NGO in Erklärungsnot: Orgien im Katastrophengebiet

Nach dem Erdbeben waren 1,5 Millionen Haitianer obdachlos
Der Skandal um Sex-Partys von Oxfam-Mitarbeitern schadet auch anderen Nothelfern.

Geschlechtergerechtigkeit ist eines der erklärten Ziele von Oxfam. Die britische Hilfsorganisation kämpft nach eigenen Angaben weltweit gegen Ausbeutung, Ungleichheit, Diskriminierung und Armut. Dafür verwendet sie jedes Jahr rund 460 Millionen Euro an Spendengeldern und Regierungsunterstützung.

Auch nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti 2010, bei dem 220.000 Menschen starben und 1,5 Millionen ihr Zuhause verloren, war die Organisation im Einsatz.

In einem Artikel der britischen Zeitung "The Times" wird nun Mitarbeitern von Oxfam vorgeworfen, damals in einer mit Spendengeldern finanzierten Villa Sex-Orgien veranstaltet zu haben. Dabei sollen Haitianerinnen prostituiert worden sein. Auf Fotos seien die teils sehr jungen Frauen mit T-Shirts der Organisation zu sehen.

Minderjährige

Bezahlter Sex verstößt gegen den Kodex von Oxfam, den jeder Mitarbeiter unterschreibt. Prostitution ist in Haiti zudem illegal. Zudem äußerten mehrere anonyme Informanten gegenüber " The Times" die Vermutung, dass einige der Frauen minderjährig gewesen sein könnten.

Die haitianische Polizei wollte Oxfam allerdings nicht einschalten. Die Behörden hatten in dem völlig zerstörten Land ohnehin anderes zu tun, sagt ein Helfer von damals. Es wäre "unrealistisch" gewesen, dass sie sich einschaltet.

Die sechs betroffenen Oxfam-Mitarbeiter stellten sich einer Untersuchung. Darunter der Landesdirektor für Haiti, der Belgier Roland van Hauwermeiren. Er habe die "politische Verantwortung" übernommen und trat zurück – wie seine Kollegen ohne weitere Konsequenzen.

Die Hilfsorganisation bestreitet, die Vorfälle vertuscht zu haben, ebenso habe sich der Verdacht, dass Minderjährige prostituiert wurden, "nicht erhärtet". Dem KURIER liegt eine Pressemitteilung aus dem Jahr 2011 vor, in der Oxfam von einer "internen Untersuchung" wegen "Fehlverhalten" schreibt. Das Medienecho war damals offenbar gering.

"Besatzung"

Hilfsorganisationen haben keinen guten Ruf in Haiti. Und auch die UN-Friedensmission, die 2017 nach 13 Jahren beendet wurde, war oft als "Skandalmission" bezeichnet worden. Laut dem Politologen Nicolas Lemay-Hébert sahen sie viele Haitianer als "internationale Besatzung". Brasilianische Blauhelme hatten Kriminelle, aber auch teilweise Unbeteiligte brutal misshandelt, andere haben Haitianerinnen vergewaltigt und Minderjährige prostituiert. Als nach dem Erdbeben eine Cholera-Epidemie ausbrach, an der knapp 10.000 Menschen starben, kam der Verdacht auf, dass der Erreger durch UN-Soldaten nach Haiti gekommen war.

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