Schock-Warnung auf Weinflaschen empört Winzer

Von italienischen Weinhängen wird auch nach Irland exportiert – und dort soll es bald Warnschilder auf Weinflaschen geben
Ob im Wein wirklich die Wahrheit liegt („In vino veritas“), sei dahingestellt. Sicher ist aber, dass ein guter Tropfen das gesellige Beisammensein noch angenehmer machen kann. Doch dieser Genuss könnte zumindest den Iren bald vermasselt werden. Irland will nämlich eine Etikettenpflicht mit Gesundheitswarnungen für alle alkoholischen Getränke einführen, wie sie heute schon auf Zigarettenpackungen stehen.
Der Antrag wurde der EU-Kommission im vorigen Sommer vorgelegt, die Verordnung könnte schon diesen Sommer in Irland in Kraft treten.
Italienische und französische Weinbauern, um nur zwei Länder zu nennen, in denen der Weingenuss Kulturgut ist, sind entsetzt. In italienischen Medien erscheinen lange Interviews zu dem Thema. Darin wird meist eine Jahrhunderte alte Weinkultur betont, manchmal hat man aber auch das Gefühl, es gehe um Majestätsbeleidigung. Auch der Sänger Albano, der ein Weingut in Apulien besitzt, hat sich zu Wort gemeldet: „Ich komme aus einer Gegend, wo einst jede Familie den Wein nach alter Tradition für den Eigenkonsum herstellte. Der Wein ist eine heilige Medizin, die auch beim Gottesdienst getrunken wird.“

In irischen Lokalen wird nicht nur Guinness getrunken
Der Weinexport belegt auch einen wichtigen Posten in der Handelsbilanz. 2021 belief er sich auf sieben Milliarden Euro, davon 2,7 im europäischen Binnenmarkt (Österreichs Export nach Irland ist vernachlässigenswert).
Konsum vs. Missbrauch
Den Weinbauern und Winzern geht es aber nicht nur um ihr Geschäft, zumal die Warnetiketten ja nur Irland betreffen. Es geht ihnen um ein falsches Signal, wie Francesca Migliarucci vom Weinverband Federvini dem KURIER erklärt. „Was wir vor allem beanstanden, ist, dass diese Art von Warnetikette nicht zwischen mäßigem Konsum und Missbrauch unterscheidet. Wichtig wäre, gerade diesen Unterschied hervorzuheben.“
Zehn Prozent aller Krebserkrankungen bei Männern und drei Prozent bei Frauen sind auf Alkoholkonsum zurückzuführen, so ein Bericht des Sonderausschusses zur Krebsbekämpfung des EU-Parlaments aus dem Vorjahr. Darin wurde auch die Kennzeichnung von alkoholischen Getränken „durch zusätzliche Gesundheitswarnhinweise“ gefordert. Dieser Vorschlag fand aber keine Mehrheit.
„Die Befürworter dieses gesundheitspolitischen Ansatzes verweisen auf Studien mit den Packungen von Nikotinprodukten, wonach solche Warnhinweise – Bilder mehr als Texte – wirksam sind“, sagt Wolfgang Preinsperger, ärztlicher Direktor des Anton-Proksch-Instituts (API) in Wien-Kalksburg. „Ob hier aber die Preisgestaltung, Steuern oder ähnliche andere Faktoren nicht eine ebenso große oder größere Rolle spielen, ist nicht ausreichend geklärt.“ Er vertrete aber den in der Suchtprävention gängigeren Ansatz, „dass Abschreckung nicht hilfreich ist“. Wichtig sei, „einen verantwortungsvollen, kompetenten und genussvollen Gebrauch von alkoholischen Getränken“ zu lernen.
Auch Gynäkologe Paul Sevelda, Präsident der Krebshilfe, stellt die Wirksamkeit der Warnhinweise infrage, betont aber noch einen anderen Punkt: „Lungenkrebs steht zu 85 bis 90 Prozent mit dem Rauchen in Zusammenhang. Übermäßiger Alkoholkonsum erhöht etwa das Brust- oder Leberkrebsrisiko – aber nicht in der Dimension wie das Rauchen.“ Er sehe die Gefahr, dass die Diskussion um solche Warnhinweise nur zu verhärteten Fronten und generellem Widerstand gegen Vorsorgemaßnahmen führe.
Befürworter des irischen Antrags sind in Italien rar, wer sich aus der Deckung wagt, muss sich warm anziehen. Wie die Immunologin Antonella Viola, die vor ein paar Tagen in einem Artikel erklärte, warum auch nur ein Aperitivo das Leben verkürze. Die Online-Kommentare dazu waren hämisch bis rabiat.
Italien hatte zusammen mit Frankreich, Spanien und anderen Ländern in einer schriftlichen Stellungnahme an die EU-Kommission erläutert, warum der irische Antrag in die falsche Richtung gehe. „Wir werden uns eventuell auch an den europäischen Gerichtshof wenden“ sagt Migliarucci.
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