Kein Personal für die Touristen in Spanien

Kellnerinnen dringend gesucht
Aus Madrid Stefanie Claudia Müller
Elena Moreno ist 22 Jahre alt. Ihr Werdegang ist typisch in Spanien. Vor der Matura hat sie die Schule hingeschmissen und eine berufliche Ausbildung angefangen, wieder abgebrochen und die Matura nachgeholt. Das erste Fernstudium stellt sich als Marketing-Trick heraus. Jetzt arbeitet sie in einer Strandbar in Andalusien: „Zumindest habe ich jetzt endlich einen richtigen Vertrag mit Sozialversicherung und Unterbringung inklusive.“
Ein Glück, denn prekäre Arbeitsverhältnisse sind in der spanischen Gastronomie Normalität. Oder waren es. Denn dieses Jahr suchen Hotels händeringend nach Arbeitskräften. Wie das Hardrock Hotel auf Ibiza. Es zahlt seinen Angestellten 200 Euro Belohnung für jeden empfohlenen neuen Arbeitnehmer.
Teilweise schrecken die hohen Mieten ab, die jemand bezahlen muss, wenn er für den Job übersiedelt. Auf Ibiza werden in diesem Sommer zwischen 500 und 700 Euro für ein Zimmer verlangt. Das erklärt auch in Teilen, warum rund 100.000 Stellen nach Angaben von Eurostat derzeit in Spanien offen sind, viele davon auch in der Industrie und Forschung.
Frustrierte Jugend
Arbeitsexpertin Gayle Allard von der IE University in Madrid glaubt aber auch, dass die neue Regierung zu viele soziale Leistungen eingeführt hat und das Arbeitslosengeld zu einfach fließt: „Für manche lohnt es sich nicht mehr, sich vom Sofa zu bewegen. In Deutschland oder Dänemark können nicht einfach Jobs abgelehnt werden.“
Die Bars und Restaurants in Madrid sind jeden Tag von morgens bis abends gefüllt. „Das Leben zu genießen war in Spanien schon immer eine Priorität. Die Pandemie hat das verstärkt,“ sagt Allard. Aber der Arbeitnehmer kann jetzt auch auswählen. Die spanische Wirtschaft wird nach verschiedenen Schätzungen in diesem Jahr erneut um die 5 % zulegen. Die Arbeitslosigkeit ist mit 13 % so niedrig wie schon lange nicht mehr. „Leider gibt es immer noch viele Spanier, die teilweise oder komplett schwarzarbeiten,“ klagt Arbeitsmarktexperte José Manuel Corrales, der an der Universidad Europea auf Teneriffa lehrt. Das erkläre auch die im EU-Mittel immer noch offiziell doppelt so hohe offizielle Arbeitslosigkeit Spaniens.
Die Begabung, Talente zu halten
Corrales ist einer der wenigen Ökonomen in Spanien, der das eigentliche Problem des Arbeitsmarktes offen ausspricht: der Unternehmer, der auf seine Margen nicht verzichten will und der seiner Meinung nach ebenfalls ausgebildet werden muss: „Er muss lernen, zu motivieren und Talente richtig zu sondieren und zu halten.“ Corrales glaubt, dass die Prekarität der Arbeitsbedingungen der Hauptgrund ist, warum viele Firmen derzeit keine Leute finden: „Einfach mehr zahlen,“ schlägt er vor. Ausbeutung käme auch im gehobenen Sektor vor, warnt er: „Manche Firmen suchen eine Art Nobelpreisträger gemäß Jobzanzeige, wollen dann aber nur wenig mehr als den Mindestlohn zahlen. Das geht nicht.“
Angebot und Nachfrage
Die meisten spanischen Unternehmen haben nicht mehr als 50 Mitarbeiter und sind völlig überfordert mit den aktuellen digitalen Möglichkeiten, ihre Angestellten weiterzubilden. Aber wie die Arbeitsministerin Yolanda Díaz bei ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren feststellte, „fehlt es auch an einem richtigen Match von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt.“ Díaz ist als Teil des extremlinken Koalitionspartners der regierenden Sozialdemokraten, der Parteienvereinigung Unidas Podemos, der eigentliche Star der Regierung und entscheidend daran beteiligt, dass der Mindestlohn seit 2020 schrittweise von 900 auf 1000 Euro im Monat angehoben wurde. Die ausgewiesene Atheistin sprach Ende vergangenen Jahres sogar mit dem Papst über die vielen frustrierten Jugendlichen in Spanien und wie ihnen geholfen werden kann. Für Elena Moreno ist sie ein Vorbild: „Hoffentlich ändert sich dauerhaft etwas in Spanien.“
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