Instagram & Facebook: Keine Faktenprüfer mehr, Zensur wird drastisch reduziert
Der Facebook-Konzern Meta will bei der Verbreitung von Falschbehauptungen auf seinen Plattformen künftig weniger stark eingreifen als bisher. Beschränkungen bei kontroversen Themen wie Migration sollten aufgehoben werden, kündigte Gründer und Konzernchef Mark Zuckerberg an. Er sprach von einer "Zensur", die zu weit gegangen sei. Die Kooperation mit Faktencheckern wird - zunächst in den USA - beendet.
Zuckerberg ist bewusst, dass die Änderungen Meta auf Konfrontationskurs mit der EU bringen, wo es ein Gesetz gegen Falschinformationen und Hassrede auf Online-Plattformen gibt. Der Meta-Chef hofft auf den künftigen US-Präsidenten Donald Trump, um Druck gegen die Regeln zu machen, die er als "institutionalisierte Zensur" bezeichnete.
Zuckerberg folgt damit der Linie Tech-Milliardärs Elon Musk, der nach der Übernahme von Twitter Einschränkungen für Äußerungen auf der Plattform weitgehend aufhob. Musks X, wie die Plattform inzwischen heißt, wurde seitdem von Online-Forschern vorgeworfen, Hassrede zuzulassen. X weist das zurück.
"Community Notes" statt Faktencheckern
Statt Faktencheckern will sich Meta künftig darauf verlassen, dass Nutzer selbst Bewertungen von Äußerungen abgeben. So funktioniert das auch bei Musks X. Das System für solche "Community Notes" wird gerade aufgesetzt. Bevor es international ausgerollt wird, soll es in den USA eingeführt werden. Meta sind allerdings in Europa weitgehend die Hände durch das Digitalgesetz Digital Services Act (DSA) zur Verantwortung von Online-Plattformen gebunden.
"Mehr schlechte Dinge" als Folge
Zu Meta gehören neben Facebook auch die Foto- und Video-Plattform Instagram, die Chatdienste WhatsApp und Messenger sowie die X-Alternative Threads. Zuckerberg räumte ein, dass es mit dem neuen Ansatz "mehr schlechte Dinge" auf den Plattformen geben werde. Dafür werde man aber weniger Fehler mit übertriebener Moderation machen.
Zuckerberg verwies darauf, dass nach der Präsidentenwahl 2016 mit Trumps erstem Sieg die Verbreitung von Falschinformationen im Netz als großes Problem gesehen worden sei. Man habe versucht, diese Bedenken anzugehen, ohne selbst zu Richtern über Wahr und Unwahr zu werden - aber die Faktenchecker seien zu politisch voreingenommen gewesen und hätten viel Vertrauen zerstört.
Der Meta-Chef hatte bereits im vergangenen Jahr kritisiert, dass die US-Regierung von US-Präsident Joe Biden zu viel Druck gemacht habe, Falschinformationen zum Coronavirus von den Plattformen zu entfernen.
Höhere Schwelle für Eingreifen
Die Beschränkungen sollen beim Thema Migration und auch bei Geschlechterfragen aufgehoben werden, da diese laut Zuckerberg "nicht mehr im Einklang mit der öffentlichen Meinung" stünden. Auch die Durchsetzung der Regeln soll reformiert werden: Geringfügige Verstöße würden künftig erst nach Nutzerbeschwerden geprüft, und Algorithmen sollen nur bei einer höheren Schwelle eingreifen. Zusätzlich wolle Meta politische und gesellschaftliche Themen wieder stärker in den Fokus rücken.
Ein weiterer Schritt ist die Verlagerung der Moderationsteams aus dem liberalen Kalifornien ins konservative Texas.
Weiße Flagge vor Trump?
Zuckerbergs Vorstoß ist zugleich eine Annäherung an Trump und dessen Republikanischer Partei. Sie hatten seit Jahren behauptet, dass bei Meta und anderen Online-Plattformen "konservative Ansichten" unterdrückt würden. Trump hatte im Wahlkampf Facebook als "Feind des Volkes" bezeichnet und gedroht, Zuckerberg würde den Rest des Lebens im Gefängnis verbringen, wenn man zu dem Schluss komme, dass Meta in den Wahlkampf eingreife. Zuckerberg besuchte Trump nach dem Wahlsieg.
Trump sieht Metas Kurswechsel auch als seinen Verdienst. Auf die Frage, ob er glaube, dass Zuckerberg direkt auf die Drohungen reagiert habe, sagte der künftige US-Präsident bei einer Pressekonferenz: "Wahrscheinlich."
Kurz vor der Ankündigung gab es auch eine wichtige Änderung in der Führungsetage des Konzerns. Passend zum bevorstehenden Machtwechsel in Washington ernannte der Konzern Joel Kaplan - einen ehemaligen Mitarbeiter des republikanischen Ex-Präsidenten George W. Bush - zum neuen Politik-Chef.
Kehrtwende vor Stunde der Wahrheit für TikTok
Metas Kehrtwende kommt vor einem Schlüsselmoment für die Zukunft des Konkurrenten TikTok. Am 19. Jänner droht der App per Gesetz das Aus in den USA, wenn sie nicht verkauft wird. Am Freitag will das Oberste Gericht der USA über den Fall beraten.
Trump, der einst selbst einen TikTok-Verkauf erzwingen wollte, sprach sich zuletzt gegen ein Verbot der Video-App aus, auch weil sie ein Gegengewicht zu Metas Apps darstelle und für ihn im Wahlkampf nützlich gewesen sei. Mit mehr Freiheiten auf Facebook und Co. könnte TikTok für das Trump-Lager nun weniger interessant werden.
Europäisches Faktencheck-Netzwerk kritisiert Aussagen von Zuckerberg
Das European Fact-Checking Standards Network (EFCSN), der Zusammenschluss europäischer Faktencheck-Organisationen, hat sich über die Ankündigung des Facebook-Konzerns Meta, die Zusammenarbeit mit Faktencheckern zu beenden, enttäuscht gezeigt. Der Schritt sei "politisch motiviert" im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Amtsantritt Trumps, heißt es in einem Statement. Die Überprüfung von Fakten mit Zensur in Verbindung zu bringen, verurteile man aufs Schärfste.
Faktenüberprüfung mit Zensur gleichzusetzen sei eine "falsche und böswillige Behauptung". Factchecking sei keine Zensur, sondern bereichere öffentliche Debatten, liefere Kontext und Fakten, damit sich jede und jeder eine eigene Meinung bilden könne, schreibt das EFCSN. "Die Überprüfung von Fakten hat sich als wirksames Mittel gegen Fehlinformationen erwiesen, und zwar immer wieder", betont das Netzwerk.
Journalistische Standards durch unabhängige Prüfung gewährleistet
Es sei "schlichtweg falsch", dass Faktenchecker zu politisch voreingenommen seien, betonte das EFCSN in seinem Statement. Faktenprüfer würden den "höchsten journalistischen Standards der unvoreingenommenen Berichterstattung, Transparenz, Integrität und Verantwortlichkeit" unterliegen, wobei Organisationen wie das EFCSN diese Standards durch eine unabhängige Prüfung aufrechterhalte.
Das Netzwerk warnte angesichts bevorstehender Wahlen in mehreren europäischen Ländern vor steigender Wahlbeeinflussung durch ausländische Akteure, sollte der Kampf gegen Desinformation reduziert werden. Die EU müsse deshalb bei der Durchsetzung ihrer eigenen Gesetze bleiben, "auch wenn andere Länder Druck ausüben". Das EFCSN ermutige die Europäische Union, dem "politischen Druck standzuhalten" und sich in ihren Bemühungen, die Verbreitung von Falsch- und Desinformationen auf großen Online-Plattformen zu stoppen, nicht beirren zu lassen, hieß es.
Meta hatte erst vor wenigen Monaten, im Vorfeld der EU-Wahlen im Mai des vergangenen Jahres, betont, wie wirksam die Kennzeichnung von faktengeprüfter Desinformation sei. "Zwischen Juli und Dezember 2023 wurden beispielsweise über 68 Millionen Inhalte in der EU auf Facebook und Instagram mit einem Faktencheck-Label versehen. Wenn ein Beitrag mit einer Kennzeichnung zur Faktenüberprüfung versehen ist, klicken sich 95 Prozent der Nutzer nicht durch den Beitrag, um ihn anzusehen", teilte der Konzern damals mit.
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