österreich oder Deutschland einen "20-jährigen Rückstand" aufweisen, bedauert Floret-Scheide. Aber seit rund sechs Jahren sei ein "ungeheurer Aufschwung" im Gange. Vorgaben der EU und der französischen Regierungen würden Frankreich im Neubau und bei der Altbestand-Sanierung "auf höchstes europäisches Niveau" treiben. In diesem nationalen Kraftakt hätten österreichische Erfahrungswerte eine Spitzenrolle. Dabei würden sich "französische Experimentierfreude und österreichisches Savoir-faire ideal kombinieren".
Nicht nur kopieren
Einige Architekten beschränkten sich zwar aufs Kopieren und errichteten ihrerseits bloß "Vorarlberger Schachteln, von denen es inzwischen schon zu viele gibt", wie Gauzin-Müller bedauert. Aber andere wurden von der Grundeinstellung der der Vorarlberger Avantgarde beflügelt, dem Mut zum Tabubruch. Die Pariser Architektin Emmanuele Patte berichtet von Schlüsselerlebnissen in Vorarlberg: "Wir fragten uns ständig, wie konnten die das tun, etwa eine Holzdecke einziehen. In Frankreich würde das gegen die Bauordnung verstoßen. Und dann fiel bei uns der Groschen. Die Vorarlberger haben sich einfach gesagt, wir halten uns nicht mehr starr an Vorschriften und überdenken alles neu."
Mut zum Risiko
Resultat: Frankreichs aktuelle Holzarchitektur nützt in unkonventioneller Weise Bäume und Pflanzen (Frankreich hat einen der artenreichsten Waldbestände Europas) – Arten, die als Baumaterialien entweder in Vergessenheit geraten oder nie dafür in Betracht gezogen worden waren. Das löst inzwischen auch in Vorarlberger Fachkreisen Interesse und Bewunderung aus. "In Frankreich", meint Gauzin-Müller, "ist man manchmal weniger gründlich. Das hat aber den Vorteil, dass man enthemmter, risikofreudiger vorgeht."
Gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz konzipierte Gauzin-Müller eine Wanderausstellung über die Vielseitigkeit und Eigenständigkeit der französischen Holzarchitektur ("Die Leichtigkeit des Seins – aktuelle Bauten aus Frankreich"), die im Frühjahr in Dornbirn Halt machte – "da, wo alles begann".
Es gibt sonst kaum Architekten, die 13 Brücken in Europa und davon gleich zwei in Paris über der Seine errichtet haben. Trotzdem will der 54 jährige Dietmar Feichtinger, der aus Bruck an der Mur stammt, die TU in Graz absolvierte und seit 1989 von Paris aus wirkt, nicht ewig als „Brücken-Architekt“ abgestempelt werden. Tatsächlich hat Feichtinger etliche andere Objekte, darunter in Österreich etwa die Donau-Universität Krems und das Klinikum Klagenfurt erbaut. Aber die 2006 eröffnete „Passerelle Simone-de-Beauvoir“ war wohl das Meisterwerk, das ihm zu Weltruhm verhalf. Die mit Holz verkleidete, mehrfach auf und ab-geschwungene Fußgängerbrücke trägt alle Merkmale, die auch wieder den gewundenen Steg zum Mont-Saint-Michel prägen.
Nicht das Bauwerk selber, sondern dessen Eingliederung in das Umfeld sowie das Begehungserlebnis des Brückenbenützers und seine Sicht auf die monumentale Umgebung (der Pariser Gebäudehorizont beziehungsweise die Klosterburg im Fall des aus dem Watt aufragenden Mont Saint Michel) werden zelebriert. Allein diesem Zweck dienen die extrem ausgefeilten, nachhaltigen Materialmischungen und die Schwingungen und Windungen des Konstruktionsverlaufs. Das machte Feichtinger zum idealen Partner für die ökologische und einwohnernahe Wende, weg vom autoritären Pompbau, die die rotgrüne Pariser Stadtverwaltung einleitete.
Kommentare