Nationalisten gegen Tito-Nostalgie
Was tun mit Tito? Dem Führer der jugoslawischen Kommunisten, der sich 1941 an die Spitze des antifaschistischen Widerstandskampfs gegen deutsche und italienische Okkupanten stellte und nach dem Sieg 1945 das Land bis zu sein Tod 1982 regierte. Die von ihm etablierte Spielart des Sozialismus war zwar erheblich liberaler als in den Ostblockstaaten. Aber ähnlich kompromisslos wie die Kollegen dort, verfolgte auch Tito seine politischen Gegner.
Über den richtigen Umgang mit dem "Marschall" sind Gesellschaft wie Politik in allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens bis heute gespalten. In Zagreb, der Hauptstadt von Titos Heimat Kroatien, soll jetzt sogar einer der schönsten Plätze umbenannt werden. Zwar wollte Oberbürgermeister Milan Bandić dazu ein Referendum anberaumen. Doch seine nationalkonservative HDZ schnitt bei den Kommunalwahlen schlecht ab; um regieren zu können, muss Bandić mit den "Unabhängigen für Kroatien" koalieren: dem Rechtsaußen-HDZ-Ableger, der fünf der 51 Abgeordneten im Stadtparlament stellt. Dieser hatte ein Bündnis mit der HDZ von der Umbenennung des "Marschall-Tito-Platzes" abhängig gemacht. Bandić knickte ruhmlos ein. Über die Umbenennung in "Platz der Republik Kroatien" will er heute, Donnerstag, auf der konstituierenden Sitzung des Stadtparlaments abstimmen lassen.
Partisanen-Demo
Der Platz habe in den letzten 130 Jahren sechs Mal den Namen gewechselt, warnt Kulturstadtrat Ivica Lovrić. Und was, wenn sich nach der Umbenennung die politischen Vorlieben erneut ändern? Oder die Mehrheiten bei den nächsten Wahlen? Immerhin drohten die oppositionellen Sozialdemokraten im Falle eines Sieges bereits mit Rückbenennung in Tito-Platz und wissen die Zivilgesellschaft hinter sich. Am 22. Juni, an dem Titos Partisanenarmee 1941 den Kampf gegen die Okkupanten aufnahm, protestierten in Zagreb sogar Hunderte Mitglieder des Verbandes der Widerstandskämpfer und Antifaschisten auf dem Tito-Platz gegen die Umbenennung.
Bei nationalkonservativen Politikern der Republik Kroatien ist Josip Broz Tito besonders unpopulär. Ihr Narrativ geht so: Unter dem Einfluss von Gattin Jovanka, einer Serbin, habe der Kroate Tito die Sonderstellung der Serben, an der im Zweiten Weltkrieg schon das Königreich Jugoslawien zerbrach, in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien bestätigt. Linke und einfache Menschen dagegen bedauern deren Untergang. Vor allem die Generation 50 plus, die den Tito-Sozialismus für die beste Zeit ihres Lebens hält.
Sie sind auch der harte Kern des Verbands der Antifaschisten und Widerstandskämpfer, einer Graswurzelbewegung in allen Spaltprodukten Jugoslawiens. Gemeinsame Besinnung auf den gemeinsamen Widerstandskampf soll versöhnen und die Menschen reif machen für eine gemeinsame europäische Zukunft, sagt Marinko Vlasić, Verbandschef in Dubrovnik. Die beste Lösung wäre ein durch Wahlen demokratisch legitimiertes Europa der Regionen ohne Nationalstaaten. Auf dem Westbalkan wo immer noch die "Zerstörer Jugoslawiens" oder deren Parteien an der Macht sind, gehe die Entwicklung derzeit in die umgekehrte Richtung, sagt Vlasić. Für die Antifaschisten seien Gedenken an den Volksbefreiungskampf und Protest gegen die Umbenennung des Tito-Platzes daher kein Selbstzweck, sondern eine "Kampfansage gegen die fortschreitende Faschisierung" der Gesellschaft.
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