Hausarrest und Ausgangssperren in England

Nach den Krawallen wird hart durchgegriffen, auch gegen Aufwiegler im Netz. Die mögliche Überwachung des Mobilfunks stößt auf Widerstand.

Die britische Innenministerin Theresa May peilt eine bedeutsame Gesetzesänderung an: Sie will im Kampf gegen Bandenkriminalität jetzt auch Ausgangssperren ermöglichen. Bisher können Ausgangssperren nur gegen einzelne Verdächtige verhängt werden. Nun ist auch eine Art Hausarrest für Jugendliche im Alter unter 16 Jahren im Gespräch. Im Ministerium werde diskutiert, wie der Polizei entsprechende Werkzeuge an die Hand gegeben werden könnten, so May.

Unterdessen wurde am Dienstag bekannt, dass es bei einer Auseinandersetzung zweier offenbar verfeindeter Gangs in London erneut zu einem Gewaltverbrechen gekommen ist. Ein 17-Jähriger wurde bei dem Streit erstochen. Es ist der neunte Teenager, der in diesem Jahr in London zu Tode gekommen ist, der achte durch Messerstiche.

Die polizeiliche und gerichtliche Aufarbeitung der heftigen Krawalle ist unterdessen in vollem Gange: In London wurde ein 16 Jahre alter Jugendlicher wegen Mordes angeklagt. Er soll für den Tod eines 68-Jährigen verantwortlich sein. Dieser war von Randalierern attackiert worden, als er im Stadtteil Ealing ein Feuer in einem Mülleimer eines Supermarktes löschen wollte. Der Mutter des 16-Jährigen wird vorgeworfen, sie habe die Ermittlungen der Justiz behindert. Auch in den anderen vier Todesfällen während der Krawalle sind die mutmaßlichen Verantwortlichen bereits gefasst worden. Im Zusammenhang mit den Krawallen sind allein in London 1635 Menschen festgenommen worden, 940 wurden angeklagt. Vize-Premier Nick Clegg schlug vor, dass jugendliche Randalierer die von ihnen angerichteten Schäden - als Teil ihrer Strafe - selbst beseitigen sollten.

Anstiftung in Facebook

Auch im Netz geht die Fahndung nach möglichen Tätern weiter. Zwei junge Männer sind wegen Anstiftung zu Randale über das soziale Netzwerk Facebook zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt worden. Die beiden Männer hatten auf Facebook zu Randale und Plündereien in der nordwestenglischen Stadt Northwich aufgerufen. Die Polizei hatte das Schlimmste verhindern können.

Premierminister David Cameron besuchte am Dienstag erstmals den zum Teil verwüsteten Stadtteil Tottenham im Norden Londons. Dort hatten vor fast zwei Wochen die gewalttätigen Auseinandersetzungen in englischen Städten begonnen. Cameron besuchte bis zu 200 Betroffene, die durch Häuserbrände oder Verwüstungen obdachlos geworden sind. "Ich wollte aus erster Hand ein paar von den Dingen hören, die Ihnen widerfahren sind", sagte er zu den Krawall-Opfern.

Mobilfunk-Überwachung

Auch der Mobilfunk der Briten steht zur Diskussion: Cameron hatte davon gesprochen, die Handy-Netze für mögliche Teilnehmer an den Unruhen zu sperren und den besonders unter britischen Jugendlichen beliebten, verschlüsselten Blackberry-Nachrichtendienst abzuschalten. Die Betreiberfirma RIM hatte im Zuge der Unruhen angekündigt, Daten seiner Nutzer, die sich womöglich an den Krawallen beteiligten, an die Behörden weiterzugeben.

Reporter ohne Grenzen (ROG) warnte vor der Überwachung des Mobilfunks. Die Weitergabe von vertraulichen Daten der Nutzer von Blackberry-Handys durch RIM schaffe einen "beunruhigenden Präzedenzfall in einem westlichen Staat", heißt es in einer Aussendung der Wiener Zweigstelle der Organisation.

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