Aus der Hölle der Boko Haram entkommen

Zwei von mehr als 200 entführten Mädchen wurden gerettet – die Eltern der anderen Kinder hoffen nun wieder.

Dass die mit Stöcken und Speeren bewaffneten Männer einer Bürgerwehr ihre Retter sein würden, konnte Amina Ali Nkeki nicht ahnen. Zitternd versteckte sich das 19-jährige Mädchen im Gebüsch, sein vier Monate altes Baby im Arm. Kurz zuvor war Amina aus einem Lager der islamistischen Boko-Haram-Milizen geflohen, nachdem nigerianische Soldaten dort angegriffen hatten.

Die freiwilligen Wächter holten eine schwer verschreckte junge Mutter aus dem Unterholz – und stellten bald fest: Amina ist eines jener 219 Mädchen, die vor mehr als zwei Jahren von dschihadistischen Boko-Haram-Kämpfern direkt aus ihrer Schule im Ort Chibok entführt worden waren. Sie ist die Erste seit April 2014, die den Terroristen entkam.

Am Donnerstag wurden bei einer Armee-Offensive im riesigen Sambisa-Wald (im äußersten Nordosten Nigerias) weitere hundert Geiseln, alles Frauen und Kinder, aus der Gewalt der Boko Haram befreit. Unter ihnen: ein zweites Mädchen aus der Chibok-Schule. Bei ihr dürfte es sich um die 17-jährige Tochter eines Pastors handeln.

Massen-Entführungen

Die Befreiung der beiden Mädchen gibt den mehr als zweihundert Eltern, die verzweifelt auf ein Lebenszeichen ihrer Töchter warten, wieder Hoffnung. Amina soll bereits wichtige Angaben über den Verbleib der restlichen Mädchen gemacht haben. Offenbar dürften die meisten in mehreren Lagern der Terroristen im Sambisa-Wald gefangen gehalten werden. Das riesige, unzugängliche Gelände gilt als Rückzugsgebiet der Boko Haram ("westliche Erziehung ist Sünde").

In den vergangenen zwei Jahren haben Boko-Haram-Kämpfer an die 2000 Frauen und Mädchen entführt. Viele von ihnen dürften als Sexsklavinnen missbraucht werden, andere werden mit Boko-Haram-Anhängern zwangsverheiratet. In nur wenigen Jahren haben die Terroristen der Boko Haram rund 20.000 Menschen ermordet und über eine Million in die Flucht getrieben.

Auch Amina musste die Ehe mit einem Kämpfer eingehen. Bei ersten Befragungen durch Ärzte, Psychologen und Militärs erzählte die schwer unterernährte junge Frau, dass mindestens sechs ihrer Schulkolleginnen aus Chibok umgekommen seien. Einige von ihnen staben im Kindbett, andere wurden bei Kämpfen zwischen Boko Haram und dem Militär getötet.

Nur kurz konnte die 19-Jährige ihre Mutter in die Arme schließen. Dann wurde sie in die Hauptstadt Abuja geflogen, um dort Präsident Muhammadu Buhari zu treffen. Der führte die verschüchterte Ex-Geisel den Fotografen wie eine Trophäe vor. Der im Vorjahr neu gewählte Staatschef, ein ehemaliger General, hatte versprochen, die Chibok-Mädchen zu befreien und die Boko Haram zu besiegen. Von beiden Versprechen wurde bisher wenig umgesetzt – bis jetzt. Das könnte sich mit dem Auftauchen der ersten beiden Chibok-Mädchen, von denen sich sowohl die Eltern der anderen Mädchen als auch die Militärs entscheidende Hin-weise erwarten, nun ändern.

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