Wie die AfD aus Chemnitz politisch Profit schlagen will

Wie die AfD aus Chemnitz  politisch Profit schlagen will
Sie verurteilt die Gewalt, gleichzeitig wirbt sie um rechte Demonstranten. 2019 wird in Sachsen gewählt.

„Friedlicher Protest ist das Mittel der Stunde“, ein paar Stunden nach dem gewalttätigen Aufmarsch von Rechtsextremen in Chemnitz weiß Alice Weidel, was sie schreiben muss. Gleichzeitig steht darunter der Slogan mit ihrem Foto: „Das Abschlachten geht weiter.“ Zuerst dämpfen, dann wieder einheizen – die AfD fährt auf zwei Gleisen.

Sie verurteilt zunächst die Gewalt in Chemnitz, gleichzeitig legitimiert sie die Demonstrationen, an denen Rechtsradikale und Hooligans aus ganz Deutschland teilgenommen haben, indem sie später von „verständlichem Bürgerprotest“ spricht. Parteichef Gauland verteidigt gar den Tweet eines Abgeordneten, der wie ein Aufruf zur Selbstjustiz klang.

Was sich seit Monaten abzeichnet: Die AfD rückt weiter nach rechts. 2019 stehen Landtagswahlen an. In Sachsen kommt die Partei laut Infratest Dimap aktuell auf 25 Prozent der Stimmen, ist also zweitstärkste Partei hinter der CDU. Ähnlich sieht es in Sachsen-Anhalt und Thüringen aus. Würden die Menschen dort am Sonntag zur Wahlurne gehen, wäre die AfD dort auch auf Platz zwei.

Kooperation mit Pegida

So ist man mitunter um moderate Töne bemüht, denn zu viel Nähe zu Rechtsextremen könnte doch wieder Stimmen kosten. So hielt sich die AfD offiziell lange distanziert zur islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung. Doch seit März 2018 ist das Kooperationsverbot aufgehoben, was maßgeblich Rechtsaußen-Politiker um Björn Höcke vorantrieben. Kommenden Samstag folgt der Schulterschluss in Chemnitz: Die AfD-Landesverbände Sachsen, Thüringen und Brandenburg rufen mit Pegida zum „Schweigemarsch“ auf, geben vor, was zu vermeiden sei: Keine politischen Plakate oder Shirts, ebenso wolle man keine Extremisten sehen – es geht um die Macht der Bilder. Und es geht um das Gedenken an einen Toten, schreibt Höcke.

Doch um den Tod des 35-jährigen Daniel H. geht es längst nicht mehr. Seit den Vorfällen läuft die Maschinerie der AfD auf Hochtouren. Auf allen Kanälen findet sich die Messerattacke mit Hinweis auf die Herkunft der Täter (Migranten), vermischt mit anderen Vorfällen – ungeachtet der laufenden Ermittlungen zum Tathergang. Die Schuldige ist für die AfD in allen Fällen – die Kanzlerin.

Angela Merkel, die die Ausschreitungen scharf verurteilte, kommentiert die Attacken ihrer Kritiker nicht, was wenig überrascht. Mit ihrer Affekt-Kontrolle hat sie sich immer wieder gegen politische Gegner durchgesetzt. Dass die Stimmungsmache andere aber beflügeln könnte, wird ihr nicht entgangen sein: In Wismar wurde laut Polizei nun ein 20-jähriger Syrer von drei Deutsch sprechenden Männern mit einer Eisenkette verprügelt und musste ins Krankenhaus.

Die Opfer sieht die AfD wo anders: Es seien Chemnitzer Bürger und Sachsen, die von Medien verunglimpft würden, heißt es in einem Statement. Zudem würden sie die Tat an Daniel H. verschweigen. Dass sich sämtliche Medien von Zeit, Süddeutscher Zeitung bis Stern mit den bisher bekannten Erkenntnissen beschäftigen, bleibt unerwähnt. Medienschelte gehört zum Standard-Repertoire der Partei.

Wovon manche offenbar träumen, legt ein Posting auf der Facebook-Seite der AfD-Fraktion Hochtaunuskreis offen, die mittlerweile offline ist: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann Funk- sowie Pressehäuser gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt. Darüber sollten Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt, ist es zu spät.“

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