Von der Leyen: Merkels „Allzweckwaffe“ für Brüssel

Von der Leyen: Merkels „Allzweckwaffe“ für Brüssel
Die deutsche Verteidigungsministerin wird als erste Frau EU-Kommissionspräsidentin

Erst wenige Wochen ist es her, da sah man Ursula von der Leyen vor großem Publikum an der Seite von Emmanuel Macron. Bei der Luftfahrtschau in Le Bourget trafen die deutsche Verteidigungsministerin und der französische Staatspräsident im Juni aufeinander, um gemeinsam den Prototyp für ein französisch-deutsches Kampfflugzeug zu enthüllen.

Auch gestern am Abend wurde die Öffentlichkeit Zeuge einer französisch-deutschen Kooperation. Im Zentrum der Enthüllung stand diesmal aber die 60-jährige CDU-Politikerin selbst. Sie wird überraschend neue EU-Kommissionspräsidentin. Ins Spiel gebracht haben soll sie nicht etwa ihre langjährige Vertraute, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel – sondern Emmanuel Macron.

Für von der Leyen ist der Wechsel nach Brüssel ein weiterer Höhepunkt in ihrer Karriere. Nicht nur an der Spitze der Europäischen Union ist sie die erste Frau, auch im deutschen Verteidigungsministerium war sie die erste Ressortchefin. Der Job gilt in deutschen Polit-Kreisen gemeinhin als Schleudersitz. Wohl mit ein Grund, warum von der Leyen ihn im Jahr 2013 übernahm.

Die studierte Ärztin und Mutter von sieben Kindern galt lange als die „politische Allzweckwaffe“ von Kanzlerin Merkel. Sogar Chancen, Merkel zu beerben, räumte man ihr ein.

Machtpolitikerin

2005 hatte sie den Sprung von Niedersachsens Regierung in die Bundespolitik gewagt. Sie übernahm das Familienministerium, 2009 das Arbeitsministerium. Die Führung der Bundeswehr übertrug man ihr Ende 2013 in turbulenten Zeiten. Nur wenige Monate nach ihrem Amtsantritt annektierte Russland die Krim.

Beim politischen Gegenüber gilt die Politikerin – ebenso wie in der eigenen Partei – als harte, disziplinierte Arbeiterin mit Zug zur Macht. Das macht sie für viele auch innerhalb der CDU suspekt. In der Partei hat von der Leyen keine Hausmacht, wird von vielen eher geduldet als geschätzt.

Vor allem im konservativen Flügel ihrer Partei sorgte (und sorgt) sie auch inhaltlich immer wieder für Ärger. Vorhaben wie der Ausbau der Kinderbetreuung, die Einführung eines Elterngeldes und ihre Forderung nach Frauenquoten werteten viele als Provokation.

Kein Wunder also, dass von der Leyens Stern umso schneller sank, als auch ihr Fehler passierten: Vor einigen Jahren sah sie sich etwa mit Plagiatsvorwürfen bei ihrer Doktorarbeit konfrontiert. Sie gewann das Verfahren. Vor allem im Verteidigungsressort lief es für von der Leyen nicht rund. Ausrüstungsmängel, eine Affäre um teure Ministeriumsberater und Ungereimtheiten um die überteuerte Sanierung des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ sind einige davon.

Heimkehr

Der Wechsel nach Brüssel ist für von der Leyen daher ein Aufstieg mit einem für sie angenehmen Nebeneffekt: Sie kann sich innenpolitisch aus so mancher Affäre ziehen.

Privat ist der Umzug nach Brüssel für die 60-Jährige eine Rückkehr in die Stadt ihrer Kindheit. Sie wurde in Brüssel geboren. Dort startete ihr Vater, der spätere niedersächsische Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU), seine politische Karriere. Wie ihre sechs Geschwister besuchte von der Leyen die Europaschule. Sie spricht fließend Französisch und Englisch.

Kanzlerin Merkel dürfte der Schachzug Macrons, von der Leyen anstelle des CSU-Manns Manfred Weber zu installieren, durchaus gelegen kommen: Merkel sucht schon länger nach einem Regierungsamt für ihre Nachfolgerin als CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Das wird nun schon bald frei.

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