Milde Strafe für Vergewaltiger: Brief des Opfers bewegt USA

Milde Strafe für Vergewaltiger: Brief des Opfers bewegt USA
Fall machte weltweit Schlagzeilen. Eine CNN-Journalistin verlas nun in ihrer Sendung das Statement der vergewaltigten Frau.

Mit ergreifenden Worten an den Täter hat eine sexuell missbrauchte Frau in den USA die Herzen und Gemüter bewegt. Sichtlich darum bemüht, die Fassung zu bewahren, las die CNN-Journalistin Ashleigh Banfield die lange Erklärung der 23-jährigen Frau in ihrer Sendung Legal View vor. Es beginnt mit den Worten: "Du kennst mich nicht, aber du warst in mir, und deshalb sind wir heute hier."

Der zwölfseitige Text ist an den 20-jährigen Täter gerichtet, das Opfer trug ihn vergangene Woche vor einem Gericht in der kalifornischen Stadt Santa Clara vor. Darin beschreibt die junge Frau ihre körperlichen und seelischen Wunden, die Demütigung beim Kreuzverhör durch Anwälte, ihre Ängste und Zusammenbrüche.

Der Fall von sexueller Gewalt auf dem Campus der Elite-Universität Stanford und der Prozess, der mit einer milden Strafe für den Täter endete, sorgt in den USA seit Tagen für Aufregung. Mehr als 550.000 Menschen hatten bis Mittwoch eine Online-Petition unterzeichnet, in der die Amtsenthebung des zuständigen Richters gefordert wird.

Umstrittenes Urteil: Sechs Monate Haft

Sein umstrittenes Urteil: Sechs Monate Haft für den ehemaligen Stanford-Studenten und Schwimmsportler, der vor der Tat noch als Olympia-Hoffnung galt. Das sei als Strafe ausreichend, hatte Richter Aaron Persky (54) vorige Woche geurteilt. Er war früher selbst ein Star-Athlet an der Elite-Uni in Palo Alto gewesen. Die Anklage hatte in dem Prozess mindestens sechs Jahre Gefängnis gefordert.

Die Bestrafung werde der "tatsächlichen Schwere" des Delikts nicht gerecht, empörte sich Staatsanwalt Jeff Rosen. Der Täter habe weder Reue gezeigt noch die Wahrheit gesagt. Für Sofie Karasek (22) von der Hilfsorganisation "End Rape on Campus" ist das milde Urteil keine Überraschung. "Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass Sex-Täter an Universitäten selten zur Verantwortung gezogen werden", sagte die Aktivistin am Dienstag. Statistiken zufolge wird jede fünfte Frau an US-Hochschulen während ihrer Studienzeit Opfer sexueller Gewalt.

Karasek selbst war als 18-jährige Studienanfängerin an der Universität in Berkeley von einem Kommilitonen belästigt worden. Seither macht sie sich für mehr Sicherheit und Hilfe für die Opfer stark. Sie war 2014 an der Einführung des sogenannten "Yes Means Yes"-Gesetzes beteiligt. Kalifornien ist der erste US-Staat, der "affirmative consent" verlangt, also eine ausdrückliche Zustimmung für eine sexuelle Begegnung zwischen Studenten. Wer etwa betrunken ist, unter Drogen steht, bereits eingeschlafen oder bewusstlos ist, kann dem Gesetz zufolge keine Einwilligung geben.

Auf Verbindungsparty kennengelernt

Der Täter und sein Opfer hatten sich in der Tatnacht im Jänner 2015 auf einer Verbindungsparty kennengelernt - und viel Alkohol getrunken. Sie habe sich an nichts mehr erinnern können, als sie auf einer Trage in einem Krankenhaus aufwachte, erklärt die Frau in ihrem Statement. Man habe ihr gesagt, sie sei bewusstlos und halb nackt hinter Mülltonnen auf dem Campus gefunden worden.

Zwei Studenten hatten die nächtliche Sex-Attacke zufällig gesehen und die Polizei alarmiert. Der Beschuldigte gab später an, die Frau habe in den Sex eingewilligt. Im März sprachen ihn zwölf Geschworene wegen sexuellen Missbrauchs einer bewusstlosen Frau schuldig.

Von Universität ausgeschlossen

Die Elite-Hochschule teilte mit, sie nehme sexuelle Übergriffe auf dem Campus "sehr ernst". Schon zwei Wochen nach dem "schrecklichen Vorfall" habe der Beschuldigte Campus-Verbot erhalten. Er wurde von der Universität und von seinem Schwimmteam ausgeschlossen. In Kalifornien wird er auch nach Absitzen der Haftstrafe lebenslang als Vergewaltiger geführt.

"Ein hoher Preis für eine 20-Minuten-Aktion"

Für seine Freunde und Angehörigen ist das schon Strafe genug. In einem Brief an den Richter bat sein Vater um ein mildes Urteil. Sein Sohn sei nun ständig deprimiert, er habe keinen Appetit mehr und all seine Lebensträume seien geplatzt. Eine Haftstrafe sei "ein hoher Preis für eine 20-Minuten-Aktion", schrieb der Vater.

Der Richter sah das anscheinend ähnlich. Der junge Täter habe keine Vorstrafen, machte Persky geltend. Eine längere Haftstrafe könnte ernsthafte Folgen für ihn haben. "Die machen sich mehr Sorgen um die Auswirkungen für den Täter als um die Folgen für das Opfer", empörte sich der Staatsanwalt. Stanford-Professorin Michele Dauber war ebenfalls fassungslos. Sie postete einen Auszug des Briefes auf Twitter:

"Dein Schaden ist greifbar: Auszeichnungen, Abschlüsse und Studium sind weg. Mein Schaden ist innerlich, unsichtbar, ich trage das mit mir herum"

Das Opfer beschrieb diese Folgen sehr deutlich in dem Brief an den Täter: "Dein Schaden ist greifbar; Auszeichnungen, Abschlüsse und Studium sind weg. Mein Schaden ist innerlich, unsichtbar, ich trage das mit mir herum. Du hast meinen Wert weggenommen, meine Privatsphäre, meine Energie, meine Zeit, meine Sicherheit, meine Intimität, mein Vertrauen, meine eigene Stimme, bis heute."

Bereits seit Tagen diskutieren Nutzer auf Twitter über den Fall:

Der 20-Jährige muss für nur sechs Monate ins Gefängnis, von denen er laut Guardian wohl nur drei wirklich absitzen muss.

Auch die Tatsache, dass das Polizeifoto ("mugshot") des 20-Jährigen der Öffentlichkeit monatelang vorenthalten wurde, lässt viele an eine Ungleichbehandlung denken. Bis vor Kurzem wurde nur ein Foto aus dem Jahrbuch des Täters freigegeben. Bei anderen Straftätern, vor allem auch solchen, die sexuelle Straftaten verübt haben, werden wie selbstverständlich Mugshots veröffentlicht.

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