New York: Ausnahmezustand Underground

Nach Zwischenfällen mit Verletzten und ohnehin chronischem Chaos will die Politik handeln.

Nach stundenlangem Warten in brütender Hitze, ohne Licht, oder Klimaanlage riss einigen Passagieren die Geduld. Mit allen nur irgendwie verfügbaren Werkzeugen bogen sie die klemmenden Türen des Zuges der Linie F auf, oder schlitzten den Gummi der Türdichtungen auf, nur um endlich aus dem Zug und an die frische Luft zu kommen.

Der jüngste schwere Zwischenfall im New Yorker U-Bahn-Netz, in dem das Chaos längst Alltag geworden ist. Stundenlange Verspätungen, Züge ohne Licht und mit klemmenden Türen, die immer wieder plötzlich aus den Gleisen springen. Dutzende Menschen wurden erst vor ein paar Wochen bei einem derartigen Ausreißer zweier Zuggarnituren verletzt.

Ausnahmezustand

Seit mehr als 100 Jahren fährt die New Yorker U-Bahn Menschen durch die Stadt – inzwischen merkt man das auch. Jetzt will die Stadtverwaltung durchgreifen.

Das U-Bahn-System in New York ist schon immer eine Herausforderung gewesen: unübersichtlich, häufig dreckig, kaputt und überfüllt, Ratten überall und an vielen Stationen fehlen Aufzüge. Daran sind die New Yorker gewöhnt. Aber nun scheint sich das System verschlimmert zu haben, von schlecht zu nicht mehr tragbar. 75.000 Verspätungen gibt es pro Monat und Passagiere sowie Lokalzeitungen machen ihrem Ärger laut Luft.

Der für die Nahverkehrsbehörde MTA zuständige demokratische Gouverneur Andrew Cuomo hat reagiert und offiziell den Ausnahmezustand für das New Yorker U-Bahn-System erklärt. "Das wird es der MTA ermöglichen, schneller das Material und die Ausrüstung zu kaufen, die sie braucht, um Gleise, Ampeln, Weichen und andere Dinge zu reparieren."

Zuvor hatte er bereits den Republikaner Joe Lhota an die Spitze der MTA zurückgeholt, der die Behörde schon 2012 einmal geführt und für die Bewältigung der Auswirkungen von Wirbelsturm "Sandy" viel Lob bekommen hatte. Außerdem hat Gouverneur Cuomo drei Preise von je einer Million Dollar ausgelobt – für herausragende Ideen, die zur Verbesserung des Systems führen.

Sechs Millionen täglich

Aber die Herausforderungen sind riesig. In erster Linie gilt das U-Bahn-System als völlig überlastet. Rund sechs Millionen Menschen nutzen jeden Tag den Subway. Eine Fahrt kostet 2,75 Dollar (etwa 2,40 Euro). An der meistgenutzten Station Times Square kamen im vergangenen Jahr rund 65 Millionen Menschen vorbei. Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.

Gleichzeitig sind Teile der Technik völlig veraltet. Die Ampeln stammen teilweise noch aus den 1930ern. "Wir leben im digitalen Zeitalter", sagt MTA-Chef Lhota. "Unser Signalsystem ist noch nicht einmal analog. Es ist mechanisch." 700 Wagen hätten eigentlich schon längst ausgemustert werden müssen. "Sie gehören wirklich ins Museum", sagt Gouverneur Cuomo.

Die Züge der Linie C wurden einst als Meisterwerke der Technik gepriesen – das war vor 53 Jahren. Inzwischen sind sie laut New York Times die ältesten kontinuierlich fahrenden U-Bahn-Züge der Welt. Durchschnittlich alle 54 000 Kilometer geht bei ihnen irgendwas kaputt. Neue U-Bahn-Wagen zu bauen, dauert nach MTA-Angaben aber bis zu fünf Jahre. "Das ist doch lächerlich", sagt Gouverneur Cuomo. "In der Zeit könnte ich einen U-Bahn-Wagen bauen."

Immerhin habe der Gouverneur das Problem nun erkannt, sagte John Raskin vom Interessensverband der Passagiere, "Riders Alliance", der New York Times. "Das ist ein essenzieller erster Schritt. Jetzt muss er nur noch einen glaubhaften Plan aufstellen, wie er die U-Bahn reparieren will, und die Milliarden Dollar auftreiben, die das brauchen wird."

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