Madrider Klimakonferenz beginnt: Wie verhandeln eigentlich 196 Staaten?

Madrider Klimakonferenz beginnt: Wie verhandeln eigentlich 196 Staaten?
Überblick: Was von der Klimakonferenz zu erwarten ist, was die nächsten Schritte sind

Sonntagabend wird Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Madrid erwartet. Er wird am Montag bei der Eröffnung der 25. UNO-Klimakonferenz dabei sein, und nach dem UN-Generalsekretär António Manuel de Oliveira Guterres eine kurze Rede halten.

Dabei wird es vermutlich einmal mehr darum gehen, die Regierungschefs der Welt zu mehr Ehrgeiz und höheren Zielen beim Klimaschutz zu ermahnen.

Erst am Dienstag stellte das Umweltschutzprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) fest, dass weltweit die Treibhausgas-Emissionen einen neuen Höchststand erreicht haben. Sollten die Staaten ihre Ziele nicht nachschärfen, werde die Erderwärmung doppelt so hoch ausfallen wie im Pariser Klimavertrag vereinbart.

Laut UNEP muss nach aktuellem Stand der Zusagen mit einer katastrophalen Klimaerwärmung von 3,2 °C bis Ende des Jahrhunderts gerechnet werden, sofern sich die Staaten nicht bald strengere Ziele setzen.

Höhere Ziele werden aber wahrscheinlich erst bei der Klimakonferenz 2020 in Glasgow verhandelt werden.

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will zwar deutliche höhere Klimaziele für die Europäer ausverhandeln, ein Beschluss der EU-28 geht sich aber zeitlich gar nicht mehr vor Ende der Konferenz aus. Und wenn die Europäer nichts vorlegen, werden andere gewichtige Staaten ebenfalls keine höheren Ziele nennen.


Worum geht’s in Madrid?

Seit dem Durchbruch bei der Klimakonferenz in Paris 2015 – damals einigten sich die Staaten, alles zu tun, um die Klimaerwärmung möglichst unter 2 °C zu begrenzen, – geht es nun vor allem um die Regeln, wie das eingehalten werden soll.

187 Staaten sind beim Pariser Klimaabkommen an Bord (von 196), von den größeren Nationen fehlen nur die Türkei und der Iran – und bald wohl auch die USA, die kürzlich offiziell das Paris-Abkommen aufgekündigt haben.

Die Kündigungsfrist währt allerdings noch bis Herbst 2020, weshalb die Amerikaner auch diesmal in Madrid mitverhandeln.

Lösungen werden noch für einen internationalen Emissionshandel gesucht: Den gab es schon in der Kioto-Klimaschutzperiode (von 2008 bis 2012), er hatte aber mehr schlecht als recht funktioniert. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass gefälschte „Verschmutzungsrechte“ verkauft wurden, als auch Doppelzählungen vorgekommen sind.

Offen ist, wie China auf den Paris-Ausstieg der US-Amerikaner reagieren wird, schließlich befinden sich die Chinesen in einem schwelenden Wirtschaftskonflikt mit den USA.

Noch mehr Sorgen machen dafür die Brasilianer, die mit Präsident Jair Bolsonaro einen Staatschef gewählt haben, der den Klimaschutz für nicht existent hält. Brasilien steht an der Spitze der Schwellenländer, an der sich auch andere große Staaten wie Indonesien oder Russland orientieren.

Madrid statt Santiago de Chile

Eigentlich hätte die 25. UN-Klimakonferenz in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile abgehalten werden sollen. Doch schwere politische Unruhen in dem Land am Südpazifik führten zu massiven Sicherheitsbedenken, schließlich reisen neben Alexander Van der Bellen und Antonio Guterres eine Vielzahl von Staats- und Regierungschefs beziehungsweise Minister an.

Deshalb wurde eilends ein Ersatzort gesucht, die spanische Hauptstadt Madrid sprang ein. Dennoch sind die Befürchtungen groß, dass bei der extrem kurzfristigen Planung für eine Konferenz dieser Größe - es werden rund 20.000 bis 30.000 Konferenzteilnehmer erwartet - auch gröbere Fehler in der Organisation passieren könnten.

Wie wird bei er Klimakonferenz verhandelt?

Es geht darum, einen Text für ein Schlussdokument mit allen 196 Vertragsparteien zu verhandeln.

Ein erster strittiger Entwurf ist für die meisten Kapitel bereits seit Wochen bei den Vertragsparteien.

Die 196 Länder teilen sich freiwillig in Gruppen bzw. Blöcke ein, mit einem Sprecher, der sich mit seiner Gruppe dauernd absprechen muss. Beispielsweise ist die EU ein (bei den Klimaverhandlungen immer) Block, die USA sind ein eigener Block, dann die so genannten "G88 plus China" (Schwellenländer wie Brasilien, Indonesien, plus China), oder AOSIS , das sind die kleinen Inselstaaten.

Das Vorsitzland (diesmal Chile) schlägt einen Text vor. In einer ersten Runde werden alle Textpassagen, die strittig sind, in Klammern gesetzt. Nun wird in Verhandlungsrunde um Verhandlungsrunde ausgelotet, welche Wortwahl einen Konsens findet, also Klammer für Klammer aus den Texten wegverhandelt, bis ein Text ohne Klammern überbleibt. Dazu müssen sich die Sprecher aller Gruppen regelmäßig abstimmen, ob es aus ihrer Sicht eine Zustimmung geben kann.

Für die EU ist das Sprecherland Finnland, weil sie derzeit den EU-Vorsitz führen. Die finnischen Verhandlungsführer müssen sich also dauernd mit den Vertretern der EU-28 über die Wortwahl absprechen.

Konflikte sind dabei in beiden Richtungen programmiert: Dass der Text viel zu weit geht – oder zu wenig weit.

Ein erfundenes Beispiel: Der Entwurf des Schlussdokuments könnte etwa so aussehen:  

"Die Vertragsparteien (verpflichten sich in ihren Verfassungen zu verankern) (anerkennen) (nehmen zur Kenntnis), dass (die Klimakrise) (der Klimawandel) (das Überleben der Artenvielfalt und größter Teile der Menschheit) (herausfordern) (gefährden) werden. Deshalb (soll) (wird) (Klimaneutralität) (weniger Kohlenstoff) bis zum Jahr (2050) (2045) (2040) (2060) (verpflichtend verankert) (empfohlen)."

Eine Klimakonferenz muss im Konsens enden, ohne Gegenstimme. Das heißt nicht, dass wirklich alle Staaten zustimmen müssen, sondern nur, dass kein Staat explizit dagegen stimmt.

Schafft das Vorsitzland, einen Konsens über das Schlussdokument zu erzielen, kann die Konferenz in einem letzten Plenum, in dem Vertreter aller Staaten anwesend sind, das Dokument verabschieden, die Konferenz kann dann beendet werden.

In Paris gelang es 2015, einen starken Text zu verabschieden, manche Klimakonferenzen schaffen nur Konsens über einen stark abgeschwächten Text. Bei der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen gab es zu viele Staaten, die mit dem Text des Schlussdokuments überhaupt nicht einverstanden waren, es konnte nur ein sehr schwaches Schlussdokument verabschiedet werden, diese Konferenz scheiterte.  

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