Der Held auf Nizzas Promenade

Blumen entlang der Promenade des Anglais - im Gedenken an die 84 Todesopfer von Nizza.
Ein Mopedfahrer bremste die Lkw-Terrorfahrt und verhinderte so noch mehr Tote.

Auf einer Video-Aufnahme ist er zu sehen: Ein Mopedfahrer, der dem weißen Lkw auf Nizzas Promenade des Anglais hinterherrast, ihn einholt und schließlich auf das fahrerseitige Trittbrett des 19-Tonnen schweren Kühlwagens springt. Dann wusste man eine Woche lang nichts von jenem unbekannten Helden, der todesmutig versucht hatte, den Attentäter Mohamed Lahouaiej Bouhlel am Steuer aufzuhalten. War er ebenso wie die 84 Toten und mehr als 200 Verletzten dieser Schreckensfahrt überrollt worden?

Der Held auf Nizzas Promenade
©PHOTOPQR/NICE MATIN ; Franck, employé à l'aéroport de Nice, est l'un des témoins principaux de l'attentat de Nice du 14 juillet. Il a tenté de stopper le conducteur du camion qui a foncé sur la foule de la Promenade des Anglais à Nice après le feu d'artifice. - Franck, tried to stop the truck the night of the 14th of July 2015 during the terrorist attack in Nice **EXCLUSIVE PICTURES *** **NO WIRE** |
Reporter der Tageszeitung Nice Matin haben den Mann nun gefunden, leicht verletzt und noch immer schwer traumatisiert vom größten Blutbad, das die Küstenstadt seit Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt hat. Der 49-jährige Vater eines Sohnes, Angestellter am Flughafen in Nizza, war mit seiner Frau auf dem Moped Richtung Promenade unterwegs, als sie plötzlich auf schreiende und in Panik davonrennende Menschen stießen "Ich hatte nicht einmal Zeit, in den Rückspiegel zu schauen", schildert Franck. "Ich sehe noch die Bilder von Körpern, die überall herumflogen."

Den Sohn retten

Er hatte seine Frau absteigen lassen und raste dem Lkw hinterher. Franck hatte nur einen Gedanken: Sein Sohn war auf dem nahe gelegenen Platz Massena. Ihn wollte er retten. "Das gab mir die Kraft und den Mut, alles zu tun."

Um den Lkw zu erreichen, musste Franck Slalom fahren, zwischen Passanten, Verletzten und Toten. Was auf Videoaufnahmen aussieht, als wäre er auf seinem Motorrad gestürzt, beschreibt Franck als bewusste Entscheidung, vom Fahrzeug zu springen und dem Wagen hinterherzulaufen. "Ich erinnere mich, dass ich gestürzt bin, aber sofort wieder auf den Beinen und hinterher war, wie ich das geschafft habe, das weiß ich selbst nicht mehr." Dann sprang Franck auf, krallte sich am verriegelten Türgriff fest und schlug mit seiner linken Hand durch das offene Fenster auf den Attentäter ein. "Ich schlug und schlug und schlug auf sein Gesicht."

Ein zweiter Held

Mohamed Lahouaiej Bouhlel zuckte nicht. Er hatte noch immer eine Pistole in der Hand, denn schon wenige Momente zuvor war ein 31-jähriger Mann aus Nizza auf den Lkw gesprungen. Dieser ließ allerdings wieder los, nachdem der Attentäter auf ihn gezielt hatte. Bei Franck zögerte der Fahrer nicht länger – er drückte ab, doch die Waffe blockierte. Daraufhin schlug der Attentäter Franck mit der Pistole auf den Kopf. Dieser verlor das Bewusstsein und fiel vom Wagen – in diesem Moment feuerten drei Polizisten auf den Lkw-Fahrer und töteten ihn.

Die Polizei geht davon aus, dass Francks beherztes Eingreifen den Attentäter gezwungen hat, zu verlangsamen, was wiederum den Polizisten das Eingreifen erleichtert hatte – und eine Fortsetzung der Todesfahrt Lahouaiej Bouhlels verhindert hat.

Nach jüngsten Ermittlungserkenntnissen soll der 31-jährige gebürtige Tunesier seinen Todeszug schon seit vielen Monaten ins Auge gefasst haben. Dies belegen Bilder auf seinem Handy und auf seinem Computer gespeicherte Zeitungsartikel. Gegen fünf mutmaßliche Komplizen des Attentäters wurde Untersuchungshaft verhängt.

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