Japan erteilt die offizielle Erlaubnis, dass das kontaminierte Wasser aus der AKW-Ruine Fukushima ins Meer geleitet wird. Die staatliche Atomaufsicht erteilte am Freitag die letzte ausstehende Genehmigung für die Pläne des Energiekonzerns Tepco, dem ehemaligen Betreiber des 2011 bei einem Tsunami zerstörten Kraftwerks.
Zuvor wurde Kritik von NGO, Südkorea, China und Wissenschaftern laut, die vor der Verkappung (Versenkung im Meer) des kontaminierten Kühlwassers warnen. Die IAEA, die Internationale Atomenergie-Organisation, hat den Plan Japans, rund 500 der Tanks ins Meer zu lassen, zunächst gebilligt. Nun wurde bekannt, dass es auch unter den IAEA-Experten Bedenken gab.
Was war geschehen und wie gefährlich ist das kontaminierte Kühlwasser?
Am 11. März 2011 kommt es zur Katastrophe. Durch ein Seebeben entsteht eine Tsunamiwelle, die die japanische Küste trifft. Im Atomkraftwerk in Fukushima Daiichi fällt der Strom aus - auch die Notstromversorgung bricht zusammen. Es kommt zu Kernschmelzen und Wasserstoffexplosionen in drei Reaktorblöcken. Dabei werden Radionukliden in erheblichen Ausmaß in die Umwelt freigesetzt.
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Tonnen kontaminiertes Wasser flossen bereits unkontrolliert ins Meer
Seitdem wird kontaminiertes Kühlwasser in 1.000 Tanks auf dem Gelände der AKW-Ruine gelagert. Immer wieder tritt kontaminiertes Kühlwasser aus, fließt in den Pazifik, sickert in den Boden. 2013 flossen täglich 300 Tonnen kontaminiertes Kühlwasser unkontrolliert ins Meer.
Das Problem: Diese Radionuklide sedimentieren zum Teil am küstennahen Meeresboden, zum Teil verbreiten sie sich mit der Meeresströmung bis heute im Pazifik und werden dabei stark verdünnt. Über die Nahrungskette im Meer können die Radionuklide dann z. B. in Fische gelangen. Das stellt vor allem im Küstenbereich und somit für die lokale Fischerei und die Bevölkerung vor Ort ein Problem dar.
Unstimmigkeiten unter Experten
Auch heute noch tritt Grundwasser in die Wassertanks ein, sie füllen sich weiter. Jetzt erreichen sie ihre Kapazitätsgrenze. Schon im Sommer, voraussichtlich ab August 2023, sollen 1,3 Millionen Tonnen kontaminiertes Kühlwasser aus der AKW-Ruine verdünnt verkappt werden. Das heißt, im Meer versenkt werden.
Nun wurde bekannt, dass es dem IAEA-Chef, Rafael Grossi, nach ein oder zwei Experten ihre Bedenken zur Freigabe des aufbereiteten radioaktiven Kühlwassers aus dem beschädigten Atomkraftwerk Fukushima geäußert. "Ich habe gehört, dass das gesagt wurde, aber noch einmal, was wir veröffentlicht haben, ist wissenschaftlich einwandfrei", antwortete Grossi gegenüber Reuters auf die Frage, ob es unter den Experten, die an dem Bericht mitwirkten, Unstimmigkeiten gab. Niemand aber hätte ihm persönlich gegenüber Bedenken geäußert.
"Wir befürworten den Plan nicht und empfehlen auch nicht, ihn durchzuführen. Wir sagen, dass dieser Plan mit den Normen übereinstimmt", sagte der Chef der IAEA und betonte außerdem, dass die IAEA weder auf der Seite Japans, noch Chinas oder Koreas stehe. Peking hatte den Bericht der IAEA zuvor scharf kritisiert und erklärt, dass die Aufsichtsbehörde einen Plan, der Risiken für das Meeresleben und die menschliche Gesundheit berge, nicht gutheißen sollte.
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Im folgenden Artikel lesen Sie:
- Was mit dem kontaminierten Wasser passiert
- Welche Auswirkungen das auf das Öko-System hat
- Und wieso es einige Wissenschafter trotz der Billigung durch die IAEA für einen fatalen Fehler halten
Verdünnt und verteilt
Was ist bei der geplanten "Verkappung" des kontaminierten Kühlwassers anders als 2013, als kontaminiertes Wasser in den Pazifik floss?
2013 wurden große Mengen an Spaltprodukten aufgrund der Notsituation unkontrolliert ins Meer gespült. Jetzt soll behördlich kontrolliert eine Ableitung von in die Anlage eindringendem Wasser erfolgen. In die Anlage sickern jährlich etwa 150 Tonnen Grund- und Regenwasser, die dabei natürlich die im Boden und in der Anlage befindliche Kontamination aus dem Unfall von 2013 aufnehmen. Dieses Wasser wird zur Reinigung in einem mehrstufigen Prozess gefiltert, sodass im Endeffekt in den meisten Tanks nur noch geringste Spuren der Spaltprodukte und in erster Linie Tritium übrigbleiben, erklärt die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), die eine eigene Abteilung für Radioaktivität hat.
Was passiert mit dem Tritium?
Wasserstoff kann in drei Isotopen vorkommen, einfacher Wasserstoff, Deuterium und als radioaktives Tritium. Das heißt, Tritium ist im Wassermolekül chemisch von nicht radioaktivem Wasserstoff nicht unterscheidbar. Es ist ein schwacher Betastrahler mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren und einer sehr geringen Energie (18,6keV), erklärt die AGES.
Es unterscheidet sich nicht von gewöhnlichem Wasserstoff und verhält sich genau gleich. Wird tritiumhältiges Wasser ins Meer abgelassen, wird sich dieses Wasser mit dem Meerwasser vermischen und mit der Strömung im Pazifik verteilen. Dabei wird es so stark verdünnt, dass es schon ab der 200-Seemeilen-Zone nicht mehr vom natürlichen bzw. aufgrund der Atombombentests vorhanden Tritium unterscheidbar sein wird.
Warum gibt es dann so viele Kritiker in Politik, Wissenschaft und bei NGOs?
Wolfgang Kromp, emeritierter Professor vom Institut für Sicherheit- und Risikowissenschaften der BOKU etwa spricht sich klar gegen die Verkappung aus. "Seit Urzeiten machen wir das so, dass wir irgendwelche Schadstoffe in die Umwelt entlassen, weil es eben im Verhältnis zur Größe der Umwelt, zur Kapazität der Umwelt relativ wenig ausmacht. Aber viele dieser Substanzen haben die Eigenschaft, dass sie speziell biologisch gesehen, also durch Organismen, akkumuliert werden".
Die radioaktiven Restteilchen werden etwa gefressen und gelangen damit in die Nahrungskette, sagt Kromp. Zudem würde das Meer verdunsten und die radioaktiven Teilchen könnten dadurch in die Luft geraten. Er hält auch das übrige Tritium für nicht ungefährlich.
Auch Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte von Greenpeace ist gegen die Verkappung. Es sei ein Experiment mit dem Planeten, sagt er im Daily Podcast des KURIER. Zudem kritisiert Smital, dass es zu wenige Daten darüber gibt, ob die Methode der Verkappung wirklich unbedenklich sei.
➤ Den ganzen Podcast können Sie hier hören
Welche Auswirkungen hat und hatte die Kontamination in Japan auf Österreich?
Durch den Reaktorunfall 2013 gab es aus Strahlenschutzsicht keine direkten Auswirkungen auf Österreich, sagt die AGES. Die Radionuklide ab ungefähr 21. März 2013 waren allerdings mit extrem feinen Messgeräten über Österreich nachzuweisen.
Die Belastung der Meeresbewohner durch Radionuklide wie Jod-131 oder Cs-137 ist im Küsten- und küstennahen Bereich am größten. In entfernteren Gebieten, zum Beispiel dem internationalen Fangbereich, nimmt die Konzentration der Radionuklide durch Verdünnung im enormen Volumen des Pazifiks stark ab. Bei den Kontrollen des in Österreich in den Handel gekommenen Pazifikfisches durch die AGES konnte in über 500 Proben keine Kontamination der Fische festgestellt werden.
Aus Sicht des Strahlenschutzes hat auch das geplante Ablassen der gefilterten Wässer in Fukushima keine Auswirkungen auf Menschen in Österreich
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