NGO setzt Rettungsmissionen im Mittelmeer fort
Die private deutsche Seenotrettungsorganisation Sea-Eye hat beschlossen, ihre seit einem Monat ausgesetzten Einsätze im Mittelmeer wieder aufzunehmen. Das teilte die NGO am Samstag in einer Aussendung mit. Der Organisation war die Mission mangels ausreichender Garantien der deutschen Regierung, den Helfern im Notfall zu Hilfe zu kommen, zu gefährlich gewesen.
Künftig sollen die Einsätze der beiden Schiffe "Sea-Eye" und "Seefuchs" nun in einem Bereich von 70 bis 90 Seemeilen vor der libyschen Küste stattfinden, "um so der fortdauernden Bedrohung durch die libysche Küstenwache Rechnung zu tragen und die Sicherheit der Crews nicht zu gefährden", hieß es.
Kritik an Zusammenarbeit mit Libyen
Der Vorsitzende von Sea-Eye, Michael Buschheuer, kritisierte zugleich die Zusammenarbeit Europas mit Libyen: "Der Deal der europäischen Länder mit der libyschen Küstenwache ist unverantwortlich. Sie lassen es zu, einen völkerrechtswidrigen Zustand zu tolerieren. Wir sind es den Menschen in Not schuldig, vor Ort zu bleiben und zu retten, wann immer es nötig ist."
Hilfsorganisationen spielen eine wichtige Rolle bei der Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. Heuer haben sie bisher mehr als ein Drittel aller Migranten aufgegriffen, 2014 waren es noch weniger als ein Prozent. Ihre Arbeit wurde aber immer wieder kritisiert. Nach Bedrohungen seitens der libyschen Küstenwache stoppten einige Organisationen ihre Einsätze. Grundsätzlich geht die Zahl der in der EU ankommenden Flüchtlinge seit geraumer Zeit zurück.
"Nach wie vor Menschen in Seenot"
Zur Entscheidung, die Rettungseinsätze wieder aufzunehmen, hat laut Sea-Eye ein Ereignis am 2. September beigetragen. An jenem Tag sei "Seefuchs" vom Maritime Rescue Coordination Center Rom (MRCC) Rom, der Seenotrettungsleitstelle für das gesamte Mittelmeer, zu einem Rettungseinsatz rund 50 Seemeilen vor die libyschen Küste gerufen worden. Die Crew konnte 16 Menschen aus einem Holzboot vor dem Ertrinken retten. Dieser Fall zeige, dass die Behauptung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der EU, es gebe inzwischen keine Flüchtenden und demnach auch keine Ertrinkenden vor der libyschen Küste mehr, nicht stimme. "Die Überlebenden des 2. September haben uns berichtet, dass mit ihnen zwei vollbesetzte Schlauchboote gestartet waren. Von diesen Booten und den Menschen fehlt bis heute jede Spur. Wir müssen davon ausgehen, dass sie ertrunken sind."
Aus Sicht des italienischen Innenministeriums hat die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache zur Bekämpfung des Menschenhandels bisher positive Resultate gezeigt, wie die stark rückläufige Zahl der Ankünfte in Italien seit Juli bezeuge. Die Kooperation mit Libyen gegen die illegale Immigration solle ausgebaut werden.
"Libysche Piraterie"
Von Menschenrechtlern kommt aber scharfe Kritik. Die Europäische Union habe sich auf eine Kooperation mit einer libyschen Küstenwache eingelassen, die manchmal Flüchtlinge rette, manchmal aber selber Hilfsbedürftigen nicht helfe, sie ausraube oder sogar erschieße. Dieser Machtmissbrauch werde von der EU heruntergespielt, hat der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, erklärt. Er stellte sich ausdrücklich hinter die Flüchtlingshilfsorganisationen, die gegen den Widerstand auch europäischer Regierungen versuchen, Menschen vor der libyschen Küste zu helfen. Der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, hatte vor wenigen Tage auf einer Pressekonferenz in Wien geklagt, dass Seenotretter als "NGO-Wahnsinnige" hingestellt würden, während "libysche Piraterie, die sogenannte libysche Küstenwache, die nichts anderes als marodierende Mörderbanden sind, die mittlerweile mit europäischen Waffen ausgestattet werden, selbstverständlich stillschweigend geduldet" werde, selbst wenn diese Piraterie außerhalb libyscher Hoheitsgewässer stattfinde.
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