Aufgeputscht in den "Endsieg"

Blitzkrieg in Frankreich: Rommel mit seinen Offizieren auf dem Vormarsch. Wurde der durch Unmengen von Aufputschmitteln beschleunigt?
Hitlers prominenteste Generäle waren chronisch high, ebenso wie einfache Soldaten.

Hitlers Helfer, Hitlers Henker, Hitlers Hunde: Zum Thema "Hitler" ist eigentlich schon alles gesagt worden – könnte man denken. Doch ein paar ungelüftete Geheimnisse gibt es noch. Zum Beispiel Hitlers Drogenkonsum. Dieser Thematik hat sich vor kurzem der deutsche Schriftsteller Norman Ohler in seinem populärwissenschaftlichen Werk "Der totale Rausch. Drogen im Dritten Reich" gewidmet. Was er skizziert, rüttelt an der gängigen Geschichtsschreibung.

Crystal Meth

Geht es nach Ohler, hat Deutschland eine blühende Drogenvergangenheit. Morphium, Kokain und Heroin wurden anfangs des 20. Jahrhunderts von deutschen Pharmazeuten hergestellt. Mit der Machtübernahme der NSDAP wurde eine Droge nach der anderen verboten. Süchtige wurden dem kranken Teil des "deutschen Volkskörpers" zugeordnet, zwangssterilisiert, interniert und getötet.

Überzeugte Nationalsozialisten nahmen also keine Drogen? Das stellt Ohler infrage. Er schreibt: "Pervitin ermöglichte dem Einzelnen das Funktionieren in der Diktatur. Nationalsozialismus in Pillenform."

Pervitin hatte denselben Wirkstoff wie "Crystal Meth", das vor allem durch die US-Serie "Breaking Bad" bekannt wurde: extrem aufputschendes Methamphetamin. Die deutsche Mutter griff zur methhaltigen "Hildegard-Praline" und die Hausarbeit erledigte sich im Nu. Der deutsche Soldat naschte tablettiertes Pervitin, um an der Front länger wach sein zu können. "Ein hervorragendes Mittel zum Hochreißen einer ermüdeten Truppe", konstatierte Oberfeldarzt Otto Ranke. Vor allem im Westfeldzug gen Frankreich, 1940, soll es zu vermehrtem Einsatz von Pervitin gekommen sein.

Im totalen Drogenrausch: Erwin Rommel, General der 7. Panzerdivision. Ein nimmermüd’ vorwärts rollender Rommel als Speerspitze der deutschen Streitmacht: "Jegliches Gespür für Gefahren ließ er missen – ein typisches Methamphetamin-Symptom bei zu hohem Konsum", schreibt Ohler.

Auch bei Hitler, Vegetarier und Antialkoholiker, verortet Ohler Drogenmissbrauch. Vor allem nach einem Ruhranfall im August 1941, soll Hitler regelmäßig von Leibarzt Theo Morell fitgespritzt worden sein. Die Wunderspritzen hätten auch Methamphetamine enthalten.

Arnd Bauerkämper, Historiker vom Berliner Friedrich-Meinecke-Institut, relativiert Ohlers Ausführungen: "Man sollte den Einfluss von Drogen auf Adolf Hitlers Gemüt nicht überschätzen." Die Wahrnehmung des Reichskanzlers sei ohnehin getrübt gewesen. Außerdem dürfe man sich nicht nur auf Hitler fixieren, wenn man von den Gräueltaten des NS-Regimes spreche. Doch auch Bauerkämper meint: "Gerade in der Spitze der NS-Führung hatten einige Personen Drogenprobleme. Ein gutes Beispiel ist Hermann Göring." Von einer systemischen Anwendung will Bauerkämper aber nicht sprechen.

In den deutschen Feldzügen sei Pervitin natürlich ein Thema gewesen, "man muss die Wirkung aber nicht überziehen. Auch die amerikanischen Truppen haben Aufputschmittel verwendet", sagt Bauerkämper. Er stuft Ohlers Werk als historische "Sekundärliteratur" ein, da dieser bei seiner Argumentation auf seriöse Befunde zurückgreife. Dennoch: In erster Linie warnt Bauerkämper davor, Drogen in der NS-Zeit eine zu hohe Bedeutung zu geben. Zu "Der totale Rausch. Drogen im Dritten Reich" konstatiert er: "Die Interpretation ist überzogen. Aber Drogen, NS, Hitler, das ist natürlich spektakulär."

Kommentare