Piraten griffen 120 Schiffe an: Wer sind die modernen Seeräuber?
Insgesamt wurden im Jahr 2023 nach Angaben des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) 120 Vorfälle von Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffe gemeldet - das sind fünf mehr als im Vorjahr. Dabei seien 105 Schiffe geentert, neun Angriffe versucht, vier Schiffe gekapert und zwei Schiffe beschossen worden, teilte das zur Internationalen Handelskammer gehörende Schifffahrtsbüro am Donnerstag mit.
Deutsche Schiffe sind am zweithäufigsten betroffen
Zu Beginn des Jahres hatten die Experten noch von stark rückläufigen Zahlen berichtet. Schiffe mit deutscher Beteiligung waren 2023 insgesamt 14 Mal und damit nach Singapur (28) am zweithäufigsten betroffen. „Die steigenden Zahlen der Angriffe auf Schiffe und Besatzungen sind besorgniserregend. Sie zeigen einmal mehr, dass Piraterie kein Relikt der Vergangenheit, sondern eine hochaktuelle Herausforderung ist“, sagte Oliver Wieck, Generalsekretär der ICC Deutschland.
„Hinzu kommt, dass im Zuge des Nahostkonflikts politisch motivierte Angriffe militanter Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer zunehmen“, fügt Wieck hinzu.
Auch Geiselnahmen steigen an
Das IMB warnt insbesondere vor der zunehmenden Gefährdung der Schiffsbesatzungen: Die Zahl der Besatzungsmitglieder, die als Geiseln genommen oder entführt wurden, stieg von 41 auf 73 bzw. von 2 auf 14. Zehn weitere Besatzungsmitglieder wurden demnach bedroht, vier verletzt und eines angegriffen. Erstmals seit 2017 wurde wieder ein Schiff - ein Massengutfrachter mit 18 Besatzungsmitgliedern - vor der Küste Somalias angegriffen. Der mutmaßlich von somalischen Piraten geenterte Frachter wurde kurz darauf von der indischen Marine befreit.
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Drei von vier Entführungen im Golf von Guinea
Ein Schwerpunkt der Piraterie bleibt der Golf von Guinea in Westafrika. Auch wenn die Zahl der gemeldeten Vorfälle im Golf mit 22 im vergangenen Jahr und 19 im Jahr 2012 zurückgegangen sei, „ereigneten sich drei von vier der im vergangenen Jahr weltweit gemeldeten Entführungen in diesen Gewässern, die damit weiterhin als gefährlich einzustufen sind“, heißt es in der Mitteilung.
Auch für die Straße von Singapur gebe es keinen Grund zur Entwarnung.
Wer sind die modernen Seeräuber?
Augenklappe, Holzbein und Papagei: Mit den romantisierten Abenteurerfiguren, an die wir beim Wort „Pirat“ denken, haben die Seeräuber der Gegenwart wenig gemein. Tatsächlich sind Piraten in vielen Fällen einfache Fischer, die an der Küste Afrikas leben. Oft ist es ihre Armut, die sie in die Kriminalität treibt.
Geentert wird mit dem Motorboot
Angriffe der Piraten laufen oft nach demselben Muster ab. Das Hauptschiff der Seeräuber wird bei den Attacken von kleineren, schnelleren Motorbooten begleitet. Sobald sich der Frachter, der gekapert werden soll, in Sichtweite befindet, fahren die schnellen Boote dicht an das Schiff heran. Dann wird versucht mit Hilfe von langen Leitern an Deck zu gelangen. Wenn das Entern gelingt, folgt zumeist eine Geiselnahme. Lösegelderpressungen sind erklärtes Ziel vieler Piratenbanden.
Viele Schiffe haben bewaffnetes Sicherheitspersonal
Im Golf von Guinea in Westafrika haben es die Seeräuber außerdem besonders auf die Ladung der Schiffe abgesehen. Überfallen werden zum Beispiel Öltanker, die vor den Häfen ankern. Nachts nähern sich die Piraten mit kleineren Tankern und pumpen das Öl ab, um es auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.
Inzwischen haben sich die meisten Reedereien auf das Problem eingestellt: An Bord vieler Schiffe, die in Gefahrenzonen unterwegs sind, befinden sich bewaffnete Sicherheitsleute. Oft genügt es bei einem Angriff, dass die Wachen den Piraten ihre Waffen zeigen, und schon machen die meisten von ihnen kehrt.
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