Schmelzendes Eis: Klimakrise bringt viele Veränderungen in der Arktis
Die Klimakrise lässt die Durchschnittstemperatur in der Arktis dreimal so stark steigen wie im Rest der Welt. Die veränderten Witterungsverhältnisse in der Erdregion um den Nordpol bringen viele Veränderungen mit sich - und damit auch politische Spannungen.
Das größte gemeinsame Ziel sei aber die Bekämpfung des Klimawandels, waren sich führende Experten am Dienstag bei einer vom Forum Journalismus und Medien (fjum) organisierten Onlinediskussion einig.
Die Eisfläche, die einen Teil des Meeres auch im Sommer bedeckt, war vor 50 Jahren noch doppelt so groß. Und auch die Dicke des Eises hat sich seitdem halbiert. Das schwindende Eis erschwere den Männern und Frauen die Jagd auf Rentiere und Seehunde. "Das schmelzende Eis gefährdet die Menschen wie die Natur", sagte Michael Mann, EU-Sonderbeauftragter für arktische Angelegenheiten.
Wetterextreme in Europa wie die Flutkatastrophe im Sommer in Deutschland, seien mit der Arktis-Erwärmung in Verbindung zu bringen. Die Vorgänge in der Arktis sorgen für einen Anstieg des Meeresspiegels um etwa drei Millimeter pro Jahr. "Was in der Arktis passiert, bleibt nicht einfach ein Problem der Arktis", so Mann.
Die Arktis ist je nach Definition 20 bis 30 Millionen Quadratkilometer groß und reich an Bodenschätzen. Es gibt etwa vier Millionen Einwohner in der Region mit viel unberührter Wildnis, trotz Klimakrise meist extremer Kälte und winterlicher Dunkelheit.
Acht Anrainerstaaten
Etwa 500.000 Männer und Frauen zählen zur indigenen Bevölkerung. Die acht Anrainerstaaten Russland, Dänemark, die USA, Kanada, Norwegen, Finnland, Island und Schweden bilden den 1966 gegründeten Arktischen Rat. Rund 40 weitere Länder haben einen Beobachterstatus.
Die Arktis ist für alle angrenzenden Staaten von strategischer Bedeutung und das nicht nur aus militärischer Sicht. Dort werden gewaltige Mengen an Öl und Gas vermutet. Wegen der wertvollen Bodenschätze gibt es immer wieder territoriale Streitigkeiten.
"Wir sind nicht am Rande eines neuen Kalten Krieges", sagte Michael Byers, kanadischer Wissenschafter und Forscher für globale Politik und internationales Recht. Trotz aller geopolitischer Spannungen gebe es unter den Arktis-Anrainerstaaten eine gute Kooperation. Kanada sehe keine militärische Gefahr, weshalb das Land auch nur 200 Soldaten in der Arktis stationiert habe.
Russland baut Arktisflotte aus
Die russische Marine hatte in diesem Jahr mit atomar betriebenen U-Booten bei einer Übung meterdickes Eis in der Arktis durchbrochen - und damit Präsenz in der Region demonstriert. Zudem baue Russland seine Flotte von nuklear und konventionell betriebenen Eisbrechern aus und stärke die Fähigkeiten zur Abwehr von Angriffen und zur Gebietsverteidigung über wichtige Teile der Arktis.
"Es gibt kein Wettrüsten in der Arktis", sagte Alexander Sergunin, russischer Professor aus St. Petersburg. Russlands Fokus liege nur auf militärischer Modernisierung. "Das Ziel ist nicht, in die Zeit des Kalten Krieges zurückzukehren."
Für Torsten Kjølby Nielsen aus dem dänischen Außenministerium muss die Arktis unbedingt ein "friedlicher Ort" bleiben. Geopolitische Spannungen würden nicht in der Arktis ausgelebt werden, war er sich sicher. Die tägliche Zusammenarbeit zwischen den Anrainerstaaten sei eher langweilig und beschäftige sich mit Themen wie Forschung, Klimawandel oder Plastik im Meer. "Auch das unterstreicht das Ziel, die Spannungen niedrig zu halten."
China ist zwar kein Anrainerstaat, versucht aber als selbst ernannter "arktisnaher Staat", ebenfalls seinen Einfluss in der Arktis zu stärken. "Andere Länder werden herbeieilen, um zu kooperieren, nicht um zu erobern", sagte Byers. Denn in dem Gebiet gehe es um massiven wirtschaftlichen Einfluss.
Deutlich schneller von Asien nach Europa
Die Eisschmelze legt einerseits neue Schiffsrouten frei. Der Weg zwischen Europa und Asien könnte so um 40 Prozent verkürzt werden. Die geänderten Umstände könnten das Gebiet für Touristen aber auch für kriminelle Aktivitäten attraktiver machen und so mehr Infrastruktur oder Präsenz von Einsatzkräften nötig machen. Zudem wären wertvolle Rohstoffe auf einmal erreichbar: Riesige Mengen der weltweiten Gas- und des Ölreserven und große Vorkommen mineralischer Ressourcen werden in der Arktis vermutet.
Aufgrund der steigenden Temperaturen tauen die Permafrostböden aber langsam auf. So entweichen gigantische Mengen des besonders klimaschädlichen Methan. Zudem erschwert es die Lage an Ort und Stelle, weil die ohnehin dürftige Infrastruktur auf dem schmelzenden Untergrund leidet. Betroffen davon ist vor allem russisches Territorium.
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