Oh Ye: Kanye West eilt von Skandal zu Skandal
Immer Kummer mit Kanye West; seit kurzem auf eigenen Wunsch nur noch „Ye“ genannt: Der auf drei Milliarden Dollar Vermögen taxierte schwarze Rap-Musiker, den manche für ein Genie halten und andere für einen nach Aufmerksamkeit gierenden Exzentriker, hat sich ins Zentrum einer toxischen Debatte katapultiert.
In der Diskussion geht es um Antisemitismus, Schwarz-Sein und Rassismus; nebenbei wird eine immergrüne Frage aufgeworfen: Wie weit darf im Zeitalter sozialer Medien die freie Rede gehen – und wo fängt die Meinungsdiktatur an?
„White Lives Matter“-Eklat
Der seit der Trennung von Reality-TV-Ikone Kim Kardashian unausgeglichen wirkende Sänger und Komponist, der sich selbst für „den tollsten Künstler“ hält, „den Gott je erschaffen hat“, suchte sich den Pariser Herbst-Modezirkus für eine textile Provokation sondergleichen aus. An der Seite der schwarzen Polit-Krawallnudel Candace Owens trug der 45-Jährige ein T-Shirt, dessen Farbenlehre sauer aufstieß. „White Lives Matter“, etwa „Weiße Leben zählen“, stand da zu lesen. Das ist – in der Umkehrung des ursprünglichen „Black Lives Matter“ – ein Leitmotiv rassistischer Bewegungen geworden, die in den USA nicht die Afroamerikaner von Staat, Polizei und Bildungssystem strukturell benachteiligt sehen, sondern sich selbst: die demografisch schleichend ins Hintertreffen geratende Gruppe der Weißen.
Als im Nu mediales Gewitter aufzog, keilte der Mann aus Chicago, der 2020 für Donald Trump auf die Pauke haute und kurzzeitig selber Präsident werden wollte, mit Beschimpfungen und erratischen Kommentaren aus. Das war aber nur das Warmlaufen. Danach verstieg sich West erst auf Instagram, dann auf Twitter zu Gewalt verherrlichenden, antijüdischen Parolen, die mit Zensur-Maßnahmen und Nutzerkonto-Einfrieren bedacht wurden. Elon Musk, der potenzielle künftige Chef von Twitter, will West persönlich ins Gewissen geredet haben.
„Tyrann“ und „Witzfigur“
West behauptete danach kryptisch, Schwarze seien auch Juden, allein deshalb könne er kein Antisemit sein. Topmodel Gigi Hadid kanzelte ihn dafür als „Tyrannen“ und „Witzfigur“ ab. Andere zogen Parallelen zu dem erklärten schwarzen Antisemiten Louis Farrakhan. Rapper-Kollege Sean „Diddy“ Combs musste sich von West gar anhören, er werde von Juden kontrolliert. Hollywood-Stars wie Jamie Lee Curtis nannten das Geschwafel „entsetzlich“, wünschten West schnell ärztliche Hilfe.
Aber es kam nur Tucker Carlson. Der quotenträchtigste Moderator des TV-Senders Fox News erkannte die Chance, inmitten des in Amerika tobenden Kulturkrieges einen prominenten Schwarzen zum Kronzeugen weißer Verlustängste zu machen – und gab West ein Forum. „Ye“ machte, wie Kritiker zu Protokoll gaben, den „nützlichen Idioten“.
Opfer-Pose
Aus der Opfer-Pose des in seiner Meinungsfreiheit angeblich unterdrückten Freigeists lieferte er ein Gewirr von Behauptungen. Etwa: Das Schulmassaker im texanischen Uvalde mit 22 Toten sei vielleicht inszeniert gewesen. Oder: Der nächste US-Präsident tue gut daran, sich administrativ die Großartigkeit von Tesla-Unikum Musk und seiner eigenen Person zu sichern.
Völlig abgedreht zeigte er sich in einem von Fox News bewusst unterdrückten Interview-Teil, in dem er behauptete, seine von ihm getrennt lebenden vier Kinder würden im Hause Kardashian von „Fake-Schauspielern“ „indoktriniert“ und „sexualisiert“.
Zank mit Adidas
Im Zuge des Scharmützels zog Kanye West auch dem Sport-Giganten Adidas eins über. Dessen Dusch-Schuhwerk (Adiletten) sei designmäßig geklaut, sagte er. Weil West Adidas-Boss Kasper Rorsted direkt angriff – die Firma produziert auch vergleichbare Plastiktreter von West –, stellt die Firma nun die Geschäftsbeziehung mit ihm auf den Prüfstand. Aber „Ye“ gibt nicht nach.
In der von Basketball-Star LeBron James verantworteten Show „Uninterrupted The Shop“ auf Youtube lieferte er laut Regie noch mehr antisemitische „Hassrede und sehr gefährliche Stereotype“. Konsequenz: Die Sendung wurde gekippt.
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