Neue Wassermassen in Venedig: Markusplatz komplett gesperrt

Neue Wassermassen in Venedig: Markusplatz komplett gesperrt
Venedig im Dauerregen, am Sonntag kommt die nächste Flutwelle. Eine Wetterbesserung ist nicht in Sicht.

Heftige Niederschläge und starker Schirokko-Wind ließen die Wasserpegel am Freitag erneut ansteigen. Aus Sicherheitsgründen wurde der Markusplatz komplett gesperrt, doch die Touristen stiefelten weiter durch die Absperrungen.  

„Ein weiterer Tag des Alarms“, sagte Bürgermeister Luigi Brugnaro. Die Sirenen heulten,  der öffentliche Verkehr wurde eingestellt, Schulen und die Universität waren geschlossen, ebenso der Dogenpalast.

Die Wetterprognosen verheißen nichts Gutes, Dauerregen ist im ganzen Norden des Landes angesagt, besonders schlimm könnte es am Sonntag werden. 

„Die Venezianer beweinen sich nicht selbst, sie arbeiten“, sagte der Bürgermeister. Am Freitag standen 70 Prozent der Altstadt unter Wasser, am Mittwoch waren es 90 Prozent. Doch es blieb nicht einmal genug Zeit, die alten Schäden zu begutachten. Nach ersten Schätzungen wird die Restaurierung der Weltkulturerbe-Stadt hunderte Millionen Euro kosten.

Pegel 145 Zentimeter

Der Pegelstand am Freitagvormittag betrug 145 Zentimeter über dem normalen Meeresspiegel, am Mittwoch waren es 187 Zentimeter, und bis Sonntag wird dieser Rekordwert vermutlich wieder erreicht. Es ist die schlimmste Katastrophe seit 1966.

Als Soforthilfe gab die Regierung in Rom einmal 20 Millionen Euro frei. Geschäftsleute bekommen bis zu 20.000 Euro, Private bis zu 5.000 Euro.

„Die Menschen haben alles verloren“, erklärte Bürgermeister Brugnaro auf Twitter. Das eindringende Salzwasser mache alles noch viel schwieriger. Es beschädigt Denkmäler, Marmor und Kunstschätze. Ex-Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega stapfte am Freitag in Gummistiefeln durch die Stadt und forderte, dass endlich das Flutschutzsystem fertiggestellt werden müsse. Doch vor 2021 werden die ausfahrbaren Barrieren wohl nicht fertig sein.

Mose“ („modulo sperimentale elettromeccanico“) hätte schon 2011 und dann 2017 in Betrieb gehen sollen.
Korruption bei „MoseEs ist ein ähnliches Baudesaster wie der Berliner Flughafen. Statt der geplanten 1,6 Milliarden Euro hat der Hochwasserschutz bis jetzt 5,5 Milliarden verschlungen. Technische Pannen gab es ohne Ende, dazu sahnten korrupte Politiker und Unternehmer  eine Milliarde Euro ab.

Korruption bei "Mose"

In das Projekt der Firmengemeinschaft Consorzio Venezia Nuova wurden die 30 größten Baufirmen Italiens eingebunden. Sitz der Gesellschaft ist der Palazzo Morosini im Zentrum des historischen Venedigs. Zu dieser Firmengemeinschaft gehört auch die Finanzholding Fininvest S.p.A., die von der Familie Berlusconi betrieben wird.

Am 4. Juni 2014 wurden der Bürgermeister von Venedig Giorgio Orsoni sowie weitere 34 Politiker und Bauunternehmer wegen Geldwäsche, Veruntreuung und Erpressung im Amt im Zusammenhang mit MO.S.E. verhaftet. Haft beantragt wurde auch für den ehemaligen Regionspräsidenten von Venetien Giancarlo Galan, der aber als Senator Immunität genoss. Nachdem das Parlament die Immunität im Oktober 2014 aufgehoben hatte, wurde auch er inhaftiert. Insgesamt seien etwa eine Milliarde Euro veruntreut worden

"Mose" ist das größte Infrastrukturprojekt in Italien seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach einer Serie von Korruptionsskandalen rund um die Errichtung ist die Inbetriebnahme für 2021 vorgesehen. Doch die Konstruktion gilt bereits in wesentlichen Teilen als veraltetet.

Umweltschützer behaupten, dass die Schleusen das Öko-System bedrohen. In Hochwassermonaten wäre die Stadt vom Frischwasser abgeschnitten. Die Lagune könnte sich schnell in eine Kloake verwandeln.

Premier Giuseppe Conte kündigte an, dass der Bürgermeister von Venedig die Kompetenzen eines Regierungskommissars erhalten werde. Damit solle der konservative Politiker und Unternehmer Luigi Brugnaro  mehr Zuständigkeiten bei der Behebung der strukturellen Probleme der Stadt bekommen, erklärte Conte im Interview mit dem Corriere della Sera. Brugnaro  hatte in den 1990-er Jahren die erste Zeitarbeitsagentur Italiens gegründet, er ist seit 2015 im Amt. Am 26. November soll außerdem eine Sonderkommission über die „Probleme Venedigs“ beraten. Dabei geht es auch wieder um ein Anlegeverbot für große Kreuzfahrtschiffe und um das Dauerthema „Mose“. 

Spendenaufrufe

In Italien werden nun Spendensammlungen initiiert. In der Mailänder Scala plant Intendant Alexander Pereira ein Benefiz-Konzert am 29. November. Geplant ist eine Aufführung von Ravels „Bolero“. „Der Vorschlag zu einer Aufführung für Venedig kam von den Scala-Mitarbeitern“, twitterte der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala.

Die italienischen Botschaften und Konsulate im Ausland werden Initiativen zur Unterstützung Venetiens starten, kündigte Außenminister Luigi Di Maio an. Und auch der viermalige Premier Silvio Berlusconi rief die großen Staaten der Welt auf, Venedig mit Spenden zu unterstützen.

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