Amazon testet Lieferungen direkt in die Wohnungen
In den besseren Stadtteilen Washingtons, so sagte ein entnervter Polizist bei der Aufnahme eines Schadens kürzlich dieser Zeitung, "müssen Diebe gar nicht mehr einbrechen – die Beute lagert ja fast täglich auf irgendeiner Veranda." Gemeint ist die Tatsache, dass in den USA Post oder andere Lieferanten Pakete traditionell einfach vor der Haustür abstellen, wenn der Besteller nicht zu Hause ist. Auch so erklären sich die rund zehn Millionen Pakete, die in ganz Amerika 2017 abhanden gekommen sind.
Amazon, der weltgrößte Verteiler, will dem Phänomen Ware-da-Kunde-nicht ab nächster Woche in 37 Test-Städten in den USA mit einem neuen Service beikommen, der tief in die Privatsphäre eindringt. Das Prinzip von "Amazon Key" (Key wie Schlüssel): Ist der Kunde nicht da, darf der Bote des Online-Riesen die Haustür eigenständig öffnen und die Ware sicher deponieren.
System kostet 250 Dollar
Dazu nötig ist ein in der einfachen Ausstattung rund 250 Dollar teures System aus einer Überwachungskamera, die alles aufnimmt, und einem digitalen Schloss, das via Internet ferngesteuert wird. Über einen Code erhält der Bote, sofern Adresse, Lieferung und Zeitpunkt stimmig sind und der Kunde nicht öffnet, Zugang. Der Vorgang wird auf Video festgehalten. Parallel erhält der Kunde über eine App auf dem Smartphone eine entsprechende Nachricht.
So weit die Theorie. In der Praxis sehen Verbraucherschützer noch nicht vollständig gelöste Probleme. Was, wenn ein Dobermann allein hinter der Tür sitzt? Amazon bittet darum, aggressiv werdende Haustiere vor einer erwarteten Lieferung in sichererem Abstand zu halten. Zweitens: Weil das System noch nicht kompatibel ist, müssen Haus- und Wohnungseigentümer ihre Alarmanlagen in Abwesenheit ausschalten.
Kritiker sehen zudem die technologische Brücke, mit der Amazon noch ein Stück tiefer in die Privatwelt seiner Kunden gelangen will, als das Problem an. Amazon behauptet dagegen, das Verfahren sei sicher und zukunftsträchtig.
Einmal eingeführt und bei den Kunden als verlässlich und bequem akzeptiert, so die Denke des Konzerns, "Key" auch anderen Diensten Marktchancen öffnen: etwa Handwerkern, Reinigungskräften oder den in den USA beliebten Hundesittern.
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