Haftstrafe für Beschwerde über Muezzin

Indonesier befürchten wachsende Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch ein Blasphemiegesetz

Weil sie sich über die Lautstärke eines Muezzins beschwert hatte, verurteilte ein indonesisches Gericht Meiliana, eine 44 Jahre alte Buddhistin, zu 18 Monaten Haft.

Berichten zufolge hatte die chinesischstämmige Indonesierin bei der zuständigen Moschee angefragt, ob der Muezzin nicht etwas leiser zum Gebet aufrufen könne. Als Grundlage für diesen Urteilsspruch gilt das Blasphemiegesetz, das vor mehr als 50 Jahren eingeführt wurde.

Robikin Emhas, der Vorsitzende von Nahdlatul Ulama, der größten islamischen Nichtregierungsorganisation der Welt, ist vom Urteilsspruch erschüttert: „Ich kann nicht verstehen, wie das Zitat ,der Muezzin ist zu laut‘‚ ein Ausdruck der Feindschaft gegenüber einer gewissen Gruppe oder Religion sein kann“, sagt er und drängt darauf, das Blasphemiegesetz nicht als „Instrument der Unterdrückung der Meinungsfreiheit“ zu verwenden.

In Indonesien ist seit geraumer Zeit ein Schwenk hin zum konservativen Islam zu verzeichnen – als die Beschwerden Meilianas vor zwei Jahren bekannt wurden, kam es zu antichinesischen Ausschreitungen, einige buddhistische Tempel wurden niedergebrannt. Die gefassten Täter bekamen nur wenige Monate Haft, obwohl auch sie nach dem Blasphemiegesetz verurteilt wurden.

In Aceh, einer indonesischen Provinz, wurde vor mehr als einem Jahr ein homosexuelles Paar öffentlich ausgepeitscht. Seit drei Jahren gilt dort die Scharia als Gesetz, mehr als 500 Menschen wurden seither nach diesem Recht bestraft.

Politisches Mittel

Auch in der Politik konnte das Blasphemiegesetz unliebsame Gegner außer Gefecht setzen: Vergangenes Jahr wurde der ehemalige Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, Basuki Purnama, wegen Gotteslästerung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er soll während einer Wahlkampfrede den Koran beleidigt haben, daraufhin brachen Proteste aus, an denen 500.000 Menschen teilnahmen, die seine Inhaftierung forderten.

„Das Urteil bereitet den Weg für wachsende Intoleranz, weil es zeigt, dass man jemanden unter religiösem Vorwand vor Gericht bringen und eine politische Karriere beenden kann“, sagte der indonesische Politik-Experte Ray Rangkuti damals.

Maßgeblich an den Protesten beteiligt war die islamistische Organisation Hizbut Tahrir, die einen islamischen Staat errichten möchte und weltweit vernetzt ist.

Im Mai vergangenen Jahres wurde sie von der Regierung verboten. Erst Ende Juli verbot ein indonesisches Gericht einen Ableger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), nachdem es zu islamistischen Selbstmordanschlägen auf christliche Kirchen gekommen war.

Die Täter sollen IS-Rückkehrer aus Syrien und dem Irak gewesen sein. Indonesien ist das bevölkerungsreichste muslimische Land der Erde (250 Millionen Einwohner, davon 200 Millionen Muslime) und galt lange als Vorzeigestaat muslimischer Demokratie.Armin Arbeiter

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