"In seiner tragischsten Stunde fühlt sich Italien alleine gelassen"

Spread of the coronavirus disease (COVID-19) in Cisternino
Von Trumps einsamer "America first"-Politik bis zur Situation in Italien, wo man sich "von Freunden alleine gelassen" fühlt - ein Überblick über internationale Pressestimmen zur Corona-Krise.

Internationale Zeitungen kommentieren die weltweiten Auswirkungen der Corona-Krise am Dienstag wie folgt:

Le Figaro (Paris):
"Zusammengekauert und mit doppelt verschlossenen Grenzen wehren sich die USA gegen Covid-19, ohne dabei mehr Antworten als alle anderen zu erhalten. Durch die Größe des Landes und seine föderale Struktur läuft das Land sogar Gefahr, die Eindämmung der Epidemie, die sich dort noch schneller ausbreitet als anderswo, zu verkomplizieren. Und vom vielen Zaudern des (US-Präsidenten) Donald Trump wird einem ganz schwindelig. (...) Seine Berater hoffen, dass die Verlängerung der Vorschriften zur sozialen Distanz bis Ende April die Zahl der Opfer auf zwischen 100.000 und 200.000 beschränken wird. In einem Wahljahr wäre dies eine harte Bilanz für den einsamen "America first"-Champion."

Corriere della Sera (Rom):
"In seiner tragischsten Stunde fühlt sich Italien von den Ländern, die ihm am nächsten standen, verlassen: von den europäischen Partnern und Amerika. Die Hilfe kam per Flugzeug aus China, Russland und sogar aus Kuba. Wenig von den USA und der EU: Europa lockert seine Haushaltsregeln, aber es gibt welche, die die Bremse ziehen. (...) Wenn all dies vorbei ist, wird es so viel wieder aufzubauen geben: die Wirtschaft, die Gesundheitseinrichtungen, die internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen, das Vertrauen zwischen den Völkern. Heute herrscht der Groll vor allem gegenüber verbündeten Ländern und Freunden, von denen wir im dramatischsten Moment etwas mehr erwartet hätten."

Das ist nichts verglichen mit der Krise, vor der ärmere Länder stehen.

Aftonbladet (Stockholm):
"So schwer, erschreckend und auf die Probe stellend die Corona-Pandemie für die reichen Länder des Westens ist: Das ist nichts verglichen mit der Krise, vor der ärmere Länder stehen. So viele Faktoren machen die Armen besonders anfällig in der Pandemie, darunter beengtes Wohnen, schlechte Hygienemöglichkeiten und ein geringerer Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu Informationen. Die wirtschaftliche Krise schlägt auf der ganzen Welt zu, weshalb es schwerer als sonst sein wird, alle benötigten Ressourcen aus dem Ärmel zu schütteln. Aber der reichere Teil der Welt kann nicht die Augen davor verschließen, was den Ärmsten bevorsteht."

Lidove noviny (Prag)
"Vielleicht erzieht die aktuelle außergewöhnliche Situation die Menschen zu mehr Rücksicht auf andere. Es ist wohl kaum zu erwarten, dass Kollegen mit einem Schnupfen oder einem grippalen Infekt in Zukunft häufiger zu Hause bleiben werden, um andere nicht anzustecken, denn sie haben ja immer so viel Arbeit zu erledigen. Doch vielleicht werden diese Erkrankten zumindest auf dem Weg zur Arbeit aus Rücksicht einen Mundschutz tragen. Es wäre doch eine Schande, die schönen Modelle aus Stoff, die sich manche jetzt sogar selbst genäht haben, (nach dem Ende der Coronavirus-Pandemie) für immer in der Schublade liegen zu lassen."

Die Bürger verlieren das Vertrauen in die Segnungen eines geeinten Europas, wenn sie das Gefühl haben, dass andere Mitgliedstaaten ihnen in Notsituationen nicht helfen

de Volkskrant (Amsterdam):
"Die Bürger verlieren das Vertrauen in die Segnungen eines geeinten Europas, wenn sie das Gefühl haben, dass andere Mitgliedstaaten ihnen in Notsituationen nicht helfen. In Italien und auch den meisten anderen südeuropäischen Ländern, die jetzt eine wütende Front bilden gegen die "geizigen selbstzufriedenen Buchhalter" der Niederlande und Deutschlands, haben Bürger schon länger das Gefühl, von Brüssel im Stich gelassen zu werden. Die Folge davon ist, dass Rechtspopulisten und Euroskeptiker wie der Lega-Anführer Matteo Salvini in Italien Rückenwind bekommen.

Die Südeuropäer fühlten sich bereits während der Finanzkrise zum ersten Mal im Stich gelassen, als ihnen von Brüssel harte Sparmaßnahmen auferlegt wurden. Es folgte die Flüchtlingskrise, die sie aufgrund ihrer geographischen Lage am Mittelmeer unverhältnismäßig stark traf. Nun ist es die Corona-Krise, gegen die die Länder selbst überhaupt nichts ausrichten können, die die europäische Solidarität auf die Probe stellt."

El Periódico (Madrid):
"Völlig klar ist, dass es eine titanische Aufgabe ist, eine Krise dieser Größenordnung von verantwortlichen Positionen aus zu bewältigen. Das passiert in Spanien, in Italien, in Frankreich und in allen Ländern, die von Covid-19 betroffen sind. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass die Entwicklung der Pandemie sich ständig verändert und dass die Regierungen gezwungen sind, unter sehr schwierigen Bedingungen in kurzer Zeit Entscheidungen zu treffen. In diesem Sinne scheint der "Winterschlaf der Wirtschaft", wie Finanzministerin und Regierungssprecherin María Jesús Montero es nennt, eine notwendige Entscheidung zu sein, um den Zusammenbruch von Krankenhäusern und Intensivstationen zu vermeiden. Dass die Gesundheit der Bürger Priorität hat, steht dabei außer Frage."

Wenn das Coronavirus sich auch in Ungarn weiter ausbreitet, werden die Missstände zum Thema werden. Da hilft es, die Opposition wegen ihrer Ablehnung des Notstandsregimes pauschal als "Verbündete des Virus" zu diffamieren

Neue Zürcher Zeitung:
"Das von manchen Kritikern gezeichnete Szenario, wonach ihm die Notstandsregel erlaube, die in zwei Jahren anstehende Parlamentswahl auf unbestimmte Zeit zu verschieben, ist unrealistisch. Selbst Orban wird das nicht wagen, würde Ungarn damit doch endgültig untragbar in der EU. Das Coronavirus birgt für die Regierung ein erhebliches Risiko. Das Gesundheitswesen ist in einem katastrophalen Zustand. Während Orban Millionen von Forint in stupide Propaganda steckte, mussten Patienten ungarischer Spitäler Toilettenpapier oder Nahrungsmittel selbst mitbringen. Wenn das Coronavirus sich auch in Ungarn weiter ausbreitet, werden die Missstände zum Thema werden. Da hilft es, die Opposition wegen ihrer Ablehnung des Notstandsregimes pauschal als "Verbündete des Virus" zu diffamieren und die Verbreitung von "Falschinformationen" mit langen Gefängnisstrafen zu belegen."

Nesawissimaja Gaseta (Moskau):

"Im Grunde ist es eine Lage wie im Krieg, da die Regierenden außerordentliche Vollmachten erhalten - und die gewohnten Rechte und Freiheiten eingeschränkt werden. Noch im Winter gab es Zweifel, ob im demokratischen Westen eine Quarantäne nach chinesischem Modell möglich ist. Am Ende wiesen sogar die USA das private Business und die Bürger an, daheim zu sitzen (...) Der Tod des freien Marktes und der liberalen Gesellschaft ist das aber nicht. Für sie wird es nur zeitweilig schwer, sich auf dem politischen Markt zu behaupten (...)

In Deutschland nimmt die Diskussion an Fahrt auf, welche Auswege es aus der Krise geben kann. Das Fass zum Überlaufen brachte nun der Suizid des deutschen Experten Thomas Schäfer, der im Bundesland Hessen für finanziellen Probleme zuständig war. Obwohl es in dem Land deutlich weniger Erkrankungen gibt als etwa in Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg, verlieren die Politiker offenkundig allmählich die Nerven. Deutschland ist in Hysterie - am Rande einer Revolution."
 

Kommentare