Drogen: Der gute Stoff von Papa Staat

epa03809381 People support the free use of marijuana outside the Representative House in Montevideo, Uruguay, 31 July 2013. The lower house of Uruguay's National Assembly approved the controlled sale of marijuana in a move to aid the country's fight against illegal drugs. The Chamber of Deputies voted by 50 to 46 late on 31 July after a 13-hour session to allow individuals over 18 to buy up to 40 grams of marijuana per month from chemists' shops, or to grow up to six cannabis plants, if they register on a database of users. Marijuana clubs would be allowed 15 to 45 members, and up to 99 cannabis plants. EPA/IVAN FRANCO
In Uruguay gibt es bald Marihuana in der Apotheke. Kommt die Wende in der Drogenpolitik?

Das markante Hanfblatt-Logo in ihrer Auslage macht den zwei „Weed Brothers“ derzeit ganz schön zu schaffen. Ständig hätten sie neue Kunden in ihrem kleinen Laden in der Innenstadt von Montevideo, klagen sie dem Reporter des britischen Observer – und alle hätten nur eine Frage: „Verkaufen Sie schon Marihuana?“Nein, natürlich verkaufen die zwei Brüder kein Marihuana, sondern lediglich das für diese Geschäfte übliche Kiffer-Zubehör. Und so wie es in Uruguay derzeit politisch aussieht, wird es Marihuana auch demnächst nicht bei ihnen geben, sondern in der Apotheke nebenan. Falls die eine staatliche Lizenz besitzt. So sieht es das Gesetz vor, das vor wenigen Tagen vom Unterhaus des Parlaments abgesegnet worden ist: 40 Gramm Marihuana pro Monat darf sich der Besitzer eines amtlichen Kiffer-Ausweises kaufen, aus staatlich kontrollierter Produktion. Alternativ dazu ist auch der streng kontrollierte Eigenbau, oder aber die Mitgliedschaft in einem Kiffer-Club möglich.

Mutiges Experiment

Drogen: Der gute Stoff von Papa Staat
Es ist ein mutiges Experiment, das die linke Regierung des Landes gestartet hat. Das Ziel ist es laut Staatspräsident Jose Mujica, die Drogenkriminalität in den Griff zu kriegen. Das kleine Uruguay könne so zum Modellfall für ganz Lateinamerika und vielleicht darüber hinaus werden: „Wir bitten die internationale Gemeinschaft, dass sie uns hilft, dafür bekommt sie ein lebendes Labor, von dem man lernen kann.“ Noch ist die Bevölkerung skeptisch. Überzeugt von der Reform aber zeigt sich Hannah Hetzer von der DPA, einer US-Bürgerrechtsgruppe, die für eine neue, liberalere Drogenpolitik eintritt: „In ganz Lateinamerika herrscht Frustration über den erfolglosen, von den USA forcierten Krieg gegen die Drogenkartelle. Das ist der erste Schritt in eine neue, sinnvollere Anti-Drogenpolitik.“Die Liberalisierung, so das Kalkül der in Uruguay stationierten Aktivistin, würde die Drogenkartelle um ihre Einnahmen aus dem Marihuana-Handel bringen: „Da fehlt plötzlich eine Menge Geld in den Taschen der Dealer.“ Außerdem würden Zehntausende Drogenkonsumenten nicht mehr sinnlos kriminalisiert: „Es hat keinen Sinn, gegen die Konsumenten polizeilich vorzugehen. Wir müssen uns auf die konzentrieren, die damit das große Geld machen.“

Harte, repressive Drogenpolitik und strengere Gesetze hätten noch in keinem Land den Drogenkonsum reduziert.Das Modell Uruguay beginnt in Lateinamerika Schule zu machen. So wird in Mexiko eine Legalisierung ebenfalls heftig diskutiert, Ex-Präsident Vicente Fox macht sich dafür stark, und in der Hauptstadt Mexiko-City will der Bürgermeister sein Parlament schon in den kommenden Wochen darüber abstimmen lassen. Auch in Guatemala und Kolumbien treten die Staatschefs offen dafür ein, Marihuana-Konsum unter staatliche Aufsicht zu stellen.

Boliviens Präsident Evo Morales stellt sich mit seinem Kampf für eine Legalisierung des in seinem Land traditionellen Konsums von Coca-Blättern frontal gegen die von den USA, aber auch von der UNO verordnete Drogenpolitik. Beim UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in Wien ist man über die Entwicklung besorgt. „Das Gesetz würde den internationalen Verträgen zur Drogenkontrolle widersprechen“, heißt es in einem Statement, zudem könnte es ernsthafte Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung haben. Man sei enttäuscht, dass Uruguay die UNO nicht zu Rate gezogen hat, so der Präsident des Suchtstoffkontrollrats, Raymond Yans.

Die Liberalisierung von Suchtmitteln spaltet auch Österreich. Sowohl politische Vertretungen, als auch Gesundheitseinrichtungen sehen Argumente für und gegen das Recht auf Rausch. Nicht nur die Frage nach der zunehmenden Kriminalität, sondern vor allem die Sorge um die steigende Anzahl von Drogenkonsumenten und -abhängigen beschäftigt die Experten.

Laut Drogenbericht 2012 sind Opiate für die meisten Krankheitsfälle verantwortlich, Marihuana kommt gleich dahinter. Auch die Anzahl der Anzeigen und Verurteilungen im Zusammenhang mit Suchtmitteln ist weiter angestiegen. Mit einer Gesetzesänderung in Österreich wären die Einnahme und der Besitz von Rauschgift kein illegaler Akt mehr. „Die Kriminalität per se würde also nicht steigen. Aber die Anzahl der Menschen, die Drogen konsumieren, würde steigen“, sagt Prof. Reinhard Haller, Chefarzt der Suchtklinik Maria Eben in Vorarlberg. Drogen an sich würden aber nicht kriminell machen. Die perfekte Strategie gegen den Drogenmissbrauch gebe es nicht: „Es gibt keine Lösung nur Regulierung.“

Effektive Maßnahmen

Für das Gesundheitsministerium stehen Hilfe und Prävention zum Thema Drogen im Vordergrund. Für das Jahr 2011 wurden österreichweit 177 tödliche Überdosierungen bestätigt. Alleine in Wien sind seit 2002 über 800 Menschen an den Folgen von Suchtgift gestorben. Ein Drittel davon jünger als 25 Jahre.

Bei der Suche nach einer Langzeitlösung bemüht man sich in Österreich vor allem den bewährten Weg der „Therapie statt Strafe“ weiterzuführen und auszubauen. 2011 befanden sich schon knapp 17.000 Menschen in Substitutionsbehandlung. Das ist etwa die Hälfte aller Menschen mit problematischem Opiatkonsum. Zunehmende Flexibilisierung, Verkürzung der Behandlungsdauer und Integration verschiedener Suchtformen sind die Trends in der Suchtbehandlung.

Gesetzeslage

Den zentralen Rahmen der österreichischen Drogenpolitik bildet das Suchtmittelgesetz. Es unterscheidet nach Menge und nicht nach Art des Suchtgifts. Das Strafausmaß ist stark vom Einzelfall abhängig und kann sehr unterschiedlich ausfallen. Aktuell darf man Suchtmittel nur für medizinische und wissenschaftliche Zwecke erzeugen oder besitzen und nur in von dem Gesetz vorgegebenen Maßen. Sogar der Besitz von kleinsten Mengen (z. B. die Tagesdosis für den Eigenverbrauch) gilt nach dem Gesetz als Offizialdelikt.

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