Die 100-Milliarden-Dollar Häftlinge
Der Warren Buffet von Arabien, Prinz Al-Walid bin Talal hat in wenigen Tagen mindestens zwei Milliarden Dollar verloren. Der reichste Saudi sitzt seit gut einer Woche im Hotel Ritz Carlton in Riad fest. Im nobelsten Gefängnis der Welt, das der junge Kronprinz Mohammed bin Salman binnen eines Tages räumen ließ, ist Al-Walid die schillerndste Gestalt. Und das bedeutet in dieser wohlbetuchten Runde viel: Insgesamt 100 Milliarden Dollar sollen die Gefängnisinsassen zusammen besitzen. Zum größten Teil handelt es sich bei ihnen um die missliebige Verwandtschaft des 32-jährigen Kronprinzen, dutzende ehemalige Minister, Gouverneure, Spitzenbeamte, Militärs, Geistliche und einflussreiche Geschäftsleute. Es wirkt, als handle es sich dabei um Al-Walids Gefolgschaft. Der 62-jährige Enkel des Staatsgründers Abd al-Aziz Ibn Saud, welcher übrigens zirka 8000 direkte männliche Nachfahren hat, gilt als schärfster Konkurrent des machthungrigen Kronprinzen – auch oder vor allem deshalb, weil er ihm offenbar sehr ähnlich ist.
Al-Walid war gerade dabei, die größte Privatstiftung der Welt aufzubauen, die mit geplanten 32 Milliarden Dollar Privatkapital selbst Bill und Melinda Gates Stiftung ein bisschen arm hätte aussehen lassen.
Damit hätte Al-Walid die Macht an sich reißen können und vermutlich auch wollen. Die Feindschaft zum 32-jährigen Kronprinzen ist Schritt für Schritt gewachsen. Prinz Al-Walids Vater, der bislang mächtige Prinz Talal, hatte 2015 nach dem Tod des damaligen Herrschers Abdullah mit nur drei weiteren Mitstreitern gegen die Thronbesteigung König Salmans gestimmt und hätte damit den raketengleichen Aufstieg von dessen ungestümen Sohn verhindert.
Al-Walid gilt auch als ausgewiesener Feind von Donald Trump, den er im US-Wahlkampf als "Schande" bezeichnet hatte. Dass König Salman diesen in Riad hofierte, stieß ihm sauer auf. Der Frauenheld Al-Walid stand für die Modernisierung Saudi Arabiens und wollte das Königreich durch eine Demokratie ersetzen. Dem Handelsblatt sagte er: "An freien Wahlen führt auf Dauer kein Weg vorbei." Außerdem hält er große Stücke auf gut ausgebildete Frauen, die er für die besseren Mitarbeiter hält. Seine Belegschaft ist zu zwei Drittel weiblich. Der Herr über eine ganze Flugzeugflotte beschäftigt selbstverständlich auch Pilotinnen und hält außerhalb Saudi Arabiens wenig von Vollverschleierung. Er war übrigens der erste Privatmann, der im Oktober 2007 einen Airbus 380 gekauft hat. Auch in seine kleineren Jumbos muss aber ein Rolls Royce passen.
Es geht ums Ego
Als mächtigster Unternehmer Saudi Arabiens provozierte Al Walid zuletzt auch mit dem im Bau befindlichen höchsten Gebäude der Welt in Jeddah (mehr als 1.000 Meter hoch hätte es den Burj al Khalifa in Dubai mit 828 Metern ablösen sollen). Der Mega-Wolkenkratzer darf jetzt nicht mehr Kingdom Tower heißen, sondern wird auf Jeddah Tower herunter gestuft. "Da geht es nur ums Ego", erklärte Al-Walid dem Handelsblatt seine Baupläne. Außerdem steige der Wert des Landes drumherum. "Und wir besitzen in der Nähe des Turms viel Land."
Trotz der zunehmenden Feindschaft zu Salman dürfte sich der Multimilliardär in Saudi-Arabien sicher gefühlt haben. Kurz vor seiner Verhaftung soll er noch einen Journalisten aus den USA nach Riad eingeladen haben.
Die Verhaftungswelle wurde offenbar so geheim und akribisch geplant, dass Al-Walid dem Kronprinzen in die Falle ging. Die Flucht war ausgeschlossen, denn Mohammed bin Salman hatte sicherheitshalber die Flughäfen der Hauptstadt Riad und der Hafenmetropole Jeddah für Privatflieger gesperrt. Wie es für Al-Walid weiter geht, ist völlig unklar – bei Wasser und Brot dürfte er jedoch nicht auf sein Schicksal warten müssen.
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