Eklat um Niqab-Trägerin in Pariser Oper

Im öffentlichen Raum muss das Gesicht zu sehen sein.
Verschleierte und unverhüllte Musliminnen klagen über gegenseitige Anfeindungen.

Wie erst jetzt bekannt wurde, kam es vor zwei Wochen in der Pariser Bastille-Oper, während einer Aufführung der Traviata, zu einem Eklat um eine vollverschleierte Zuseherin. Seit 2011 ist es in Frankreich verboten, „im öffentlichen Raum eine Kleidung zu tragen, die das Gesicht verbirgt“.

Ein Pärchen, Touristen aus einem Golfstaat, hatte in der ersten Publikums-Reihe, gleich hinter dem Dirigenten Platz genommen. Die Dame hatte einen Vollkörper-Schleier, den „Niqab“, angehabt, der auch ihren Mund verbarg. Durch die Life-Aufnahmen vom Orchester, die auf einer Riesenleinwand übertragen werden, sah das Publikum immer wieder die vollverschleierte Dame.

In der ersten Aufführungspause beschwerten sich Chorsängerinnen und drohten mit dem Abbruch ihrer Darbietung. „Ich mag es nicht, Zuseher hinaus zu bitten, aber es gilt das Gesetz, und wir sind ein öffentlicher Dienst“, erklärte der Vizedirektor der Oper, Jean-Philippe Thiellay. Während eines Kulissenwechsels ging ein Platzanweiser zu dem Paar und stellte die Zuseherin vor die Wahl, ihren Schleier abzunehmen oder den Saal zu verlassen. Die beiden verließen daraufhin anstandslos die Vorstellung. „Es gab keine Erregung, alles ging sehr schnell“. Das Paar bestand auch nicht auf einer Rückvergütung dieser sehr teuren Opernkarten.

Klage abgewiesen

Erst im vergangenen Juli hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage einer Niqab-Trägerin gegen das französische Verbotsgesetz abgewiesen. Der Gerichtshof hatte dem Argument des französischen Staats zugestimmt, wonach das Verbergen des Gesichts im öffentlichen Raum das Zusammenleben beeinträchtigen könnte. Allerdings hatten die europäischen Richter vor „negativen Auswirkungen auf die Situation der betroffenen Frauen“ und „islamfeindlichen Äußerungen“ gewarnt.

Seit Inkrafttreten des Gesetztes 2011 wurden knapp über 1000 diesbezügliche Strafmandate verhängt, wobei oft so genannte Wiederholungstäterinnen betroffen waren, also Frauen, die aus Überzeugung die verbotene Gesichtsmaske weitertragen. Die – selten – angewandte Sanktion besteht aus einer Pönale von maximal 150 Euro und einem Staatsbürgerschaftskurs. De facto halten sich die Polizisten eher zurück: in den Pariser Luxuseinkaufsmeilen will man die Golftouristen nicht verscheuchen, in den sozial gebeutelten Vorstädten, will man Zwischenfälle mit muslimischen Jugendlichen vermeiden. Im Vorjahr lösten Polizei-Kontrollen von Nikab-Trägerinnen in Trabantenstädten bei Paris zweimal Unruhen aus.

Die Situation hat sich seither beruhigt, aber der Konflikt schwelt indirekt weiter: so gibt es immer wieder Spannungen in der gesetzlich nicht geregelten Frage, ob Mütter mit islamischem Kopftuch bei Schulausflügen, wie andere Eltern auch, die Kinder mitbeaufsichtigen dürfen. An öffentlichen Schulen sind „demonstrative religiöse Symbole“ seit 2004 verboten.

Anfeindungen

Niqab-Trägerinnen klagen über zunehmende Anfeindungen: sie würden auch von Passanten gemaßregelt („Madame, das ist verboten“) und manchmal beflegelt, wenn ihnen nicht gar der Zutritt zu Geschäften verweigert werde. Umgekehrt klagen muslimische Frauen, die den Kopftuchzwang ablehnen, sie würden in Vierteln, in denen islamische Fundamentalisten das Sagen haben, immer öfter zurechtgewiesen und auch von anderen Frauen als „Ungläubige“ beschimpft. Eine kopftuchlose Frau musste sogar auf Druck männlicher Fahrgäste, die „Allah Akbar“ riefen, einen öffentlichen Bus verlassen.

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