120. Geburtstag von Mao: Huldigung eines Despoten

Studenten mit dem bekanntesten Porträt des großen Führers.
Mao Zedongs runder Geburtstag wird groß gefeiert – kritische Töne sind dabei unerwünscht.

Künstliches Blut spritzt übertrieben grotesk in die Luft. Zwei Dutzend Schauspieler liegen im Sand und feuern mit Platzpatronen auf ihre Gegner. Das Bürgerkriegs-Spektakel im chinesischen Yanan erinnert an deutsche Karl-May-Festspiele. Doch statt Winnetou und Old Shatterhand sind Mao Zedong und sein Gegner Chiang Kai-Schek die zentralen Figuren.

„Mich bewegt die Aufführung, Mao Zedong war ein großer Mann, er hat für China gekämpft und nach der Revolution den Bauern Land gegeben“, sagt diese Chinesin, die in einen dicken Schal gehüllt im Freien auf einer der Holzbänke fröstelt. „Wir Chinesen verdanken ihm, dass wir heute besser leben.“

Große Gesten

120. Geburtstag von Mao: Huldigung eines Despoten
A paramilitary police officer spreads the Chinese national flag out during a flag-raising ceremony in front of a portrait of the late chairman Mao Zedong at Beijing's Tiananmen Square, November 11, 2013. China's leaders will unveil a reform agenda for the next decade on Tuesday, seeking to balance the need to overhaul the world's second-largest economy as it loses steam with preserving stability and to reinforce the Communist Party's power. Picture taken on November 11, 2013. REUTERS/Jason Lee (CHINA - Tags: POLITICS BUSINESS)
Pappmaschee-Panzer rollen auf der Freilichtbühne hin und her, die Laien-Darsteller spielen mit übertrieben großen Gesten. Die gesamte Aufführung wirkt ungewollt trashig. Doch das stört kaum einen der eher anspruchslosen Zuschauer. Sie amüsieren sich und lachen herzlich. Jedes Mal, wenn Mao Zedong auftritt, klatschen die Besucher erstaunt in die Hände.

Die anderthalbstündige Polit-Show findet in Yanan in der Provinz Shaanxi statt, rund 800 Kilometer von Peking entfernt. 400 Personen sind an der Produktion beteiligt. Wegen des politischen Propaganda-Effektes werden Reisen nach Yanan aus dem Staatssäckel gesponsert. 400.000 Touristen jährlich besuchen die Aufführung. Denn Yanan zählt zum Gründungsepos der Volksrepublik unter Mao Zedong.

In den 1930er- und 1940er-Jahren bot der Ort den Kommunisten eine wichtige Basis. Hier, inmitten abgelegener Berge, wurden die künftigen Strukturen von Chinas Staat und Partei entwickelt.

Mao Zedong hat in Yanan zum Beispiel viele politische Ideen ausgearbeitet und seinen Anhängern vermittelt“, erklärt der Historiker Zhen Shu, der an Pekings Zentraler Parteischule aufstrebende Funktionäre in kommunistischer Geschichte unterrichtet. „Auch die Nachrichtenagentur Xinhua wurde in Yanan gegründet und sogar ein eigenes Propagandaradio. In Yanan lebten in den 1930er-Jahren fast 100.000 Anhänger, auch viele Künstler und Intellektuelle sind in die sogenannte befreite Zone gekommen. Es herrschte eine Atmosphäre des Aufbruchs und des Neuanfangs.“

Als Bauernsohn an die Spitze

Mao Zedong wurde am 26. Dezember 1893 als Bauernsohn in der Provinz Hunan geboren. Als junger Mann war er bei der Gründung von Chinas Kommunistischer Partei dabei, während des Bürgerkrieges in den 1930er-Jahren kam er an die Spitze der kommunistischen Bewegung.

1949 rief er schließlich die Volksrepublik China aus und verwandelte das Land schon kurz darauf in einen sozialistischen Staat. Doch parallel dazu verfolgt er Andersdenkende und Intellektuelle.

Mao Zedong war ein Machtmensch und hat vieles nur getan, um seine Stellung zu festigen“, sagt etwa der kritische Historiker Zhang Lifang: „ Er hat die Kulturrevolution losgetreten, weil viele Chinesen unzufrieden waren, kurz zuvor waren ja so viele an Hunger gestorben. Lehrer und Intellektuelle wurden auf offener Straße geschlagen und gedemütigt. Ich selbst habe als kleiner Junge sehr viel Blut gesehen. Mao Zedong ging es vor allem um sich selbst.“

Unter den Teppich

In China selbst werden die dunklen Seiten unter den Teppich gekehrt. Mindestens dreißig Millionen Chinesen waren in der Ära Maos umgekommen. Von kritischer Aufarbeitung keine Spur. „Kein Mensch ist ohne Fehler“, sagt denn auch die 63-jährige Frau Li Na Sung, eine Chinesin, die ausspricht, was viele denken. „Eigentlich wollte er immer das Richtige.“ Sein Porträt thront über dem Eingang zum alten Kaiserpalast, es ist auf allen Geldscheinen gedruckt.

Doch sechs Jahrzehnte nach Gründung der Volksrepublik zerfällt China immer mehr in arm und reich, oben und unten, Stadt und Land. Die Partei braucht Mao Zedong mehr denn je, gerade auch wegen der Korruption und des Machtmissbrauchs in den eigenen Reihen.

Mao soll Chinas heutigen Funktionären Legitimität verleihen“, sagt Historiker Zhang Lifang. „Der Vater des jetzigen Staatschefs Xi Jinping war zum Beispiel ein alter Gefährte von Mao Zedong, das wird jetzt wieder betont. Auf diese Weise verankert man Xi Jinping in der Tradition der Kommunistischen Partei und stellt eine direkte Verbindung von Mao zum Heute her.“

Drahtseilakt

Auch rund um den 120. Geburtstag von Mao wird die Volksrepublik diese historische Linie ziehen. Die Kommunistische Partei muss gleichzeitig einen Drahtseilakt vollbringen. Denn während Mao-Anhänger seinen Geburtstag am liebsten zu einem Nationalfeiertag umwidmen würden, fordern andere auch eine distanziertere Würdigung.

Einen ersten Erfolg konnten die nüchternen Kritiker immerhin schon erreichen. Eine ursprünglich geplante, hundertteilige Fernsehserie zum Leben Mao Zedongs wurde wieder aus dem Programm gekippt.

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