Roms Bürgermeisterin scheitert in fast allem

Ihre rechte Hand wurde verhaftet, enge Vertraute davongejagt. Die Stadt verdreckt.

Müllberge, Verkehrschaos, Korruption: Seit Amtsantritt vergeht kein Tag, in dem Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi nicht mit neuen Skandalen kämpft. Für die Spitzen-Exponentin der Fünf Sterne Protestbewegung, wird es immer enger. Fraglich ist, wie lange sie als erste Frau auf dem römischen Kapitol noch ihre Stellung halten kann. "Wir machen weiter", gibt sich Raggi trotz heftiger Turbulenzen optimistisch.

Gestern, Freitag, wurde Raggis rechte Hand Raffaele Marra, Personalchef der Stadtregierung, wegen Korruptionsverdachts festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen der Bestellung von engen Mitarbeitern der Bürgermeisterin in den Gemeinderat. Die Ermittler durchsuchten Büros der Stadtverwaltung und konfiszierten Dokumente.

Erst vor wenigen Tagen musste die Umweltbeauftragte Paola Muraro, eine weitere enge Vertraute von Raggi, zurücktreten. Gegen Muraro wird wegen Amtsmissbrauchs und Verstößen gegen Umweltgesetze in ihrem früheren Job bei der Müllentsorgungsfirma Ama ermittelt. Ama geriet wegen Missmanagements und Korruption, die in einem Finanzloch von 650 Millionen Euro gipfelten, in die Schlagzeilen.

Als Umweltverantwortliche in der Stadtregierung Raggis hatte sie eine der schwierigsten Aufgaben: Sie sollte die problematische Müllentsorgung in Rom lösen. Rund 660 Kilo Müll produziert jeder Römer pro Jahr. Täglich fallen in der Hauptstadt 5000 Tonnen Müll an. Recycelt wird – mit Ausnahme von Papier und Glas – nichts. Müllberge türmen sich mitten im Zentrum, noch dramatischer ist die Lage in den Vororten.

Müllberge in Nobelvierteln

Schauplatz Balduina – eines der wohlhabendsten Viertel Roms, mit Wohnungspreisen wie in New York. "Sehen Sie selbst, die feinen Damen spazieren auf bröckelndem Teer, bahnen sich ihren Weg zwischen widerrechtlich geparkten Autos auf den Gehsteigen, illegalen Marktständen und fliegenden Händlern. Ganz abgesehen von dem Müll, der überall liegt", empört sich Signore Lino, der seit vierzig Jahren hier lebt, über den "rapiden Verfall" des Viertels. "Solche Szenen habe ich nicht einmal in Kairo gesehen, wenn wir über Wohngebiete sprechen", pflichtet eine Passantin bei. Die Mülltonnen quellen über, Plastiksackerln stapeln sich am Gehsteigrand und überall liegen leere Plastikflaschen und Abfallreste des nahen Marktes.

Im Wahlkampf punktete Raggi mit ihrem zentralen Versprechen, das ewige Müllproblem in der ewigen Stadt zu lösen. Sie verspricht es immer noch: "Das gesamte System der Müllverwaltung in Rom ist völlig verfilzt, es ist eine Sackgasse." Vetternwirtschaft, mafiose Strukturen und Missmanagement machen der Stadt zu schaffen.

Rom gilt als unregierbar und versinkt seit Langem in einem Korruptionssumpf. Die Situation verschärfte sich unter der Führung des rechtsextremen Alemanno. Dann folgte der linke Statthalter Marino, der der Korruption den Kampf ansagte und schließlich wegen eines lächerlichen Vorwurfs aus dem Amt gejagt wurde.

Vor zwei Jahren wurde die Mülldeponie Malagrotta auf Druck Brüssels geschlossen. Die überfüllte, offene Deponie wurde im Volksmund "Roms achter Hügel" genannt. Nun wird ein Teil des Mülls auf der Schiene nach Österreich gebracht und in der EVN Zwentendorf entsorgt.

Ihre Fans halten ihr die Treue

So sehr Virgina Raggi unter Druck gerät, ihre Fans halten zu ihr. In ihrem Heimatviertel, in der Borgata Ottavia, am nördlichen Stadtrand ist die 38-jährige Anwältin beliebt. Hier lebt die Bürgermeisterin mit ihrem achtjährigen Sohn. Als sie sich mit dem Kinderwagen ihren Weg durch die Autoschlangen bahnte, und darüber wie alle römische Eltern verzweifelte, begannen ihre politischen Ambitionen: "Ich dachte, ich muss die Welt verändern."

"Eine Stadt, die seit vierzig Jahren schlecht verwaltet wurde, kann man nicht in sechs Monaten retten", sagt Fünf-Sterne-Wählerin Paola, eine Krankenschwester.

Die römischen Verkehrsbetriebe Atac stehen ganz oben auf der Liste der heruntergekommensten Unternehmen Europas. 600 Busse kommen nie zum Einsatz, Angestellte bringen es laut Gewerkschaft wegen Streiks und Krankmeldungen auf 100.000 Freistunden, Milliarden Euro verschwinden in einem schwarzen Loch. Leidtragende sind die Bewohner, die ewig auf einen Bus warten. Taucht dann endlich ein weinrotes Gefährt auf, befinden sich rätselhafterweise oft gleich mehrere im Schlepptau.

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