Keine Gnade für Hassposter

Keine Gnade für Hassposter
Im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet hat die deutsche Polizei nun 60 Wohnungen durchsucht.

Hasspostings häufen sich und werden schleichend zum Alltag. Ungeniert wird gegen Menschen gehetzt, Politikern der Tod gewünscht, vor "Überfremdung" gewarnt. Die vermeintliche Anonymität im Netz lässt die Hemmschwelle beim Verfassen von Kommentaren merklich sinken. Bedrohung, extremistische Inhalte, die Androhung von Gewalttaten oder der öffentliche Aufruf zu Straftaten: All das geschieht täglich in sozialen Netzwerken oder Internetforen und wird unter dem Begriff "Hassposting" in der gesellschaftlichen Debatte thematisiert.

Diese Verunglimpfungen verbreiten sich schnell – und sie nehmen zu. "Deshalb findet erstmals ein bundesweiter Einsatztag der Polizei zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet statt. Ziel der Aktion ist, dem stark zunehmenden Verbalradikalismus und den damit verbundenen Straftaten im Netz entschlossen entgegenzutreten", heißt es vonseiten des deutschen Bundeskriminalamtes. Polizeibeamte durchsuchten in 14 Bundesländern die Wohnungen von 60 Beschuldigten. Einer der Beweggründe für die Razzia war eine geheime Facebook-Gruppe, deren Kommunikation deutschen Ermittlern vorliegt. Im Zeitraum zwischen Juli und November 2015 wurden dort regelmäßig Straftaten im Sinne der deutschen Paragrafen 86a und 130 StGB begangen: Verherrlichung des Nationalsozialismus sowie der Austausch von fremdenfeindlichen, antisemitischen oder rechtsextrem zu beurteilenden Inhalten und Kommentierungen.

Anzeigen sind wichtig

"Die heutige Aktion macht deutlich: Die Polizeibehörden gehen entschlossen gegen Hass und Hetze im Internet vor. Die Fallzahlen politisch rechts motivierter Hasskriminalität im Internet sind auch im Zuge der europäischen Flüchtlingssituation deutlich gestiegen", sagt der deutsche BKA-Präsident Holger Münch. Die Hasskriminalität im Netz dürfe nicht das gesellschaftliche Klima vergiften. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte seien häufig das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch in sozialen Netzwerken beginnt. Deshalb müssten strafbare Inhalte im Netz konsequent verfolgt werden.

Breite Maßnahmen

Auch in Österreich wird die Bewegung gegen die Hetze im Netz immer spürbarer. Erst im Juni gab es ein Treffen zwischen Vertretern des sozialen Netzwerkes Facebook und dem österreichischen Justizministerium. Gespräche bezüglich des Umganges mit problematischen Kommentaren und Postings gibt es schon seit Monaten. Justizminister Wolfgang Brandstetter wolle sicherstellen, dass strafrechtlich relevante Hasskommentare möglichst rasch entfernt werden. Es sei eine Hasskrankheit, die sonst um sich greife. Zugleich betont Brandstetter, wie wichtig es ist, problematische Inhalte zur Anzeige zu bringen.

Die Regierung will mit der "Initiative gegen Gewalt im Netz" für das Thema sensibilisieren und die Bürger informieren. "Hass im Netz" war auch Diskussionspunkt im Ministerrat Anfang Juli, sechs Ministerien waren an dem Gespräch beteiligt. Als konkretes Ziel wird unter anderem "die Schaffung unbürokratischer Melde- und Anzeigemöglichkeiten" genannt. Zusätzlich sollen Leitfäden erstellt werden, die besonders die Option auf Entschädigungen nach dem Mediengesetz zum Inhalt haben werden. Hierfür wird sogar eine eigene Anlaufstelle angedacht. Das Maßnahmenpaket soll alle betroffenen Bereiche umfassen: Plattformen und Forenbetreiber auf ihre Pflichten aufmerksam machen, die vorherrschende Rechtslage breiter kommunizieren, Fortbildungsprogramme für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind ebenso geplant. Im Ministerratsvortrag wird betont, dass Hasspostings eine Gefahr für die demokratische Debatte seien. Es handle sich um einen "generell außer Kontrolle geratenen gesellschaftlichen Diskurs".

Stärkere Gegenrede

Auch die Europarats-Initiative "No Hate Speech" werde national umgesetzt – ein eigenes Komitee arbeitet seit Juni daran. Gemeinsam mit NGOs und den Ministerien entwickle man Workshops zum Abbau von Vorurteilen, das notwendige Lehrmaterial sei mittlerweile auf Deutsch verfügbar. Ein besonders wichtiger Aspekt sei die Stärkung der Gegenrede. Die Regierung will den Internetnutzern bewusst machen, dass es ihre "digitale Zivilcourage" braucht, um gegen den Hass gemeinsam vorzugehen und die Debatte zu verändern.

Gemeinsame Sache

Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat ganz aktuell eine Anleitung für Betroffene von Verunglimpfungen und Beleidigungen im Internet online gestellt. Auf der Website der Organisation finden sich Informationen zu rechtlichen Mitteln, um Drohungen, Gewaltaufrufe, Hetze und Verstöße zu melden und anzuzeigen. "Die Anzahl der Botschaften im Internet, die Hass und Hetze verbreiten, ist in den vergangenen Jahren rapide angewachsen", erklärt Sonja Dries von SOS Mitmensch.

Mit der Initiative #GegenHassimNetz startete der KURIER im Juni eine Medienmobilisierung. Seit einigen Wochen widmen wir uns gemeinsam mit dem Nachrichtenmagazin profil den Beleidigungen, Drohungen und Diffamierungen in unseren Onlineforen und sozialen Netzwerken. Bisher wurden seit Juni 18 User gemeldet, weil strafrechtlich relevante Inhalte vorliegen könnten: Denn wer schreibt, Flüchtlingskinder sollen "ersaufen", wird angezeigt.

Schwerpunkt: Gegen Hass im Netz

Gesetzeslage in Österreich

Bei vielen „Hasspostings“ wird der Paragraf 283 StGB schlagend, der die „Verhetzung“ betrifft. Dabei wird geahndet, wer öffentlich (ab 30 erreichte Personen) zu Gewalt und Hass gegen Personen aufgrund ihrer Religion, Nationalität, Weltanschauung, Hautfarbe oder sexueller Orientierung aufruft. Auch die persönliche Beschimpfung und Herabwürdigung fällt unter diesen Tatbestand. Je nach Größe des Empfängerkreises drohen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Auch die Weiterverbreitung hetzerischer Inhalte kann bestraft werden.

Andere Straftatbestände sind „Verleumdung“ (§ 297 StGB), „Verstöße gegen das Verbotsgesetz“ sowie die „Gefährliche Drohung“, unter die auch Cybermobbing (§ 107 StGB) fällt. In diesen Fällen wird die Staatsanwaltschaft tätig, da es sich um Offizialdelikte handelt, die von öffentlichem Interesse sind. Als Privatkläger kann man im Netz gegen „Üble Nachrede“ (§ 111 StGB) und „Beleidigung“ (§ 115 StGB) vorgehen.

#GegenHassImNetz: Alle Artikel zu unserem Schwerpunkt finden Sie hier.

Es reicht! - #gegenhassimnetz

Der KURIER geht jetzt gegen Hasspostings vor. Anlass war ein Artikel auf kurier.at: Weil sie Gratis-Schwimmkurse für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge anbietet, erntete die Kärntner Wasserrettung einen Shitstorm. Bei einem Einsatzfahrzeug wurde eine Scheibe eingeschlagen. Als der Artikel auf Facebook gestellt wurde, postete eine Userin darunter, die Flüchtlingskinder meinend: "Dann sollns halt ersaufen!!!!" Das Posting wurde zur Anzeige gebracht.

Schwerpunkt auf kurier.at und auf profil.at

Auf kurier.at gibt es derzeit einen Schwerpunkt zum Thema "Gegen Hass im Netz". Diskutieren Sie mit, erzählen Sie uns Ihre Erfahrungen und sagen Sie uns, wie Sie mit der Wut im Netz umgehen. Auch das Nachrichtenmagazin Profil widmet sich mit kurier.at gemeinsam dem Thema. Mehr dazu auf www.profil.at.

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