China: Wenn der Verzicht auf's Smartphone verdächtig macht

China: Wenn der Verzicht auf's Smartphone verdächtig macht
Durch High-Tech-Überwachung unterdrückt Peking Minderheiten. So leicht geraten Menschen ins Visier.

Haben Sie auch schon einmal den Hintereingang eines Wohnhauses benutzt statt des Vordereingangs? Oder das Auto eines Freundes aufgetankt? Als chinesischer Uigure hätte Sie das womöglich in die Bredouille gebracht.

Wie die New York Times berichtet, setzt Peking auf totale Überwachung, um die muslimische Minderheit in der Provinz Xinjiang im unruhigen Nordwesten des Landes zu unterdrücken.

Um ins Visier zu geraten, reicht es auch, ungewöhnlich viel Strom zu verbrauchen oder sein Smartphone gegen ein Handy ohne Internetzugang auszutauschen.

In den Augen des Regimes ist ein solches Verhalten verdächtig. Es aufzuzeichnen, soll Gewalttaten verhindern helfen. Regierungskritiker sprechen von einem „virtuellen Gefängnis“ für die Uiguren und andere Muslime in Xinjiang, die rund 45 Prozent der 25 Mio. Einwohner stellen.

Umerziehungslager

Seit Peking 1949 die Kontrolle über das mehrheitlich muslimische Xinjiang übernahm, wurden immer wieder Rufe nach Selbstverwaltung laut. Mehrmals kam es zu Aufständen gegen angesiedelte Han-Chinesen.

Die Regierung geht hart gegen jeglichen Protest vor, bis zu eine Million Muslime sind laut Menschenrechtlern in Umerziehungslagern, die offiziell der Berufsausbildung dienen.

Zur Überwachung der Muslime dient den Hunderttausenden Polizisten in Xinjiang eine spezielle App. Diese arbeitet mit einer Datenbank, in der Behörden und Informanten aus dem Volk alle erdenklichen Informationen über Muslime einspeisen – Han-Chinesen werden laut New York Times zumeist nicht erfasst.

DNA-Proben und Iris-Scans

Dazu zählen u. a. Fingerabdrücke, Stimm- oder DNA-Proben, Iris-Scans und Daten zur Herkunft, Bildung, Adresse, Jobs und sozialem Umfeld.

Auch Gesundheitsdaten, Verkehrsstrafen, politische Äußerungen, Internetkäufe, besuchte Websites, Spenden, Freizeitverhalten oder Reisen werden akribisch dokumentiert.

Checkpoints vor Banken, Schulen, Tankstellen oder Moscheen – die Han-Chinesen oder Ausländer meist nicht passieren müssen – dokumentieren jeden Schritt. Dazu kommen Aufnahmen aus Millionen Überwachungskameras, viele mit Gesichtserkennung. Verlässt ein „Verdächtiger“ seine Nachbarschaft, wird bei der Polizei Alarm ausgelöst.

"Der gläserne Mensch"

Laut Kritikern nimmt das Überwachungsprogramm in Xinjiang – auch wenn sie noch nicht ganz ausgereift ist – vorweg, was 2020 in ganz China Realtität sein soll: Der gläserne Mensch.

Das Regime arbeitet an einem „Sozialkreditsystem“, das gefälliges Verhalten mit Pluspunkten belohnen und unliebsames Verhalten mit Punkteabzug und Sanktionen bishin zum Jobverlust bestrafen soll. Das System wird bereits an Dutzenden Millionen Menschen getestet.

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