Das Wetter wird immer extremer

Das Wetter wird immer extremer
Der Klimawandel ist greifbar geworden: Ein früher Wintereinbruch, Temperaturextreme und Schäden in Millionenhöhe.

Auf die Menschen in den exponierten Regionen Österreichs kommen unruhige Zeiten zu", so warnt Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, 64, vor den Auswirkungen des mittlerweile für alle spürbaren Klimawandels.

Die international renommierte Wissenschaftlerin ( Konrad-Lorenz-Preis, Wissenschaftler 2005) kritisiert die aktuelle Politik massiv: "Die Entscheidungsträger wissen von den anstehenden Problemen, ignorieren sie aber. Diese Reaktion ist erbärmlich. Ohne einer Katastrophe wird die Politik so weitermachen wie bisher."

Rekordschäden 2012

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Regionale Katastrophen sind im vergangenen Sommer bereits eingetreten. Die steirische Gemeinde St. Lorenzen wurde im Juli nach Unwettern von Wasser- und Schlammmassen überrollt. Bis zu sieben Zentimeter große Hagelkörner und Starkregen zogen durch die Südoststeiermark, Teile Tirols, Nieder- und Oberösterreichs, den Salzburger Pongau und Pinzgau sowie durch Ostösterreich eine Schneise der Verwüstung. Neben Gebäudeschäden wurden Obst- und Gemüseernten vernichtet. Hunderte Bauern stehen vor dem Ernte-Ruin. An die 200.000 Hektar Agrarfläche fielen den Wetterkapriolen zum Opfer. Schäden an der Infrastruktur – Straßen, Brücken, Gleiskörper, geknickte Strommasten – kletterten 2012 auf Rekordniveau.

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Laut aktuellen Studien der ZAMG könnten die Winter der Zukunft – auch wegen der geringeren Meereseis-Ausdehnung um den Nordpol – in Mitteleuropa immer frostiger werden. Die Ursachen für die "Sibirische Kältepeitsche" liegen in den sich bildenden Hochdruckgebieten über Russland. Diese steuern kalte Luft nach Mitteleuropa. In Gebirgstälern können sich Kälteseen mit bis zu minus 30 Grad bilden. In den Niederungen sind punktuell minus 20 Grad möglich.

Wie sehr der Klimawandel Österreich 2012 betrifft, zeigen auch die Statistiken (siehe Grafik): Höchstwerte bei den Niederschlägen im Juni und Juli, ein erschreckender Rückzug der Gletscher und Hitzerekorde in acht Landeshauptstädten. Das Wetter wird offensichtlich extremer.

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Auch Pflanzen (Erdäpfel, Sommergerste, Hirse, Futtererbse, Weintrauben, Obst sowie Weizen) leiden unter den Sahara-Temperaturen. "Hitze löst Stress aus. Es wird mehr Wasser verdunstet, Ertrag und Qualität leiden", bestätig Ferdinand Lembacher von der nö. Landwirtschaftskammer Ernteeinbrüche von 20 Prozent im Jahr 2012.

Der Klimawandel – ausgelöst durch -Ausstoß, Erwärmung der Ozeane und Gletscherschmelze – spielt auch Schädlingen wie Insekten und Pilzen in die Karten. Lembacher: "Hatten wir vor Kurzem ein bis zwei Schädlings-Generationen im Jahr, sind es jetzt bis zu drei."

Bauer hat Versuchslabor am Feld

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Jammern ist nicht schwer. Andreas Patschka versucht lieber, Lösungen zu finden. Der Biobauer aus Aspersdorf bei Hollabrunn erlebt den Klimawandel hautnah. "Die Ackerfrüchte leiden seit den vergangenen Jahren. Und bei den Futtererbsen gab es Landstriche mit Komplett-Ausfällen."

Weniger Regen und frühe Hitze – das führt auch in der Landwirtschaft zu einem Umdenken. Patschka sucht gemeinsam mit der Bioforschung Austria, der AGES (Agentur Gesundheit für Ernährungssicherheit, Anm.) und der BGA (Bio-Getreide Austria) nach Alternativen. Eine davon könnten neue Kulturen sein. "Die Futtererbse hatte große Probleme wegen der extrem hohen Frühsommer-Temperaturen. Bei 30 Grad im April bekommt die Pflanze einen Hitzestress und wird anfällig für Schädlinge und Krankheiten", erklärt Patschka. Darum stellte er auf die Winterwicke um – die kann genauso als eiweißhaltiges Futtermittel verwendet werden und bindet Stickstoff im Boden.

Aber auch Mischkulturen sind ein Thema. "Für die kommende Ernte haben wir eine Wicken-Roggen-Mischung kreiert. Das ist ganz neu." Ausgetestet hat Patschka diese Mischung auf einer seiner 100 Test-Parzellen. Ab diesem Jahr wird das Erntegut in größerem Umfang in den Handel kommen.

Zeitpunkt Aber auch der Anbauzeitpunkt wird künftig eine große Rolle spielen, ist der Bauer überzeugt. "Da wird man überlegen müssen, manche Kulturen verstärkt im Herbst anzubauen. Damit kann die Winterfeuchtigkeit besser genutzt werden, was eine frühere Reife ermöglicht."

Eine Lösung hat Patschka bereits für sich gefunden: die Biolandwirtschaft. "Bei der heurigen Trockenheit gab es den direkten Vergleich. Der Weizen auf den Bioflächen hat die Trockenheit bis zu zehn Tage länger ausgehalten als auf konventionellen Flächen. Intakte Böden kommen mit Klimasprüngen besser zurecht."

Nach Katastrophe: NÖ-Bürgermeister droht Anklage

Früher war ich gern in der Natur und habe mir Bäume angesehen. Jetzt will ich sie gar nicht mehr anschauen," sagt Bürgermeister Alfred Bergner.

Auch drei Monate nach der Sturm-Katastrophe in Pöchlarn, NÖ, bei der zwei Teilnehmer eines Ritterfestes ums Leben kamen und mehrere Personen schwer verletzt wurden, kämpft der Politiker mit der persönlichen Aufarbeitung der Ereignisse.

Orkanartige Böen waren durch den Schlosspark gefegt, Äste stürzten auf die Besucher. "Keiner konnte vorhersehen, dass das Unwetter mit einer derartigen Wucht auf den Park trifft. Vielleicht ist auch der Klimawandel an diesen Stürmen schuld", sucht Bergner nach Erklärungen.

Ausgestanden ist das Unglück für die Verantwortlichen, also die Gemeinde, noch lange nicht. Es steht die Frage im Raum, ob das Drama nicht hätte verhindert werden können. Der Todesbaum wurde schon unter die Lupe genommen, derzeit wird ein meteorologisches Gutachten erstellt. Außerdem fehlt noch der Abschlussbericht der Polizei. Dann fällt die Entscheidung, ob es zu einer Anklage kommt.

Erwärmung: In Tirol wächst wieder der Wein

Was bis vor 20 Jahren undenkbar war, erfährt mit der Klimaerwärmung neuen Aufwind: Der Weinbau in Nordtirol.

"Seit zehn, 15 Jahren reifen in geschützten Lagen Rebsorten, wie der Chardonnay", berichtet Peter Zoller. Natürlich müssen es noch immer früh reifende Sorten wie auch Müller Thurgau oder Weißburgunder sein, erklärt der Obmann des 2011 gegründeten Tiroler Weinbauverbandes. Ein Grüner Veltliner hätte wegen seiner langen Reifeperiode noch immer keine Chance. Auch Standort, Boden und Kleinklima müssen stimmen. "In Innsbruck wirkt sich etwa der Föhn positiv aus."

Urkunden belegen, den Weinbau gab es in Nordtirol bis ins 13. Jahrhundert. "Im Mittelalter war es noch wärmer als jetzt. Da gab es Wein sogar bei Kitzbühel und im Ötztal bis Umhausen." Um Innsbruck ließ Kaiser Maximilian Weingärten anlegen. 80 Hektar schätzt man, sollen es gewesen sein. Mit der kleinen Eiszeit um 1700 ging das Wissen verloren.

Heute werden Reben auf sechs bis sieben Hektar kultiviert. Dennoch glaubt Zoller, dass Tropfen aus Nordtirol wohl von regionaler Bedeutung bleiben: "Es gibt zu wenige Flächen, auf denen es Sinn macht."

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