Fall Oliver: Sorgerecht bleibt beim Vater

Fall Oliver: Sorgerecht bleibt beim Vater
Der Bub bleibt beim Vater in Dänemark. Seine Grazer Mutter verlor ein wichtiges Verfahren um den Fünfjährigen.

Chancen gibt es immer." Marion Weilharter hat die Hoffnung, ihren Sohn zurückzubekommen, nicht aufgegeben. Obwohl das Urteil des Bezirksgerichts im dänischen Helsingör einen gewaltigen Rückschlag bedeutet: Das Obsorgerecht von Olivers Vater Thomas Sörensen wird in dem Richterspruch bestätigt. Marion Weilharters Antrag auf Rückführung ihres Sohnes nach Österreich wurde abgewiesen.

Seit fast einem halben Jahr kämpft die 41-Jährige um ihren Buben. Ihr Ex-Freund schnappte sich Oliver Anfang April, als sie ihn in Graz in den Kindergarten bringen wollte und flüchtete mit ihm nach Dänemark. "Oliver geht es sehr schlecht", bangt die Mutter. "Er ist schwer traumatisiert, bekommt keine psychische Hilfe. Er ist wie eine Sache, kein Mensch. Das Recht eines Kindes ist nicht wichtig in Dänemark. Mein Kind wird im Stich gelassen."

Die Rechtslage ist knifflig: Weilharter besitzt in Österreich die alleinige Obsorge, Sörensen jedoch in Dänemark. Beide Elternteile wähnen sich daher im Recht.

Gericht dreht Fall um

Entsprechend fiel auch die Begründung des dänischen Gerichts aus: Nicht Sörensen habe das Kind entführt , sondern Weilharter. Und das bereits vor zwei Jahren.

Als die Grazerin Dänemark im Juli 2010 mit dem damals Dreijährigen verließ, habe sie eine Kindesentziehung begangen. Denn sie hätte Sörensen sechs Wochen zuvor Bescheid geben müssen, dass sie das Land mit dem gemeinsamen Sohn verlassen wolle. Doch der Däne habe erst zwei Wochen nach der Ausreise davon erfahren. Außerdem habe Oliver "die stärksten sozialen und familiären Bande" in Dänemark, urteilte das Gericht weiters.

Politische Entscheidung

Doch die Grazerin gibt ihr Kind nicht auf: Ihre Anwältin Britta Schönhart beruft gegen das Urteil. "Es gab keine Sachverständigenuntersuchung. Es widerspricht allen österreichischen Urteilen." Oliver sei nicht angehört worden. "Es ist eine politische Entscheidung gewesen, keine rechtliche. Gewaltverbrechen an Kindern werden so legalisiert." Sie werde dieses Urteil entschieden bekämpfen und stützt sich auf das Haager Kinderentführungsübereinkommen.

Weilharter selbst nennt das Urteil "nationalistisch": "Als Ausländer hat man in Dänemark keine Chance auf einen fairen Prozess."

Thomas Sörensen indes lässt ausrichten, er sei "ein total glücklicher Mann". Er sei bereit, Weilharter Zugang zum Sohn zu gewähren.

Freies Geleit für Olivers Vater

In Graz wartet kommenden Dienstag ein Strafprozess auf Thomas Sörensen: Die Staatsanwaltschaft klagt ihn wegen des Verdachts der Freiheitsentziehung und der schweren Nötigung an.

Der europäische Haftbefehl gegen den 40-Jährigen ist längst aufgehoben, außerdem hat ihm das Justizministerium freies Geleit zugesichert. Deshalb geht Barbara Schwarz, Sprecherin der Anklagebehörde, auch davon aus, dass Sörensen zum Verfahren nach Graz kommt. "Er muss durch das freie Geleit ja nicht damit rechnen, in Haft genommen zu werden." Was passiert, wenn der Däne den Prozess platzen lässt, sei noch offen.

Geladen sind neben Sörensen als Angeklagtem als Zeuginnen nur noch Marion Weilharter und eine Grazerin. Diese Frau kam am 3. April eben aus der Kinderbetreuungseinrichtung in Graz-Eggenberg, als sie "eine zornige, sich wehrende Kinderstimme" hörte, wie sie im Vorverfahren zu Protokoll ab. "Dann waren da immer lauter werdende, panische Schreie" einer Frau.

Die seien plötzlich verstummt. "Da ich dann keine Kinderstimme mehr hören konnte, habe ich mir nur noch gedacht, da muss etwas Schreckliches passiert sein. Vor meinem geistigen Auge habe ich ein Kind tot auf der Straße liegen sehen, von einem Auto überfahren." Sie habe dann aber eine "schwarze Limousine mit Vollgas und quietschenden Reifen davonrasen" sehen. Dann habe sie eine Frau schreien gehört: "Polizei, mein Kind ist entführt worden!"

Zwei Jahre Streit um Oliver

Der Sorgerechtsstreit um Oliver dauert fast schon zwei Jahre. Heuer kurz vor Ostern hat er sich zugespitzt.

17. Juli 2010 Marion Weilharter verlässt Dänemark und zieht mit Oliver nach Graz.

22. Oktober 2010 Sörensen bekommt in Dänemark das Obsorgerecht.

18. April 2011 Der österreichische Oberste Gerichtshof verweigert Sörensen die Anerkennung seiner Obsorge. In Österreich hat Weilharter das Sorgerecht.

3. April 2012 Marion Weilharter bringt Oliver in den Kindergarten in Graz-Eggenberg. Dort wartet bereits Thomas Sörensen mit einem Begleiter: Sie schnappen Oliver und flüchten.

4. April 2012 Gegen Sörensen wird ein europaweiter Haftbefehl erlassen. Das Fluchtauto wird gefunden.

5. April 2012 Sörensen stellt sich den dänischen Behörden.

8. April 2012 Oliver darf erstmals mit seiner Mutter telefonieren.

11. April 2012 Weilharter beantragt die Rückführung ihres Sohnes bei Gericht.

18. Juni 2012 Der EU-Haftbefehl gegen Sörensen wird aufgehoben.

4. Juli 2012 Die Staatsanwaltschaft Graz bringt den Strafantrag gegen den Dänen ein.

4. bis 6. September 2012 Prozess am Bezirksgericht Helsingör in Dänemark.

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