Kapstadt: Bald die gefährlichste Stadt der Welt
Auf dem Bezirksgericht in Wynberg gingen im Flur zwei Jugendbanden mit Messern aufeinander los. "Das Blut spritzte wie Wasser aus einer Wasserflasche", berichtet ein Augenzeuge. Es gab mehrere Verletzte und einen Toten. Kurz zuvor war im Valhalla Park eine Mitarbeiterin der Regierungspartei ANC am helllichten Tag vor den Augen ihrer siebenjährigen Tochter erschossen worden.
Das sind keine Extremfälle, sondern mittlerweile der Alltag in Kapstadt (Südafrika). Diese Meldungen kamen allein am Freitag. Auch das Wochenende wird gewalttätig werden. Am vorvergangenen gab es über 40 Morde, am vergangenen 25 – weniger auch nur, weil erstmals die Armee mit gepanzerten Fahrzeugen patrouillierte.
Die Vier-Millionen-Einwohner-Stadt (wenn man die Townships mitrechnet) wird in diesem Jahr von einer Verbrechenswelle ungeahnten Ausmaßes überrollt. Bis jetzt starben – nach unterschiedlichen Angaben – 1.600 bis 2.000 Menschen eines gewaltsamen Todes. In manchen Stadtteilen wurde heuer bereits jeder 200-ste Bewohner getötet. Umgerechnet auf Wien würde das bedeuten, dass es 20.000 Morde im Jahr gibt.
Brennpunkt Cape Flats
Die Bluttaten passieren vor allem in den sogenannten Cape Flats. In den 50er- und 60er-Jahren wurde der schöne Teil Kapstadts nordwestlich des Tafelbergs im Zuge der Apartheid-Bewegung mit Gewalt von der schwarzen Bevölkerung „gesäubert“. Diese Menschen mussten in die Cape Flats umziehen. Die ehemaligen Auslaufplätze der Antilopen wurden zur Heimat der Wellblechhütten. Die Kriminalitätsrate war dort schon immer vergleichsweise hoch, da die Aussichten der Bevölkerung auf gute Jobs gering waren.
Nach dem Ende der Apartheid (Rassentrennung) kamen mit Nelson Mandela viele Hoffnungen auf, doch die Nachfolger des ersten schwarzen Präsidenten (von 1994 bis 1999) fielen eher durch Misswirtschaft auf. Der zuletzt zehn Jahre lang herrschende Jacob Zuma wird meist als „Kleptokrat“ bezeichnet.
Politisches Problem
Dazu kommt, dass Kapstadt nicht vom regierenden ANC, sondern von der oppositionellen Demokratischen Allianz beherrscht wird. Deshalb gibt es dort auch weniger Polizei als im Landesschnitt. Zwar wurden in den Armenvierteln in den vergangenen Jahren auch feste Häuser gebaut, doch viele Bewohner vermieteten diese weiter. Die Folge: Noch mehr Korruption. Die Bandenkriminalität steigt derzeit stark an, erstmals formieren sich auch schwer bewaffnete Frauen-Gangs. Die Banden sind vor allem im Drogen- und Waffenhandel aktiv.
Mittlerweile reicht es, nur Zeuge eines Mordes zu werden, um getötet zu werden. Vor zwei Wochen erschoss ein Täter sechs Frauen, die zufällig anwesend waren. Seit vergangenem Wochenende ist das Militär im Einsatz und rollt mit gepanzerten Fahrzeugen durch die Townships. Doch eine Lösung für alle Probleme ist das nicht.
Touristen sind von den Morden zwar meist nicht unmittelbar betroffen, allerdings bleiben sie von der Kriminalität nicht unberührt. Im vergangenen Jahr etwa häuften sich Überfälle auf Touristen am Tafelberg, auch Messerangriffe gab es.
Die Zählweise Die mexikanische NGO „Sicherheit, Gerechtigkeit und Frieden“ hat die gefährlichsten Städte des Jahres 2018 ermittelt. Hochgerechnet wurde dafür die Zahl der Morde auf 100,000 Einwohner, In Wien wäre das ein Tötungsdelikt, in der schlimmsten Stadt Tijuana (Mexiko) sind es 138.
Die Statistik Nach Tijuana folgen Acapulco (Mexiko, 110 Morde) und Caracas (Venezuela, 100). Kapstadt liegt noch auf dem elften Platz mit 66 Morden pro 100.000 Einwohner. Geht es in der zweiten Jahreshälfte so weiter wie bisher, dann könnte die südafrikanische Stadt aber zu Tijuana aufschließen.
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