Freispruch? Unmöglich! Man hatte doch keine Revolution angezettelt, um den König davonkommen zu lassen. Andererseits wollten sich Frankreichs Revolutionäre den Anstrich eines Rechtsstaates geben. Also machte man dem Bürger Louis Capet – einen König Ludwig XVI. durfte es ja nicht mehr geben – den Prozess. Doch der war ein abgekartetes Spiel, das nur einen Ausgang nehmen durfte: Todesurteil. „Ludwig muss sterben, weil das Vaterland leben soll“, war das Motto, das die radikalen Jakobiner ausgegeben hatten. Und so kam es: Jänner 1793 wurde der Monarch hingerichtet.
Hin und her
Ein schauriges Ende für ein ziemlich abenteuerliches juristisches Hin und Her. Und damit ein gutes Beispiel für den uralten Machtkampf um die Gewaltenteilung zwischen Herrschern und den Institutionen des Staates.
Kann man einen Herrscher vor Gericht stellen, ihn wegen Verfehlungen entmachten lassen? Eine Frage, die in Europa über Jahrhunderte für Konflikte sorgte. „Es war ein ewiges Hin und Her“, analysiert Thomas Olechowski, Rechtshistoriker an der Universität Wien: „und dahinter steckte meistens ein Machtkampf zwischen dem Herrscher und Institutionen wie einem Parlament“.
Von Gottes Gnaden
Der Gedanke, dass ein Herrscher – obwohl von Gottes Gnaden – auch Recht und Gesetz unterliegt, beginnt bereits im Mittelalter. Gerade Deutschlands eigensinnige Fürsten achteten darauf, dass der König nicht zu mächtig wurde und räumten sich in mittelalterlichen Gesetzestexten das Recht ein, den Herrscher auch vor Gericht zu stellen.
Ein Rückschlag
Die Neuzeit brachte, so gesehen, einen deutlichen Rückschlag. Für absolutistische Herrscher wie den Sonnenkönig Ludwig XIV. war es ohnehin klar, dass sie niemandem anderen als Gott verantwortlich waren. Sie waren die Quelle allen Rechts und standen daher naturgemäß über ihm.
Erst die Vordenker der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert erhoben erneut die Forderung, dass ein Herrscher seinem Volk gegenüber verantwortlich und damit dem Recht unterworfen sein müsse. Die Habsburger konnten sich mit diesem Gedanken nur teilweise anfreunden. Der preußische König Friedrich II. notierte zumindest in seinem politischen Testament, dass „Der Herrscher im Gericht zu schweigen hat“. In der Praxis aber griff Friedrich nur zu gerne in die Rechtssprechung ein, setzte per „Machtspruch“ durch, was eben er für gerecht hielt.
"Geheiligt und unverantwortlich"
Eine persönliche Verantwortlichkeit für ihre Regierung dagegen lehnten die Habsburger bis zum Untergang des Reiches ab. „Der Kaiser ist geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich“ hieß es in der bis 1918 gültigen Verfassung. Für die Verfehlungen des Kaisers konnte die Justiz deshalb nur seine Minister zu Verantwortung ziehen, wie Rechtshistoriker Olechowski erläutert, „das aber hätte natürlich einen Machtkampf mit dem Kaiser bedeutet. Daher gab es in dieser Spätphase der Monarchie nie eine Ministeranklage.“
"Machtmissbrauch verhindern"
Grundsätzlich gelte für die Hoheit des Rechts über einen Herrscher: „Das hatte in der Theorie große Bedeutung, in der Praxis aber sehr wenig.“ Ein Prinzip mit einer Funktion „wie eine Feuerwehr“, für Ausnahmefälle, „wenn es darum geht Machtmissbrauch zu verhindern.“
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